
Danke, danke euch allen! Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Der Friede sei mit euch!
Ihnen, Eminenzen, Exzellenzen, den Ausbildern und vor allem euch allen, den Seminaristen, guten Tag euch allen!
Es ist mir eine große Freude, mit euch zusammenzutreffen, und ich danke allen, den Seminaristen und den Ausbildern, für eure lebhafte Anwesenheit. Danke vor allem für eure Freude und eure Begeisterung. Danke, denn mit eurer Energie nährt ihr die Flamme der Hoffnung im Leben der Kirche!
Heute seid ihr nicht nur Pilger, sondern auch Zeugen der Hoffnung: ihr bezeugt sie mir und allen, denn ihr habt euch in einer nicht leichten Zeit auf das faszinierende Abenteuer der Priesterberufung eingelassen. Ihr habt in die Berufung eingewilligt, sanftmütige und starke Verkünder von Gottes rettendem Wort zu werden, Diener einer offenen Kirche und einer Kirche in missionarischem Aufbruch.
[Auf Spanisch fügte der Papst hinzu:] Und ich möchte auch etwas auf Spanisch sagen. Danke, dass ihr mutig die Einladung des Herrn angenommen habt, ihm zu folgen, Jünger zu sein, ins Priesterseminar einzutreten. Man braucht Mut und habt keine Angst! [Wieder auf Italienisch sagte er:] Zu Christus, der euch ruft, sagt ihr mit Mut und Demut »Ja«. Und euer »Hier bin ich«, das ihr zu ihm sagt, keimt im Leben der Kirche und lässt sich begleiten von dem notwendigen Weg der Unterscheidung und Formung.
Jesus, das wisst ihr, beruft euch vor allem dazu, eine Erfahrung der Freundschaft mit ihm und mit euren Weggefährten zu leben (vgl. Mk 3,13). Eine Erfahrung, die auch nach der Priesterweihe zum beständigen Wachsen bestimmt ist und die alle Aspekte des Lebens umfasst. Denn es gibt nichts von euch, dass ausgesondert werden müsste, sondern alles soll der Logik des Weizenkorns folgend angenommen und verwandelt werden, um glückliche Menschen und Priester zu werden, »Brücken« und keine Hindernisse für die Begegnung mit Christus für all jene, die zu euch kommen. Ja, er muss wachsen und wir müssen kleiner werden, damit wir Hirten nach seinem Herzen sein können.1
Wie sollte man in Bezug auf das Herz Jesu Christi nicht an die Enzyklika Dilexit nos denken, die uns der geliebte Papst Franziskus geschenkt hat?2 Gerade in dieser Zeit, die ihr jetzt erlebt, das heißt in der Zeit der Ausbildung und Entscheidungsfindung, ist es wichtig, die Aufmerksamkeit auf das Zentrum, auf die »Antriebskraft« eures ganzen Weges zu richten: das Herz! Das Seminar sollte, wie auch immer die Modalitäten im Einzelnen gedacht sein mögen, eine »Schule der Affektivität« sein. Insbesondere in der heutigen Zeit, in einem von Konfliktivität und Narzissmus geprägten sozialen und kulturellen Kontext, ist es für uns notwendig, dass wir lernen zu lieben und dies so tun wie Jesus.3
Wie Jesus mit menschlichem Herzen geliebt hat4, so seid ihr aufgerufen, mit dem Herzen Christi zu lieben! [Der Papst wiederholte auf Spanisch:] Mit dem Herzen Jesu lieben. [Er fuhr auf Italienisch fort:] Aber um diese Kunst zu erlernen, ist es notwendig, an seinem Innenleben zu arbeiten, wo Gott seine Stimme hören lässt und von wo die tiefsten Entscheidungen ausgehen. Aber es ist auch ein Ort der Spannungen und Kämpfe (vgl. Mk 7,14-23), der der Umkehr bedarf, damit eure ganze Menschlichkeit den Wohlgeruch des Evangeliums ausströmt. Die erste Arbeit muss also dem eigenen Inneren gelten. Denkt an die Aufforderung des heiligen Augustinus, zum Herzen zurückzukehren, weil wir dort Gottes Spuren finden. In das Herz hinabzusteigen, kann uns zuweilen Angst machen, weil es in ihm auch Wunden gibt. Habt keine Angst, euch um sie zu kümmern, euch helfen zu lassen, denn gerade aus diesen Wunden wird die Fähigkeit entstehen, den Leidenden nahe zu sein. Ohne inneres Leben ist auch ein geistliches Leben unmöglich, weil Gott gerade dort, im Herzen, zu uns spricht. [Auf Spanisch:] Gott spricht im Herzen zu uns, wir müssen auf ihn zu hören wissen. [Auf Italienisch:] Teil dieser Arbeit am eigenen Inneren ist auch das Training, um zu lernen, die Bewegungen des Herzens zu erkennen: nicht nur die flüchtigen, unmittelbaren Emotionen, die typisch sind für das Gemüt junger Menschen, sondern vor allem eure Empfindungen, die euch helfen, die Richtung eures Lebens zu entdecken. Wenn ihr lernt, euer Herz zu kennen, dann werdet ihr immer authentischer sein und keine Masken mehr aufzusetzen brauchen. Und der beste Weg, der uns in die Innerlichkeit führt, ist das Gebet: In der heutigen Zeit, in der wir total vernetzt sind, wird es immer schwieriger, die Erfahrung der Stille und Einsamkeit zu machen. Ohne die Begegnung mit Ihm sind wir nicht einmal in der Lage, uns selbst wirklich zu kennen.
