Sonderaudienz für Pilger im Heiligen Jahr

Hoffen heißt »verbinden«

 Hoffen heißt »verbinden«  TED-024
20. Juni 2025

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Der Friede sei mit euch!

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute Vormittag werden die Sonderaudienzen im Heiligen Jahr wieder aufgenommen, die Papst Franziskus im Januar begonnen hatte und bei denen er jedes Mal über einen besonderen Aspekt der theologischen Tugend der Hoffnung und über eine geistliche Gestalt sprach, die diesen Aspekt bezeugt hat. Setzen wir also den begonnenen Weg als Pilger der Hoffnung fort!

Uns führt die Hoffnung zusammen, die die Apostel von Anfang an weitergegeben haben. Die Apostel haben gesehen, wie sich in Jesus die Erde mit dem Himmel verband: mit Augen, Ohren, Händen haben sie das Wort des Lebens aufgenommen. Das Jubiläum ist wie eine offene Tür zu diesem Geheimnis. Das Heilige Jahr verbindet Gottes Welt noch tiefer mit der unseren. Es lädt uns ein, ernst zu nehmen, was wir jeden Tag beten: »wie im Himmel so auf Erden«. Das ist unsere Hoffnung. Und das ist der Aspekt, den wir heute vertiefen wollen: Hoffen heißt »verbinden«.

Einer der größten christlichen Theologen, Bischof Irenäus von Lyon, soll uns helfen, zu erkennen, wie schön und aktuell diese Hoffnung ist. Irenäus wurde in Kleinasien geboren und wurde ausgebildet und geformt unter denjenigen, die die Apostel persönlich gekannt hatten. Dann kam er nach Europa, denn in Lyon hatte sich bereits eine Gemeinde von Christen aus seiner Heimat gebildet. Wie gut tut es uns hier in Rom, in Europa daran zu denken! Das Evangelium wurde von außen auf diesen Kontinent gebracht. Und auch heute sind die Migrantengemeinschaften eine Präsenz, die den Glauben in den sie aufnehmenden Ländern beleben. Das Evangelium kommt von außen. Irenäus verbindet Ost und West. Schon das ist ein Zeichen der Hoffnung, weil es uns darauf hinweist, wie die Völker weiterhin einander bereichern.

Irenäus hat uns allerdings einen noch größeren Schatz zu geben. Die lehramtlichen Spaltungen, auf die er in der Christengemeinde stieß, die internen Konflikte und die Verfolgung von außen entmutigten ihn nicht. Im Gegenteil, in einer zerrissenen Welt lernte er, besser nachzudenken, indem er die Aufmerksamkeit immer tiefer Jesus zuwandte. Er besang seine Person, ja sein Fleisch. Denn er erkannte, dass in Jesus das, was uns als Gegensatz erscheint, zu einer Einheit zusammengefügt wird. Jesus ist keine trennende Mauer, sondern eine Tür, die uns verbindet. Wir müssen in ihm bleiben und die Wirklichkeit von den Ideologien unterscheiden.

Liebe Brüder und Schwestern, auch heute können Ideen verrückt spielen und Worte können töten. Das Fleisch hingegen ist das, woraus wir alle gemacht sind, und es ist das, was uns mit der Erde und mit den anderen Geschöpfen verbindet. Das Fleisch Jesu muss in jedem Bruder und in jeder Schwester, in jedem Geschöpf angenommen und betrachtet werden. Hören wir auf den Schrei des Fleisches, fühlen wir uns durch den Schmerz des anderen beim Namen gerufen. Das Gebot, das wir von Anfang an erhalten haben, ist das Gebot gegenseitiger Liebe. Noch vor jedem Gesetz ist es in unser Fleisch eingeschrieben.

Irenäus, Lehrmeister der Einheit, lehrt uns nicht entgegenzusetzen, sondern zu verbinden. Intelligenz ist nicht dort, wo man trennt, sondern wo man verbindet. Unterscheiden ist hilfreich, spalten aber niemals. Jesus ist das ewige Leben mitten unter uns: er versammelt Gegensätze und macht Gemeinschaft möglich.

Wir sind Pilger der Hoffnung, weil es zwischen Personen, Völkern und Geschöpfen jemanden geben muss, der entschieden hat, sich in Richtung Gemeinschaft auf den Weg zu machen. Andere werden uns folgen. Wie Irenäus von Lyon im 2. Jahrhundert werden wir in allen unseren Städten wieder Brücken bauen, wo heute Mauern sind. Öffnen wir Türen, verbinden wir Welten, und dann wird es Hoffnung geben.

(Orig. ital. in O.R. 14.6.2025