Papst Franziskus – der weiterhin »für die Kranken dieser Pandemie betet« - las die Messe, die am Samstagmorgen, 14. März, in der Kapelle des Hauses Santa Marta gefeiert wurde, für die Familien, besonders für diejenigen, die mit dem Problem der Behinderung zu kämpfen haben.
»Heute möchte ich um ein besonderes Gebet für die Familien bitten«, sagte der Papst in freier Rede zu Beginn der Messfeier. Es gebe nämlich »Familien, die von einem Tag auf den anderen mit ihren Kindern zu Hause sitzen, weil die Schulen aus Sicherheitsgründen geschlossen sind und die eine schwierige Situation bewältigen müssen, und zwar gut, friedlich und auch mit Freude. In besonderer Weise denke ich an die Familien mit einigen Menschen mit Behinderungen. Die Tagesstätten für Menschen mit Behinderungen sind geschlossen und die Betroffenen bleiben daheim in der Familie. Lasst uns für die Familien beten, dass sie in dieser Zeit nicht den Frieden verlieren und es fertigbringen, die ganze Familie mit Kraft und Freude voranzubringen«.
Worte, die durch die Live-Übertragung die Familien erreichten, die die Nähe des Bischofs von Rom erleben konnten. Und mit den Versen von Psalm 145 (8-9), die als Eröffnungsvers gelesen wurden, verlieh Franziskus seinem Gebet noch mehr Nachdruck: »Der Herr ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Gnade. Der Herr ist gütig zu allen; sein Erbarmen waltet über all seinen Werken«.
Für seine Betrachtung ging der Papst von dem von der Liturgie des Tages vorgeschlagenen Abschnitt aus dem Lukasevangelium (15,1-3. 11-32) mit der Erzählung des Gleichnisses vom verlorenen Sohn und dem barmherzigen Vater aus. »Wir haben diesen Abschnitt aus dem Evangelium schon oft gehört«, sagte der Papst, der erklärte: »Dieses Gleichnis unterbreitet Jesus in einem besonderen Zusammenhang: ›Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm, um ihn zu hören‹«. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten dagegen »empörten sich darüber und sagten: ›Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen‹. Da antwortete Jesus mit diesem Gleichnis«.
Der Papst machte darauf aufmerksam, dass sich » Menschen, Sünder [Jesus] schweigend nähern, sie bringen es nicht fertig, zu sprechen, aber ihre Anwesenheit sagt vieles, sie wollten zuhören«. »Was sagen [hingegen] die Gesetzeslehrer? Sie kritisieren. ›Sie empörten sich darüber‹’, sagt das Evangelium, und versuchten, die Vollmacht zunichte zu machen, die Jesus bei den Menschen hatte. Das ist der große Vorwurf: er isst mit Sündern, er ist ein Unreiner«.
»Das Gleichnis ist so ein wenig die Erläuterung für dieses Drama, für dieses Problem«, bekräftigte Franziskus. »Die Menschen spüren das Bedürfnis nach Heil, sie verstehen es nicht, intellektuell gut zu unterscheiden: ich muss meinen Herrn finden, der mich erfüllt. Die Leute »brauchen einen Führer, einen Hirten, sie nähern sich Jesus, weil sie in ihm einen Hirten sehen, sie brauchen Hilfe dabei, im Leben voranzugehen. Sie verspüren dieses Bedürfnis«.
Den anderen dagegen, »den Gesetzeslehrern, reicht es, wie es ist: ›Wir sind an die Universität gegangen, ich habe ein, nein, sogar zwei Doktortitel. Ich weiß bestens, was das Gesetz sagt. In der Tat kenne ich alle, wirklich alle Erklärungen, alle Fälle, alle kasuistischen Haltungen‹«. Mit diesem Denken »fühlen sich die Gesetzeslehrer überlegen, sie verachten die Menschen, sie verachten die Sünder: die Verachtung der Sünder«.
»Im Gleichnis«, betonte der Papst, geschehe genau dasselbe: »Der Sohn sagt zum Vater: gib mir das Geld und ich gehe. Der Vater gibt es ihm, sagt aber nichts, weil er ein Vater ist, ihm mag die Erinnerung an so manche Dummejungenstreiche aus seiner Jugend gekommen sein, aber er sagt nichts«. Der Grund für diese Haltung? »Ein Vater versteht es, im Stillen zu leiden. Ein Vater vertraut auf die Zeit, er lässt die schlechten Augenblicke verstreichen«, erklärte der Papst. Oftmals »besteht die Haltung eines Vaters darin, sich angesichts der Fehler seiner Kinder dumm zu stellen«. Und so kann es, wie das Gleichnis sagt, dazu kommen, dass »der andere Sohn den Vater schimpft: du warst ungerecht«. Er tadelt ihn.
