· Vatikanstadt ·

Generalaudienz in der »Aula Paolo VI« am 27. August

Auch in dunklen Stunden in der Liebe ausharren

 Auch in dunklen Stunden in der Liebe ausharren  TED-035
06. September 2025

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute sprechen wir über eine Szene, die den Beginn des Leidens Jesu kennzeichnet: über den Augenblick seiner Verhaftung im Garten Getsemani. Der Evangelist Johannes stellt uns mit seiner gewohnten Tiefe keinen erschrockenen Jesus vor Augen, der flieht oder sich versteckt. Im Gegenteil, er zeigt uns einen freien Mann, der vortritt und das Wort ergreift, indem er sich offen der Stunde stellt, in der sich das Licht der größten Liebe offenbaren kann.

»Jesus, der alles wusste, was mit ihm geschehen sollte, ging hinaus und fragte sie: Wen sucht ihr?« (Joh 18,4). Jesus weiß es. Dennoch beschließ er, nicht zurückzuweichen. Er liefert sich aus. Nicht aus Schwäche, sondern aus Liebe. Einer Liebe, die so vollkommen und so reif ist, dass sie die Zurückweisung nicht fürchtet. Jesus wird nicht ergriffen: Er lässt sich ergreifen. Er ist nicht Opfer einer Verhaftung, sondern Geber eines Geschenks. In dieser Geste ist eine Hoffnung des Heils für unsere Menschheit verkörpert: zu wissen, dass man auch in der dunkelsten Stunde die Freiheit besitzen kann, bis zur Vollendung zu lieben.

Als Jesus antwortet: »Ich bin es!«, stürzen die Soldaten zu Boden. Es handelt sich um einen geheimnisvollen Abschnitt, da dieser Ausdruck in der biblischen Offenbarung den Namen Gottes vergegenwärtigt: »Ich bin«. Jesus offenbart, dass die Gegenwart Gottes sich gerade dort zeigt, wo die Menschheit Unrecht, Angst, Einsamkeit erlebt. Gerade dort ist das wahre Licht bereit zu scheinen, ohne Furcht, von der Ausbreitung der Finsternis überwältigt zu werden.

Mitten in der Nacht, als alles zusammenzubrechen scheint, zeigt Jesus, dass die christliche Hoffnung nicht Flucht, sondern Entscheidung ist. Diese Haltung ist Frucht eines tiefen Gebets, in dem man Gott nicht darum bittet, dass einem das Leiden erspart bleiben möge, sondern um die Kraft, in der Liebe auszuharren, im Bewusstsein, dass niemand uns das Leben nehmen kann, das aus Liebe freiwillig hingegeben wurde.

»Wenn ihr also mich sucht, dann lasst diese gehen!« (Joh 18,8). Im Augenblick seiner Verhaftung ist Jesus nicht darum besorgt, sich selbst zu retten: Er will nur, dass seine Freunde in Freiheit gehen können. Das zeigt, dass sein Opfer ein wahrer Akt der Nächstenliebe ist. Jesus lässt sich von den Soldaten gefangen nehmen und einsperren, nur um seine Jünger in Freiheit gehen lassen zu können.

Jesus hat jeden Tag seines Lebens als Vorbereitung auf diese dramatische und erhabene Stunde gelebt. Daher hat er, als sie kommt, die Kraft, nicht nach einem Fluchtweg zu suchen. Sein Herz weiß: Das Leben aus Liebe zu verlieren ist kein Scheitern, sondern es besitzt eine geheimnisvolle Fruchtbarkeit. Wie das Weizenkorn, das gerade indem es in die Erde fällt, nicht allein bleibt, sondern stirbt und reiche Frucht trägt.

Auch Jesus empfindet Beunruhigung angesichts eines Weges, der nur zum Tod und zum Ende führen kann. Aber er ist ebenso überzeugt, dass man nur ein aus Liebe verlorenes Leben am Ende wiederfindet. Darin besteht die wahre Hoffnung: nicht darin, den Schmerz zu vermeiden, sondern daran zu glauben, dass sich auch inmitten der ungerechtesten Leiden der Keim eines neuen Lebens verbirgt.

Und wir? Wie oft verteidigen wir unser Leben, unsere Pläne, unsere Sicherheiten, ohne zu merken, dass wir dadurch allein bleiben. Die Logik des Evangeliums ist eine andere: Nur was man hinschenkt, gedeiht, nur die Liebe, die unentgeltlich wird, kann auch dort, wo alles verloren scheint, wieder Vertrauen zurückbringen.

Das Markusevangelium berichtet uns auch von einem jungen Mann, der nackt davonläuft, als Jesus verhaftet wird (vgl. Mk 14,52). Es ist ein rätselhaftes, aber sehr eindrucksvolles Bild. Auch wir erleben in unserem Versuch, Jesus nachzufolgen, Augenblicke, in denen wir unvorbereitet sind und uns unsere Gewissheiten genommen werden. Es sind die schwierigsten Augenblicke, in denen wir versucht sind, den Weg des Evangeliums zu verlassen, weil die Liebe uns als eine unmögliche Reise erscheint. Dennoch wird gerade ein junger Mann am Ende des Evangeliums den Frauen die Auferstehung verkündigen, nicht mehr nackt, sondern mit einem weißen Gewand bekleidet.

Das ist die Hoffnung unseres Glaubens: Unsere Sünden und unser Zögern hindern Gott nicht daran, uns zu vergeben und in uns von neuem den Wunsch zu wecken, ihm wieder nachzufolgen und fähig zu werden, das Leben für die anderen hinzuschenken.

Liebe Brüder und Schwestern, lernen auch wir, uns dem guten Willen des Vaters auszuliefern, indem wir unser Leben eine Antwort auf das empfangene Gute sein lassen. Im Leben muss man nicht alles unter Kontrolle haben. Es genügt, sich jeden Tag zu entscheiden, in Freiheit zu lieben. Das ist die wahre Hoffnung: zu wissen, dass die Liebe Gottes uns auch im Dunkel der Prüfung stützt und in uns die Frucht des ewigen Lebens heranreifen lässt.

(Orig. ital. in O.R. 27.8.2025)