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Generalaudienz auf dem Petersplatz am 11. Juni

Die schmerzlichsten Erfahrungen im Leben dem Herzen Jesu darbringen

 Die schmerzlichsten Erfahrungen im Leben dem Herzen Jesu darbringen  TED-024
20. Juni 2025

Liebe Brüder und Schwestern!

Mit dieser Katechese möchte ich unseren Blick auf einen weiteren wesentlichen Aspekt des Lebens Jesu lenken: auf seine Heilungen. Daher lade ich euch ein, dem Herzen Christi eure schmerzlichsten oder schwächsten Stellen darzubringen, jene Orte eures Lebens, wo ihr euch bewegungslos und blockiert fühlt. Bitten wir den Herrn mit Vertrauen, unseren Ruf zu hören und uns zu heilen!

Die Gestalt, die uns bei dieser Betrachtung begleitet, hilft uns zu verstehen, dass man die Hoffnung nie aufgeben darf, auch wenn wir uns verloren fühlen. Es handelt sich um Bartimäus, einen blinden Bettler, dem Jesus in Jericho begegnet (vgl. Mk 10,40-52). Der Ort ist bedeutsam: Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem, aber er beginnt seine Reise sozusagen in der »Unterwelt« von Jericho, der Stadt, die unter dem Meeresspiegel liegt. Denn mit seinem Tod ist Jesus hingegangen, um jenen Adam zurückzuholen, der tief gefallen ist und der für einen jeden von uns steht.

Ausweglose Situationen

Bartimäus bedeutet »Sohn des Timäus«: Es beschreibt jenen Mann durch eine Beziehung, und dennoch ist er dramatisch allein. Dieser Name könnte jedoch auch bedeuten: »Sohn der Ehre« oder »der Bewunderung«, das genaue Gegenteil der Situation, in der er sich befindet.1 Und da der Name in der jüdischen Kultur so wichtig ist, heißt es, dass Bartimäus nicht das leben kann, wozu er berufen ist.

Im Unterschied zur großen Bewegung der Menschenmenge, die Jesus hinterhergeht, bewegt Bartimäus sich nicht. Der Evangelist sagt, dass er am Weg sitzt, also jemanden braucht, der ihn wieder auf die Füße stellt und ihm hilft, den Weg wieder aufzunehmen.

Was können wir tun, wenn wir uns in einer Situation befinden, die ausweglos erscheint? Bartimäus lehrt uns, auf die Ressourcen zurückzugreifen, die wir in uns tragen und die Teil von uns sind. Er ist ein Bettler, er versteht es zu bitten, ja er kann sogar rufen! Wenn du etwas wirklich möchtest, dann tust du alles, um es erlangen zu können, auch wenn die anderen dich zurechtweisen, dich demütigen und dir sagen, es sein zu lassen. Wenn du es wirklich möchtest, dann hörst du nicht auf zu rufen!

Der Ruf des Bartimäus, der vom Evangelium nach Markus wiedergegeben wird – »Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!« (V. 47) – ist in der östlichen Überlieferung zu einem sehr bekannten Gebet geworden, das auch wir benutzen können: »Herr Jesus Chris-tus, Sohn Gottes, hab Erbarmen mit mir Sünder.«

Bartimäus ist blind, aber paradoxerweise sieht er besser als die anderen und erkennt, wer Jesus ist! Angesichts seines Rufens bleibt Jesus stehen und lässt ihn herbeirufen (vgl. V. 49), denn es gibt keinen Schrei, den Gott nicht hört, auch wenn wir uns nicht bewusst sind, uns an ihn zu wenden (vgl. Ex 2,23). Es scheint seltsam, dass Jesus angesichts eines blinden Mannes nicht sofort zu ihm geht; aber wenn wir darüber nachdenken, reaktiviert er so das Leben des Bartimäus: Er spornt ihn an aufzustehen, er vertraut auf seine Fähigkeit zu gehen. Jener Mann kann sich wieder aufrichten, er kann aus seinem Tod auferstehen. Aber um das zu tun, muss er eine sehr bedeutsame Geste vollziehen: Er muss seinen Mantel wegwerfen (vgl. V. 50)!

Schritte zur Heilung

Für einen Bettler ist der Mantel alles: Er ist die Sicherheit, er ist das Haus, er bietet Schutz. Sogar das Gesetz schützte den Mantel des Bettlers und erlegte auf, ihn am Abend zurückzugeben, wenn er als Pfand genommen worden sein sollte (vgl. Ex 22,25). Was uns blockiert, sind jedoch oft unsere scheinbaren Sicherheiten, das, was wir angelegt haben, um uns zu schützen, und was uns dagegen am Gehen hindert. Um zu Jesus zu gehen und sich heilen zu lassen, muss Bartimäus sich in seiner ganzen Verletzlichkeit zeigen. Das ist der grundlegende Schritt für jeden Heilungsweg.

Auch die Frage, die Jesus ihm stellt, erscheint seltsam: »Was willst du, dass ich dir tue?« (V. 51). In Wirklichkeit ist es jedoch nicht selbstverständlich, dass wir von unseren Krankheiten geheilt werden wollen; manchmal wollen wir uns lieber nicht bewegen, um keine Verantwortung zu übernehmen. Bartimäus’ Antwort ist tiefgründig: Er benutzt das Verb »anablepein«, was bedeutet: »wieder sehen können«, was wir jedoch auch mit »den Blick erheben« übersetzen könnten. Denn Bartimäus will nicht nur wieder sehen können, er will auch seine Würde zurückerlangen! Um nach oben zu sehen, muss man das Haupt erheben. Manchmal sind Menschen blockiert, weil das Leben sie gedemütigt hat, und sie möchten nur den eigenen Wert zurückerlangen.

Was Bartimäus, und einen jeden von uns, rettet, ist der Glaube. Jesus heilt uns, damit wir frei werden können. Er lädt Bartimäus nicht ein, ihm nachzufolgen, sondern er fordert ihn auf zu gehen, sich wieder auf den Weg zu machen (vgl. V. 52). Markus schließt den Bericht jedoch damit ab, dass er sagt, dass Bartimäus Jesus nachfolgt: Er hat sich frei entschieden, ihm nachzufolgen, der der Weg ist!

Liebe Brüder und Schwestern, bringen wir Jesus vertrauensvoll unsere Krankheiten und auch jene unserer Angehörigen dar, bringen wir den Schmerz jener dar, die sich verloren und ausweglos fühlen. Rufen wir auch für sie, und seien wir gewiss, dass der Herr uns hören und stehenbleiben wird.

Fußnote

1 Das ist auch Augustinus’ Auslegung in De consensu Evangelistarum, 2,65,125; PL 34,1138.

(Orig. ital. in O.R. 11.6.2025)