· Vatikanstadt ·

Audienz für den Klerus der Diözese Rom

Ein glaubwürdiges Zeugnis vor den Augen der Welt

 Ein glaubwürdiges Zeugnis vor den Augen der Welt  TED-024
20. Juni 2025

Ich möchte um einen kräftigen Applaus bitten – für euch alle, die ihr hier seid, und für alle Priester und Diakone Roms!

Liebe Priester und Diakone, die ihr euren Dienst in der Diözese Rom tut, liebe Seminaristen, ich begrüße euch alle mit Zuneigung und Freundschaft!

Ich danke Seiner Eminenz, dem Kardinalvikar, für die Worte der Begrüßung und Vorstellung, bei der er ein wenig von eurer Präsenz in dieser Stadt erzählt hat.

Ich hatte den Wunsch, euch zu treffen, um euch aus der Nähe kennenzulernen und um einen gemeinsamen Weg mit euch zu beginnen. Ich danke euch für euer dem Dienst am Reich Gottes geschenktes Leben, für eure tagtäglichen Mühen, für so viel Großherzigkeit bei der Ausübung eures Dienstamtes, für all das, was ihr in der Stille lebt und das zuweilen von Leid oder Unverständnis begleitet wird. Ihr erfüllt verschiedene Dienste, aber ihr seid alle wertvoll in den Augen Gottes und bei der Verwirklichung seines Plans.

Vorsitz
in der Liebe

Die Diözese Rom führt den Vorsitz in der Liebe und in der Gemeinschaft, und diese Sendung kann sie erfüllen dank eines jeden von euch, durch das Band der Gnade mit dem Bischof und durch die fruchtbare Mitverantwortung des ganzen Gottesvolkes. Unsere Diözese ist wirklich eine besondere Diözese, weil viele Priester aus verschiedenen Teilen der Welt hierherkommen, insbesondere zu Studienzwecken, und das führt dazu, dass auch das pastorale Leben – ich denke hierbei vor allem an die Pfarreien – von dieser Universalität und von der gegenseitigen Annahme geprägt ist, die diese mit sich bringt.

Von eben diesem universalen Blickwinkel ausgehend, den Rom bietet, möchte ich von Herzen einige Gedanken mit euch teilen.

Der erste Aspekt, der mir besonders am Herzen liegt, ist Einheit und Gemeinschaft. Im sogenannten Hohepriesterlichen Gebet hat Jesus, wie wir wissen, zum Vater gebetet, dass die Seinen eins sein mögen (vgl. Joh 17,20-23). Der Herr weiß sehr gut, dass wir nur dann Frucht bringen und vor der Welt ein glaubwürdiges Zeugnis geben können, wenn wir mit Ihm und untereinander vereint sind. Die Gemeinschaft des Presbyteriums wird hier in Rom gefördert durch die Tatsache, dass man einer alten Tradition folgend gewöhnlich in den Pfarrhäusern wie auch in den Kollegien oder anderen Wohnsitzen zusammenlebt. Der Presbyter ist aufgerufen, ein Mann der Gemeinschaft zu sein, damit er selbst sie als erster lebt und beständig fördert. Wir wissen, dass diese Gemeinschaft heute behindert wird von einer kulturellen Atmosphäre, die Isolierung und Selbstbezogenheit begünstigt. Niemand von uns ist ausgenommen von diesen Fallstricken, die die Beständigkeit unseres geistlichen Lebens und die Kraft unseres Dienstes bedrohen.

Aber wir müssen auch wachsam sein, denn neben dem kulturellen Kontext trifft die Gemeinschaft und Brüderlichkeit unter uns auch auf einige sozusagen »interne« Hindernisse, die das kirchliche Leben der Diözese, die zwischenmenschlichen Beziehungen und auch das betreffen, was im Herzen wohnt, insbesondere jenes Gefühl der Ermüdung, das eintritt, weil wir besondere Mühen erlebt haben, weil wir uns unverstanden fühlten und niemand uns zugehört hat, oder aus anderen Gründen. Ich möchte euch helfen, gemeinsam mit euch vorangehen, damit jeder in seinem Dienst wieder Zuversicht gewinnen kann. Aber gerade deshalb möchte ich euch um einen Elan in der Brüderlichkeit des Presbyteriums bitten, die ihre Wurzeln in einem soliden geistlichen Leben, in der Begegnung mit dem Herrn und im Hören auf sein Wort hat. Wenn wir daraus leben, können wir freundschaftliche Beziehungen pflegen und uns in gegenseitiger Achtung übertreffen (vgl. Röm 12,10). So nehmen wir das Bedürfnis des anderen wahr, um zu wachsen und um dasselbe kirchliche Streben zu fördern.

Die Gemeinschaft muss auch im Engagement in dieser Diözese umgesetzt werden, mit verschiedenen Charismen, mit unterschiedlichen Ausbildungswegen und auch mit unterschiedlichen Diensten, aber es muss sich um ein und dieselbe Anstrengung handeln, um sie zu unterstützen. Alle bitte ich, dem pastoralen Weg dieser Kirche Aufmerksamkeit zu widmen, die eine Ortskirche ist, die aber auch universal ist aufgrund desjenigen, der sie leitet. Gemeinsam voranzugehen ist immer eine Gewähr für die Treue zum Evangelium, gemeinsam und harmonisch, in dem Bemühen, die Kirche durch das eigene Charisma zu bereichern, aber immer darauf bedacht, ein einziger Leib zu sein, dessen Haupt Christus ist.