Ich lade euch ein, oft zum Heiligen Geist zu beten, damit er in euch ein fügsames Herz formen möge, das fähig ist, die Gegenwart Gottes wahrzunehmen, auch beim Hören auf die Stimmen der Natur und der Kunst, der Dichtung, der Literatur5 und der Musik wie auf die der Wissenschaften6. Bei eurem beharrlichen Einsatz im Studium der Theologie sollt ihr mit offenem Geist und Herzen auf die Stimmen der Kultur ebenso zu hören wissen wie auf die neuen Herausforderungen der künstlichen Intelligenz und der Social Media.7 Vor allem sollt ihr, so wie Jesus es getan hat, auf den häufig stummen Schrei der Kleinen, der Armen und Unterdrückten hören, und auf den Schrei so vieler, insbesondere junger Menschen, die auf der Suche nach einem Sinn für ihr Leben sind.
Wenn ihr für euer Herz Sorge tragt, mit täglichen Zeiten der Stille, der Betrachtung, des Gebets, dann könnt ihr die Kunst der Unterscheidung lernen. Auch das ist eine wichtige Arbeit: unterscheiden zu lernen. Wenn wir jung sind, tragen wir so viele Wünsche in uns, so viele Träume und ehrgeizige Ziele. Das Herz ist oft übervoll und es geschieht, dass man verwirrt ist. Dagegen muss unser Inneres nach dem Vorbild der Jungfrau Maria fähig werden, zu bewahren und zu erwägen. Die Fähigkeit des »synballein«, wie der Evangelist Lukas (2,19.51) schreibt: Teile zusammensetzen.8 Hütet euch vor der Oberflächlichkeit und setze die Teile des Lebens im Gebet, in der Betrachtung zusammen, indem ihr euch fragt: Was ich jetzt erlebe, was lehrt es mich? Was sagt es mir über meinen Weg? Wohin führt mich der Herr jetzt?
Meine Lieben, ihr sollt ein gütiges und demütiges Herz haben wie Jesus (vgl. Mt 11,29). Mögt ihr nach dem Vorbild des Apos-tels Paulus (vgl. Phil 2,5ff.) die Haltung Chris-ti annehmen, um Fortschritte zu machen in der menschlichen, vor allem der affektiven und zwischenmenschlichen Reife. Es ist wichtig, ja notwendig, von der Zeit des Seminars an stark auf das menschliche Reifen zu setzen und dabei Verstellung ebenso zurückzuweisen wie Heuchelei. Den Blick auf Jesus gerichtet, muss man lernen, auch Traurigkeit, Furcht, Angst, Entrüstung einen Namen und eine Stimme zu geben, indem man alles in die Beziehung zu Gott einbringt. Krisen, Grenzen, Schwächen sollen nicht vertuscht werden, sondern sie sollen vielmehr Momente der Gnade und österlicher Erfahrung sein.
In einer Welt, in der es oft Undank und Machtgier gibt, wo zuweilen die Logik der Ausgrenzung vorzuherrschen scheint, seid ihr aufgerufen, die Dankbarkeit und Selbstlosigkeit Christi zu bezeugen, den Jubel und die Freude, die Zärtlichkeit und Barmherzigkeit seines Herzens. Und auch den Stil der Annahme und Nähe zu leben, den großherzigen, uneigennützigen Dienst, indem ihr zulasst, dass der Heilige Geist eure Menschlichkeit noch vor der Priesterweihe »salben« kann.
