Generalaudienz auf dem Petersplatz am 18. Juni

Jesus heilt und schenkt Hoffnung

 Jesus heilt und schenkt Hoffnung  TED-025
27. Juni 2025

Liebe Brüder und Schwestern!

Wir betrachten weiterhin Jesus, der heilt. Insbesondere möchte ich euch heute ein-laden, an die Situationen zu denken, in denen wir uns »blockiert« und in einer Sackgasse gefangen fühlen. Denn manchmal erscheint es uns nutzlos, weiterhin zu hoffen; wir resignieren und haben keinen Willen mehr zu kämpfen. Diese Situation wird in den Evangelien mit dem Bild der Lähmung umschrieben. Aus diesem Grund möchte ich heute über die Heilung eines Gelähmten sprechen, von der im fünften Kapitel des Evangeliums nach Johannes berichtet wird (5,1-9).

Jesus geht nach Jerusalem zu einem Fest der Juden. Er begibt sich nicht gleich zum Tempel; vielmehr hält er bei einem Tor an, wo wahrscheinlich die Schafe gewaschen wurden, die dann geopfert wurden. Bei diesem Tor hielten sich auch viele Kranke auf, die im Unterschied zu den Schafen vom Tempel ausgeschlossen waren, weil sie als unrein betrachtet wurden! Also geht Jesus selbst zu ihnen in ihrem Schmerz. Diese Menschen hofften auf ein Wunder, das ihr Schicksal verändern möge; denn neben dem Tor befand sich ein Teich, dessen Wasser als wundertätig betrachtet wurden, also als fähig zu heilen: Ab und zu wallte das Wasser auf, und wer, dem damaligen Glauben nach, zuerst dort hineinstieg, wurde geheilt.

Lähmende Enttäuschung

So entstand einer Art »Krieg der Armen«: Wir können uns die traurige Szene dieser Kranken vorstellen, die sich mühsam hinschleppten, um in den Teich zu steigen. Jener Teich hieß Betesda, was »Haus der Barmherzigkeit« bedeutet: Es könnte ein Bild für die Kirche sein, wo die Kranken und Armen sich versammeln und wo der Herr hinkommt, um zu heilen und Hoffnung zu schenken.

Jesus wendet sich insbesondere an einen Mann, der schon seit 38 Jahren gelähmt ist. Er hat bereits resigniert, weil er es nie schafft, in den Teich zu steigen, wenn das Wasser aufwallt (vgl. V. 7). Tatsächlich ist das, was uns lähmt, oft die Enttäuschung. Wir fühlen uns entmutigt und laufen Gefahr, in Trägheit zu verfallen.

Jesus richtet an diesen Gelähmten eine Frage, die überflüssig erscheinen mag: »Willst du gesund werden?« (V. 6). Es ist jedoch eine notwendige Frage, denn wenn man seit vielen Jahren blockiert ist, dann kann auch
der Wille, gesund zu werden, schwinden. Manchmal ziehen wir es vor, im Zustand der Krankheit zu bleiben und die anderen zu zwingen, für uns zu sorgen. Es ist manchmal auch ein Vorwand, uns nicht zu entscheiden, was wir mit unserem Leben tun sollen. Jesus verweist diesen Mann dagegen auf seinen wahren und tiefsten Wunsch.

Tatsächlich antwortet dieser Mann ausführlicher auf die Frage Jesu und offenbart seine Lebensauffassung. Er sagt zunächst, dass er keinen Menschen hat, der ihn in den Teich trägt: Es ist also nicht seine Schuld, sondern die der anderen, die sich nicht um ihn kümmern. Diese Haltung wird zum Vorwand, um zu vermeiden, selbst Verantwortung zu übernehmen. Aber stimmt es eigentlich, dass er keinen Menschen hat, der ihm hilft? Hier die erleuchtende Antwort des heiligen Augustinus: »Ja, um geheilt zu werden, brauchte er unbedingt einen Menschen, aber einen Menschen, der auch Gott wäre. […] Es ist also der Mensch gekommen, der notwendig war; warum sollte man die Heilung noch weiter aufschieben?«1

Der Gelähmte fügt dann hinzu, dass immer, wenn er versucht, in den Teich zu steigen, jemand vor ihm da ist. Dieser Mann bringt eine fatalistische Lebensauffassung zum Ausdruck. Wir denken, dass die Dinge uns widerfahren, weil wir kein Glück haben, weil das Schicksal uns nicht gewogen ist. Dieser Mann ist entmutigt. Er fühlt sich unterlegen im Kampf des Lebens.

Verantwortung übernehmen

Jesus hilft ihm dagegen zu entdecken, dass sein Leben auch in seinen eigenen Händen liegt. Er fordert ihn auf, aufzustehen, sich aus seiner chronischen Lage zu erheben und seine Liege zu nehmen (vgl. V. 8). Jene Liege darf nicht verlassen oder weggeworfen werden: Sie steht für seine Vergangenheit als Kranker, sie ist seine Geschichte. Bis zu jenem Augenblick hat die Vergangenheit ihn blockiert: Sie hat ihn gezwungen, wie ein Toter dazuliegen. Jetzt ist er es, der jene Liege nehmen und sie dorthin tragen kann, wohin er will: Er kann entscheiden, was er aus seiner Geschichte machen will! Es geht darum zu gehen, die Verantwortung zu übernehmen für die Entscheidung, welchen Weg er gehen will. Und das dank Jesus!

Liebe Brüder und Schwestern, bitten wir den Herrn um das Geschenk zu verstehen, wo unser Leben blockiert ist. Versuchen wir, unserem Wunsch, gesund zu werden, eine Stimme zu geben. Und beten wir für alle, die sich gelähmt fühlen, die keinen Ausweg sehen. Bitten wir darum, wieder im Herzen Christi zu wohnen, der das wahre Haus der Barmherzigkeit ist!

Fußnote

1 Sermo 17,7.

(Orig. ital. in O.R. 18.6.2025)