Den zweiten Aspekt, den ich euch mit auf den Weg geben möchte, ist die Vorbildlichkeit. Bei den Priesterweihen am vergangenen 31. Mai habe ich in der Predigt darauf hingewiesen, wie wichtig die »Transparenz des Lebens« ist, und mich dabei auf die Worte des heiligen Paulus an die Ältesten der Gemeinde von Ephesus bezogen: »Ihr wisst, wie ich mich die ganze Zeit euch gegenüber verhalten habe [nach der ital. Übersetzung ]« (Apg 20,18). Ich bitte euch mit dem Herzen eines Vaters und Hirten: Bemühen wir uns nach Kräften, glaubwürdige und vorbildliche Pries-ter zu sein! Wir sind uns der Grenzen unseres Naturells bewusst und der Herr kennt unser tiefstes Inneres, aber wir haben eine außergewöhnliche Gnade empfangen, ein kostbarer Schatz ist uns anvertraut worden, dessen Spender, Diener wird sind. Und vom Diener wird Treue verlangt. Niemand von uns ist ausgenommen von den Einflüssen der Welt, und die Stadt mit ihren tausenden Angeboten könnte uns auch von dem Wunsch nach einem heiligen Leben abbringen, indem sie dazu führt, den Maßstab zu senken, wobei die hohen Werte des Priesterseins verloren gehen. Lasst euch neu anziehen von der Berufung durch den Meister, um die Liebe der ersten Stunde zu spüren und zu leben, jene Liebe, die euch zu einschneidenden Entscheidungen und mutigem Verzicht veran-lasst hat. Wenn wir uns gemeinsam bemühen, in einem einfachen Leben vorbildlich zu sein, dann können wir der erneuernden Kraft des Evangeliums für jeden Mann und für jede Frau Ausdruck verleihen.

Ein letzter Aspekt, den ich euch mitgeben möchte, ist der prophetische Blick auf die Herausforderungen unserer Zeit. Wir sind besorgt und betrübt angesichts all dessen, was Tag für Tag in der Welt geschieht: Todbringende Gewalt verletzt uns. Ungleichheiten, Armut, die vielen Formen sozialer Ausgrenzung, das um sich greifende Leid, das die Züge einer niemanden mehr verschonenden Belastung annimmt, appellieren an unser Gewissen. Und diese Wirklichkeit existiert nicht nur woanders, in weiter Ferne, sondern sie betrifft auch unsere Stadt Rom, die gezeichnet ist von vielen Formen der Armut und gravierender Not, wie zum Beispiel der Wohnungsnot. Eine Stadt, in der, wie Papst Franziskus gesagt hat, der »großen Schönheit« und der faszinierenden Kunst »ein würdevoller Zustand und die normale Funktionalität an den Orten und in den Situationen des gewöhnlichen, täglichen Lebens entsprechen [muss]. Denn eine Stadt, die für ihre Einwohner lebenswerter ist, ist auch einladender für alle« (Predigt in der Vesper mit Te Deum, 31. Dezember 2023).

Zeit voller
Herausforderungen

Der Herr hat gerade uns gewollt in dieser Zeit voller Herausforderungen, die zuweilen größer zu sein scheinen als unsere Kräfte. Wir sind aufgerufen, uns diesen Herausforderungen zu stellen, sie im Geist des Evangeliums zu deuten und sie zu leben als Anlass, Zeugnis zu geben. Fliehen wir nicht vor ihnen! Der pastorale Einsatz und der Einsatz im Studium mögen für alle eine Schule sein, um zu lernen, Gottes Reich im Heute einer komplexen und inspirierenden historischen Situation aufzubauen. In jüngerer Zeit hat es Beispiele heiliger Priester gegeben, die die Leidenschaft für die Geschichte mit der Verkündigung des Evangeliums zu verbinden wussten, darunter Don Primo Mazzolari und Don Lorenzo Milani, Propheten des Friedens und der Gerechtigkeit. Und hier in Rom hatten wir Don Luigi Di Liegro, der angesichts von so viel Armut sein Leben hingegeben hat, um Wege der Gerechtigkeit und menschlicher Entwicklung zu suchen. Schöpfen wir aus der Kraft dieser Vorbilder, um weiterhin Samen der Heiligkeit in unserer Stadt zu säen.

Meine Lieben, ich versichere euch meiner Nähe, meiner Zuneigung und meiner Bereitschaft, gemeinsam mit euch auf dem Weg zu sein. Vertrauen wir dem Herrn unser priesterliches Leben an und bitten wir ihn, in der Einheit, der Vorbildlichkeit und im prophetischen Engagement zu wachsen, um unserer Zeit zu dienen. Möge uns die eindringliche Aufforderung des heiligen Augustinus begleiten, der gesagt hat: »Liebt diese Kirche, bleibt in dieser Kirche, seid selbst diese Kirche. Liebt den guten Hirten, den wunderschönen Bräutigam, der niemanden täuscht und nicht will, dass jemand verloren geht. Betet auch für die versprengten Schafe, auf dass auch sie kommen, dass auch sie erkennen, dass auch sie lieben mögen, damit nur eine Herde und ein Hirte sei« (Sermo 138,10). Danke!

(Orig. ital. in O.R. 12.6.2025)