Das Herz Christi ist erfüllt von grenzenlosem Mitgefühl. Er ist der barmherzige Samariter der Menschheit und sagt uns: »Geh und handle du genauso!« (Lk 10,37). Dieses Mitleid drängt ihn, für die Menge das Brot des Wortes und des Teilens zu brechen (vgl. Mk 6,30-44). Dahinter wird die Geste im Abendmahlssaal und am Kreuz erahnbar, wo er sich selbst als Speise gibt. Und zu uns sagt er: »Gebt ihr ihnen zu essen!« (Mk 6,37), das heißt macht aus eurem Leben eine Gabe der Liebe.
Liebe Seminaristen, die Weisheit der Mutter Kirche sucht, unterstützt vom Heiligen Geist, im Lauf der Zeit stets die für die geweihten Amtsträger geeignetsten und den Anforderungen vor Ort entsprechenden Ausbildungsmodalitäten. Was ist eure Aufgabe bei diesem Einsatz? Eure Aufgabe ist es, niemals das Niveau zu senken, sich nicht abfinden, nicht nur passive Empfänger zu sein, sondern euch für das priesterliche Leben zu begeistern, in der Gegenwart zu leben und mit einem prophetischen Herzen in die Zukunft zu blicken. Ich hoffe, dass diese unsere Begegnung einem jeden von euch helfen möge, den persönlichen Dialog mit dem Herrn zu vertiefen, in dem ihr ihn bitten könnt, immer mehr die Haltung Christi anzunehmen, die Empfindungen seines Herzens. Jenes Herzens, das voller Liebe zu euch und zur gesamten Menschheit schlägt.
Einen guten Weg! Ich begleite euch mit meinem Segen.
Vor dem abschließenden Glaubensbekenntnis und dem Segen sagte der Papst:
Liebe Seminaristen, ich freue mich, euch an diesem Vormittag aus Anlass eurer Heilig-Jahr-Feier zu begleiten, gemeinsam mit den Priestern, die auf eurem Ausbildungsweg an eurer Seite sind. Ihr kommt aus verschiedenen Ortskirchen der ganzen Welt und habt sehr unterschiedliche Lebenserfahrungen, aber im Herrn bilden wir alle einen einzigen Leib. Denn es ist ein und dieselbe Hoffnung, zu der ihr berufen seid, die eurer Berufung (vgl. Eph 4,4). Heute erneuert ihr am Grab des Apostels Petrus und gemeinsam mit mir, seinem Nachfolger, den Glauben eurer Taufe. Dieses Glaubensbekenntnis möge die Wurzel sein, aus der das »Hier bin ich« aufkeimt, das ihr voller Freude am Tag eurer Priesterweihe sagen werdet. Gott, der das Werk in euch begonnen hat, möge es zur Vollendung führen. [Es folgte das Glaubensbekenntnis in lateinischer Sprache.]
Lasset uns beten. Vater, der du in diesem Heiligen Jahr deiner Kirche den Weg des Heils öffnest, nimm unsere guten Vorsätze an und erhöre unseren Wunsch, unser Leben zu dir zu bekehren, um echte Zeugen des Evangeliums zu werden. Lenke unsere Schritte durch die Gnade des Heiligen Geis-tes zur seligen Hoffnung, dein Antlitz zu sehen im himmlischen Jerusalem, wo dein Reich zur vollkommenen Erfüllung gelangt und alles in Christus, deinem Sohn, verwirklicht wird, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit. [Segen]
Meine guten Wünsche für euch alle und einen guten Pilgerweg der Hoffnung!
Fußnoten
1 Hl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis (25. März 1992), 43.
2 Enzyklika Dilexit nos über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu Christi (24. Oktober 2024).
3 Vgl. ebd., 17.
4 Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitu-tion Gaudium et spes, 22.
5 Vgl. Franziskus, Brief über die Bedeutung der Literatur in der Bildung, 17. Juli 2024.
6 Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitu-tion Gaudium et spes, 62.
7 Kongregation für den Klerus, Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis. Das Geschenk der Berufung zum Priestertum
(8. Dezember 2016), 97.
8 Vgl. Enzyklika Dilexit nos über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu Christi (24. Oktober 2024), 19.
(Orig. ital. und span. in O.R. 24.6.2025)