
Liebe Brüder und Schwestern!
Auch heute denken wir über die Heilungen Jesu als Zeichen der Hoffnung nach. In ihm ist eine Kraft, die auch wir erfahren können, wenn wir in Beziehung zu seiner Person treten.
Eine weit verbreitete Krankheit in unserer Zeit ist der Lebensüberdruss: Die Wirklichkeit erscheint uns zu komplex, schwer, schwierig, sich ihr zu stellen. Und daher schalten wir ab, schlafen wir ein, in der Illusion, dass die Dinge beim Erwachen anders sein werden. Aber der Wirklichkeit muss man sich stellen, und zusammen mit Jesus können wir das gut
tun. Manchmal fühlen wir uns außerdem blockiert vom Urteil jener, die sich anmaßen, andere abzustempeln.
Mir scheint, dass diese Situationen sich in einem Abschnitt aus dem Markusevangelium widerspiegeln, wo zwei Geschichten miteinander verknüpft sind: diejenige eines zwölfjährigen Mädchens, das krank im Bett im Sterben liegt; und diejenige einer Frau, die seit zwölf Jahren unter Blutfluss leidet und Jesus aufsucht, um geheilt werden zu können (vgl.
Mk 5,21-43).
Bitte um Hilfe
Zwischen diese weiblichen Gestalten stellt der Evangelist die Person des Vaters des Mäd-chens: Er bleibt nicht zuhause, um über die Krankheit der Tochter zu klagen, sondern geht hinaus und bittet um Hilfe. Obgleich er der
Synagogenvorsteher ist, erhebt er keine Ansprüche wegen seiner gesellschaftlichen Stellung. Wenn er warten muss, verliert er nicht die Geduld und wartet. Und als Leute zu ihm kommen, um ihm mitzuteilen, dass seine Tochter gestorben ist und es unnütz ist, den Meister noch länger zu bemühen, hat er weiterhin Glauben und hofft weiter.
Das Gespräch dieses Vaters mit Jesus wird unterbrochen durch die blutflüssige Frau, der es gelingt, sich Jesus anzunähern und sein Gewand zu berühren (vgl. V. 27). Diese Frau hat mit großem Mut die Entscheidung getroffen, die ihr Leben verändert: Alle hatten ihr immer wieder gesagt, sie sollte Abstand halten, sich nicht sehen lassen. Sie hatten sie dazu verurteilt, versteckt und isoliert zu bleiben. Manchmal können auch wir Opfer des Urteils der anderen sein, die sich anmaßen, uns ein Gewand anzulegen, das nicht unseres ist. Und dann geht es uns schlecht, und es gelingt uns nicht, dort herauszukommen.
Jene Frau schlägt den Weg des Heils ein, als in ihr der Glaube aufkeimt, dass Jesus sie heilen kann: Da findet sie die Kraft herauszugehen und ihn aufzusuchen. Sie will es schaffen, wenigstens sein Gewand zu berühren.
Um Jesus herum war eine große Menschenmenge, also berührten ihn viele Menschen, und dennoch passiert ihnen nichts. Als diese Frau jedoch Jesus berührt, wird sie geheilt. Wo liegt der Unterschied? In seinem Kommentar zu diesem Punkt des Textes sagt der heilige Augustinus im Namen Jesu: »Die Menge drängt sich um mich, aber der Glaube berührt mich« (Sermo 243,2,2). So ist es: Immer, wenn wir einen an Jesus gerichteten Glaubensakt tun, wird ein Kontakt zu ihm hergestellt, und sofort geht seine Gnade von ihm aus. Manchmal merken wir es nicht, aber auf geheime und reale Weise erreicht uns die Gnade und verwandelt ganz langsam von innen heraus das Leben.
Vielleicht nähern sich auch heute viele Menschen Jesus oberflächlich an, ohne wirklich an seine Macht zu glauben. Wir betreten den Boden unserer Kirchen, aber vielleicht ist das Herz woanders! Diese schweigsame und namenlose Frau überwindet ihre Ängste, indem sie das Herz Jesu mit ihren Händen be-rührt, die aufgrund der Krankheit als unrein betrachtet werden. Und sofort fühlt sie sich geheilt. Jesus sagt zu ihr: »Meine Tochter, dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden!«
(Mk 5,34).
Jesu Nähe
In der Zwischenzeit wird jenem Vater mitgeteilt, dass seine Tochter gestorben ist. Jesus sagt zu ihm: »Fürchte dich nicht! Glaube nur!« (V. 36). Dann geht er zu ihm nach Hause, und als er alle weinen und klagen sieht, sagt er: »Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur« (V. 39). Dann geht er in den Raum, wo das Mäd-chen liegt, fasst es an der Hand und sagt zu ihm: »Talita kum! – Mädchen, steh auf!« Das Mädchen steht auf und geht umher (vgl. V. 41-42). Diese Ges-te Jesu zeigt uns, dass er nicht nur von jeder Krankheit heilt, sondern auch von den Toten auferweckt. Für Gott, der das ewige Leben ist, ist der Tod des Leibes gleichsam ein Schlaf. Der wahre Tod ist der Tod der Seele: Davor müssen wir Angst haben!
Ein letztes Detail: Nachdem Jesus das Mäd-chen auferweckt hat, sagt er zu den Eltern, sie sollen ihr zu essen geben (vgl. V. 43). Das ist ein weiteres ganz konkretes Zeichen der Nähe Jesu zu unserer Menschheit. Wir können es aber auch in einem tieferen Sinn verstehen und uns fragen: Wenn unsere jungen Menschen in einer Krise sind und geistliche Nahrung brauchen, können wir sie ihnen dann geben? Und wie können wir das tun, wenn wir uns nicht selbst vom Evangelium ernähren?
Liebe Brüder und Schwestern, im Leben gibt es Augenblicke der Enttäuschung und der Entmutigung, und es gibt auch die Erfahrung des Todes. Lernen wir von jener Frau, von jenem Vater. Gehen wir zu Jesus: Er kann uns heilen, er kann dafür sorgen, dass wir neu geboren werden. Jesus ist unsere Hoffnung!
(Orig. ital. in O.R. 25.6.2025)