Die Frage, die Franziskus aufwarf, laute also: »Was empfinden« die drei Protagonisten des Gleichnisses? Vor allem: »Der Junge verspürt den Wunsch, die ganze Welt zu haben, Grenzen zu überschreiten, aus dem Haus zu gehen, das er vielleicht wie ein Gefängnis empfindet, und zugleich hat er auch die Überheblichkeit, seinem Vater zu sagen: Gib mir, was mir zusteht. Er spürt Mut, Kraft«.
Der Vater seinerseits, fuhr der Papst fort, »empfindet Schmerz, Zärtlichkeit und viel Liebe. Als der Sohn dann jenes andere Wort sagt, wenn er zur Besinnung kommt – ›Ich will aufbrechen – Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen‹, findet er den Vater, der auf ihn wartet, er sieht ihn von weitem. Ein Vater, der weiß, wie man die Zeit seiner Kinder abzuwarten hat«.
Und schließlich: »Was empfindet der ältere Sohn? Im Evangelium heißt es: ›Er wurde zornig‹. Er fühlt diese Verachtung, und oft ist das für diese Menschen die einzige Möglichkeit, sich würdig zu fühlen«.
»Das sind die Dinge, die in diesem Abschnitt des Evangeliums gesagt werden, die Dinge, die man fühlt«, betonte Franziskus erneut: »Aber wo liegt das Problem? Das Problem – »fangen wir mit dem ältesten Sohn an – das Problem ist, dass er zwar zu Hause war, aber nie begriff, was es heißt, zu Hause zu leben: er tat seine Pflicht, er tat seine Arbeit, aber er verstand nicht, was eine liebevolle Beziehung zum Vater ist. ›Der Sohn wurde zornig und wollte nicht hineingehen‹«, so im Evangelium. Ja, »›Ist das nicht schon mein Zuhause?‹, hatte er gedacht«. Und es sei dieselbe Haltung »der Gesetzeslehrer: da herrscht keine Ordnung. Dieser Sünder kam daher und sie feierten ihm ein Fest. Und ich?«
Dazu »spricht der Vater ein klares Wort: ›Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein‹«. Aber »davon hatte der Sohn nichts gemerkt«, sagte der Papst, »er lebte zu Hause wie in einem Hotel, ohne jene Vaterschaft zu spüren«. Ja »es gibt viele ›Hotelgäste‹ im Haus der Kirche, die sich für die Herren halten«.
Aber »es ist interessant«, so merkte der Papst an: »Der Vater sagt kein Wort zu dem Sohn, der von der Sünde zurückkommt, er küsst ihn nur, er umarmt ihn und richtet ihm ein Fest aus«. Dem älteren Sohn hingegen müsse er Erläuterungen geben, »um sein Herz zu erreichen: er hatte sein Herz aufgrund seiner Vorstellungen über die Vaterschaft, die Sohnschaft, die Art und Weise zu leben fest verschlossen«.
»Ich erinnere mich«, so gestand er, »dass da einmal ein weiser alter Priester war, ein großer Beichtvater, ein Missionar, ein Mann, der die Kirche sehr liebte, und als er von einem jungen Priester sprach, der sich seiner selbst sehr sicher war, der ganz fest glaubte« – eben in der Gewissheit, dass er »ein Wert« sei und dass er »Rechte in der Kirche« habe –, da sagte er: ›Aber ich bete dafür, dass der Herr ihm eine Bananenschale hinlegt und ihn ausrutschen lässt, es wird ihm gut tun‹«. Kurz, es war, »als sage er - es klingt wie eine Gotteslästerung - ›es wird ihm gut tun, zu sündigen, denn er wird um Vergebung bitten müssen und wird den Vater finden‹«.
»Dieses Gleichnis des Herrn sagt uns viel, das denen antwortet, die ihn kritisierten, weil er mit den Sündern ging«, erklärte der Papst. »Aber auch heute kritisieren viele – Vertreter der Kirche – diejenigen, die auf Menschen in Not zugehen, auf demütige Menschen, auf Menschen, die arbeiten, sogar auf diejenigen, die für uns arbeiten«.
Abschließend forderte Papst Franziskus dazuauf, zu beten: »Möge der Herr uns die Gnade schenken, zu verstehen, was das Problem ist: das Problem besteht darin, zu Hause zu leben, aber sich nicht zu Hause zu fühlen, weil es sonst keine Beziehung der Vaterschaft, der Brüderlichkeit gibt, sondern nur die Beziehung von Arbeitskollegen«.
Am Ende der Messe betete der Papst wie üblich vor dem Bild der Muttergottes neben dem Altar in der Kapelle Santa Marta. Begleitet von der Antiphon »Ave Regina caelorum«.
Um die Mittagszeit folgten die Mariengebete des Angelus und des Rosenkranzes – übertragen in Streaming –, die von Kardinal-Erzpriester Angelo Comastri vom dem Kathedra-Altar der Vatikanbasilika aus geleitet wurden.