
In einer feierlichen Zeremonie in der Jerusalemer Salvatorkirche, Sitz der Kustodie des Heiligen Landes, ist am Montagnachmittag, 21. Juli, der italienische Franziskaner Francesco Ielpo offiziell als neuer Kus-tos eingeführt worden. Papst Leo XIV. hatte bereits am 24. Juni die Wahl des Franziskaners bestätigt. Die Amtsübergabe erfolgte durch seinen Vorgänger P. Francesco Patton OFM, der das Amt seit 2016 innehatte. Bei der Zeremonie erhielt Ielpo symbolisch die Amtsinsignien, legte den Amtseid ab und nahm von seinem Vorgänger das Siegel entgegen.
Von Roberto Cetera
Pater Ielpo, Sie beginnen Ihr Amt als Kustos in einer Zeit, die vielleicht die schwerste ist, die dieses Land seit dem Krieg von 1967, wenn nicht sogar seit 1948, erlebt hat. In Gaza gab es in 22 Monaten 57.000 Tote, der oft in Betracht gezogene Waffenstillstand hat sich noch nicht verwirklicht und im Westjordanland kommt es täglich zu gewalttätigen Angriffen der Siedler. Auch die christliche Minderheit leidet unter wiederholten Gewalttaten, darunter die Überfälle der Siedler auf das christliche Dorf Taibeh und vor allem der Beschuss der katholischen Pfarrei in Gaza am 17. Juli mit drei Toten und zehn Verletzten.
Ja, das ist eine sehr schwierige Zeit, dessen bin ich mir bewusst. Auch weil wir bekanntlich nicht nur die Hüter der heiligen Stätten, sondern auch eine lebendige pastorale Präsenz an der Seite der Christen dieses Landes sind. Und neben den objektiven Schwierigkeiten gibt es auch subjektive. Das heißt, ich bin mir der Kluft zwischen der mir anvertrauten Aufgabe und meinen bescheidenen persönlichen Ressourcen sehr bewusst. Aber ich sehe diese Kluft auch als Chance. In dem Sinne, dass dies mehr Raum für das Wirken des Heiligen Geistes lässt. Und darauf vertraue ich vor allem. Denn vor allem diesem Wirken des Heiligen Geistes verdanken wir es, dass es den Franziskanern seit 800 Jahren trotz vieler Widrigkeiten gelingt, die christliche Präsenz im Land Jesu zu bezeugen.
Sie kennen das Heilige Land und die Realität der Kustodie bereits sehr gut, in den letzten Jahren haben Sie als Delegierter den Kustos in Italien vertreten. Haben Sie bereits einen Plan für Ihre Arbeit?
Ich habe nur die Absicht, den von meinen Vorgängern vorgezeichneten Weg fortzusetzen. Die Kustodie, das ist nicht der Kustos, sondern das sind die Hingabe, die Mühe und die Talente ihrer über 300 Brüder. Die Aufgabe des Kustos besteht nicht so sehr in der Leitung, sondern eher darin, die in dieser besonderen Franziskanerprovinz reichlich vorhandenen Talente zur Geltung zu bringen. So wie es Pater Patton in den letzten neun Jahren sehr gut gemacht hat. Unter diesen Talenten würde ich vor allem den internationalen Charakter der Kustodie hervorheben, in der über 50 verschiedene Nationalitäten vorhanden sind. Meine Aufgabe ist es, diese Symphonie von Berufungen und Talenten harmonisch zu gestalten. Dann würde ich auf die spezifische Missionstätigkeit der Franziskaner hinweisen, die durch die Evangelisierung ganz im Zeichen der Nachfolge Chris-ti steht. Hier kommt sie nicht nur in der Aufnahme der vielen Pilger zum Ausdruck, sondern auch in der Leitung der uns vom Lateinischen Patriarchat von Jerusalem anvertrauten Pfarreien. [Die Pfarreien von Jerusalem, Bethlehem, Nazareth und Jaffa sind den Franziskanern anvertraut, Anm. d. Red.] Vor allem aber gehört dazu die Leitung der 17 Schulen in Israel und Palästina, in der jedes Jahr Tausende von Schülern auch eine Friedensbildung erhalten. Die Schulen sind zweifellos der Mehrwert unserer Seelsorge. Und dann sind da noch die Werke der christlichen Nächstenliebe, die darauf abzielen, das Leid der am stärksten benachteiligten palästinensischen Bevölkerung zu lindern. Ein Bereich, in dem wir alle engagiert sind, insbesondere hat P. Ibrahim Faltas OFM in diesen Monaten des Krieges sehr wichtige Initiativen für Kinder ins Leben gerufen.
