· Vatikanstadt ·

Generalaudienz auf dem Petersplatz am 30. Juli

Offen sein für eine ehrliche Kommunikation

 Offen sein für eine ehrliche Kommunikation  TED-031
08. August 2025

Bei der ersten Generalaudienz nach der Sommerpause setzte Leo XIV. am 30. Juli die bereits von Papst Franziskus begonnene Katechesereihe zum Heiligen Jahr unter dem Thema »Jesus Christus, unsere Hoffnung« fort, die derzeit den »Heilungen« gewidmet ist. Nachdem er in der letzten Katechese am 25. Juni die blutflüssige Frau und die Tochter des Jairus behandelt hatte, folgte nun eine Katechese über die Heilung des Taubstummen im Markus-evangelium.

Liebe Brüder und Schwestern!

Mit dieser Katechese beenden wir unseren Weg durch das aus Begegnungen, Gleichnissen und Heilungen bestehende öffentliche Wirken Jesu.

Auch die Zeit, in der wir leben, braucht Heilung. Unsere Welt ist von einer Atmo-sphäre der Gewalt und des Hasses durchzogen, die den Menschen in seiner Würde erniedrigt. Wir leben in einer Gesellschaft, die an einer »Bulimie« der Social Media-Verbindungen erkrankt ist: Wir sind hypervernetzt und werden von – manchmal auch falschen oder verzerrten – Bildern bombardiert. Wir werden überwältigt von einer Vielzahl von Botschaften, die in uns einen Sturm an widersprüchlichen Emotionen auslösen.

Nichts mehr hören wollen

In diesem Szenario kann in uns der Wunsch entstehen, alles abzuschalten. Wir können zu dem Punkt gelangen, lieber gar nichts mehr hören zu wollen. Auch unsere Worte drohen miss-verstanden zu werden, und wir können versucht sein, uns im Schweigen zu verschließen, in einer Sprachlosigkeit, wo wir einander, so nahe wir uns auch sein mögen, die einfachsten und tiefsten Dinge nicht mehr sagen können.

In diesem Zusammenhang möchte ich heute über einen Text aus dem Markusevangelium sprechen, der uns einen Mann vor Augen stellt, der nicht reden und nicht hören kann (vgl. Mk 7,31-37). Genau wie es uns heute passieren kann, hat dieser Mann vielleicht beschlossen, nicht mehr zu reden, weil er sich nicht verstanden fühlte, und alle Stimmen abzuschalten, weil er von dem, was er gehört hatte, enttäuscht und verletzt war. Tatsächlich geht er nicht selbst zu Jesus, um geheilt zu werden, sondern er wird von anderen Menschen gebracht. Man könnte vermuten, dass ihnen, die ihn zum Meister brachten, seine Isolierung Sorgen bereitete. Die christliche Gemeinde hat in ihnen jedoch auch das Bild der Kirche gesehen, die jeden Menschen zu Jesus begleitet, damit er sein Wort hört. Die Episode spielt sich in einem heidnischen Gebiet ab; wir befinden uns also in einem Umfeld, wo andere Stimmen danach streben, die Stimme Gottes zu übertönen.

Das Verhalten Jesu mag anfangs seltsam erscheinen, weil er diesen Menschen beiseite nimmt und wegführt (vgl. V. 33a). So scheint er seine Isolierung zu vergrößern, aber bei genauerem Hinsehen hilft er uns, zu verstehen, was sich hinter dem Schweigen und der Verschlossenheit dieses Mannes verbirgt, als hätte er sein Bedürfnis nach Vertrautheit und Nähe verstanden.

Jesus bietet ihm zunächst eine stille Nähe an, durch Gesten, die von einer tiefen Begegnung sprechen: Er berührt die Ohren und die Zunge des Mannes (vgl. V. 33b). Jesus gebraucht nicht viele Worte. Er sagt das Einzige, was in diesem Augenblick notwendig ist: »Öffne dich!« (V. 34). Markus gibt das Wort auf Aramäisch wieder, »Effata«, so als wolle er uns den Klang und den Hauch »live« hören lassen. Dieses einfache und wunderschöne Wort enthält die Einladung Jesu an diesen Mann, der aufgehört hat, zu hören und zu reden. Es ist, als würde Jesus zu ihm sagen: »Öffne dich für diese Welt, die dir Angst macht! Öffne dich für die Beziehungen, die dich enttäuscht haben! Öffne dich dem Leben, dem du dich nicht mehr stellen willst!« Denn sich zu verschließen, ist nie eine Lösung.

Richtig reden können

Nach der Begegnung mit Jesus kann der Mann nicht nur wieder reden, sondern er tut es sogar »richtig« (V. 35). Dieses vom Evangelisten eingefügte Adverb scheint uns etwas mehr über die Gründe für sein Schweigen sagen zu wollen. Vielleicht hat dieser Mann aufgehört zu reden, weil es ihm schien, als sagte er die Dinge falsch, vielleicht fühlte er sich nicht auf der Höhe. Wir alle machen die Erfahrung, missverstanden zu werden und uns nicht verstanden zu fühlen. Wir alle müssen den Herrn bitten, unsere Art und Weise der Kommunikation zu heilen, nicht nur, um erfolgreicher zu sein, sondern auch, um zu vermeiden, andere mit unseren Worten zu verletzen.

Wieder richtig zu reden ist der Beginn eines Weges, es ist noch nicht das Ziel. Denn Jesus verbietet dem Mann, zu erzählen, was ihm widerfahren ist (vgl. V. 36). Um Jesus wirklich kennenzulernen, muss man einen Weg zurücklegen, muss bei ihm sein und auch durch sein Leiden gehen. Wenn wir ihn erniedrigt und leidend gesehen haben, wenn wir die heilbringende Kraft seines Kreuzes erfahren, dann können wir sagen, dass wir ihn wirklich kennengelernt haben. Es gibt keine Abkürzungen, um Jünger Jesu zu werden.

Liebe Brüder und Schwestern, bitten wir den Herrn, lernen zu können, ehrlich und klug zu kommunizieren. Beten wir für alle, die von den Worten anderer verletzt worden sind. Beten wir für die Kirche, dass sie ihre Aufgabe, die Menschen zu Jesus zu bringen, nie vernachlässigt, damit sie sein Wort hören, dadurch geheilt werden und ihrerseits Überbringer seiner Heilsbotschaft werden können.

(Orig. ital. in O.R. 30.7.2025)