Nicht nur Jerusalem, Israel und Palästina gehören zum Heiligen Land, sondern auch Syrien, der Libanon, Jordanien, Ägypten, Zypern und Rhodos.
Noch vor meiner offiziellen Amtseinführung wollte ich meine Mission mit einem Besuch unserer Gemeinschaften in Syrien und im Libanon beginnen. Ich war positiv überrascht vom christlichen Geist und der wirksamen Arbeit unserer Brüder und noch mehr von ihrer Verwurzelung und von der Wertschätzung, die sie unter den Menschen in ihren Missionsgebieten genießen. Und das nicht nur bei den Christen. In Syrien haben mich die Brüder zu einem Treffen mit dem Vikar des orthodoxen Patriarchats und anschließend zum Pfarrer der Kirche St. Elias im Stadtteil Dwelah in Damaskus begleitet, wo es am 21. Juni bei einem islamistischen Terroranschlag mehr als 30 Tote und über 60 Verletzte gab. Der Pfarrer erzählte mir von dem Anschlag und seinen getöteten Gemeindemitgliedern: von dem jungen Mädchen, dem ersten Opfer, das auf dem Kirchplatz getötet wurde, als es mit einer Kerze in der Hand zur Kirche ging; und von dem jungen Mann, der sich auf den Selbstmordattentäter stürzte, der sich gerade in die Luft sprengen wollte, und ihn stoppte, bevor er die Kirchenbänke erreichte. Damit opferte er sich, um Dutzende anderer möglicher Opfer zu retten. Am Ende umarmten wir uns ehrlich und von Herzen, ein Zeichen echter Ökumene im gemeinsamen Leid und unter demselben Kreuz. Als unsere Brüder dann aus Anlass meiner Anwesenheit einen besonderen Got-tesdienst feiern wollten, dachte ich, dass die Angst viele Menschen abhalten würde, zu kommen, aber stattdessen war die Kirche voll. Die christliche Identität hat Vorrang vor der ethnischen oder politischen Identität. Auch im Libanon war ich Zeuge des großen karitativen Engagements unserer Brüder während der israelischen Bombardierungen, die vielen Vertriebenen sowohl in Beirut als auch im Süden Zuflucht gewährt haben. Ich bewundere den Mut und den missionarischen Geist unserer Brüder, der im Westen so wenig bekannt ist.
Was erwarten Sie von Ihren Brüdern?
Einfach, dass sie gute Brüder sind, so wie ihre Vorgänger, die seit 800 Jahren die christliche Präsenz im Heiligen Land bewahrt und gewährleistet haben. Mit Aufmerksamkeit für den Nächsten, aber immer mit dem Blick auf Christus. In diesen Tagen, während dieser Reise, habe ich viel über diese neue Aufgabe nachgedacht, die mir unverdienterweise übertragen wurde, und dabei einen Abschnitt aus dem Evangelium betrachtet, der mich in diesen Stunden inspiriert. Heute, wie zu Jesu Zeiten, sind die Wellen des Meeres hoch und bedrohlich, die Angst im Boot ist groß, aber als die Jünger Jesus auf dem Wasser gehen sehen, legen sich ihre Ängste. Petrus versucht, ihn nachzuahmen, scheint aber zu versagen. Warum? Weil er aufgehört hat, seinen Blick auf die Augen Jesu zu richten. Das ist mein persönliches Ziel, aber auch das, was ich unseren Brüdern vorschlage: in den Stürmen unserer Welt standhaft und ohne Angst bleiben zu können, weil wir unseren Blick fest auf Jesus richten.
(Orig. ital. in O.R. 21.7.2025)