Audienz für die Moderatoren der Vereinigungen von Gläubigen, der kirchlichen Bewegungen und der neuen geistlichen Gemeinschaften

Charismen im Dienst der Gemeinschaft

 Charismen im Dienst der Gemeinschaft  TED-024
20. Juni 2025

Im Namen des Vaters und des Sohnes

und des Heiligen Geistes.

Der Friede sei mit euch!

Herr Kardinal,

liebe Brüder im Bischofsamt,

liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich, euch anlässlich des vom Dikasterium für die Laien, die Familie und das Leben veranstalteten Jahrestreffens mit euch, den Moderatoren, internationalen Verantwortlichen und Delegaten der vom Heiligen Stuhl anerkannten oder errichteten kirchlichen Zusammenschlüsse zu empfangen.

Ihr vertretet Tausende von Menschen, die ihre Glaubenserfahrung und ihr Apostolat innerhalb von Vereinigungen, Bewegungen und Gemeinschaften leben. Daher möchte ich euch zunächst für den Führungs- und Leitungsdienst danken, den ihr ausübt. Die Geschwister auf dem Glaubensweg zu unterstützen und zu ermutigen, bedeutet Verantwortung, Einsatz, oft auch Schwierigkeiten und Unverständnis, aber es ist eine unverzichtbare Aufgabe von großem Wert. Die Kirche ist euch dankbar für all das Gute, das ihr tut.

Das Geschenk des Lebens
in den Vereinigungen

Die Zusammenschlüsse, denen ihr angehört, sind sehr unterschiedlich, ihrem Wesen und ihrer Geschichte nach, und alle sind wichtig für die Kirche. Einige sind entstanden, um gemeinsam ein apostolisches, karitatives oder liturgisches Ziel zu verfolgen oder um in bestimmten sozialen Umfeldern das christliche Zeugnis aufrechtzuerhalten. Andere dagegen haben ihren Ursprung in einer charismatischen Inspiration, einem anfänglichen Charisma, das eine Bewegung, eine neue Form der Spiritualität oder der Evangelisierung ins Leben gerufen hat.

In dem Willen, eine Vereinigung zu bilden, der die erste Form von Zusammenschlüssen hervorgerufen hat, finden wir ein wesentliches Merkmal: Niemand ist als Christ allein! Wir sind Teil eines Volkes, eines Leibes, den der Herr errichtet hat. Der heilige Augustinus sagt über die ersten Jünger Christi: »Gewiss waren sie zum Tempel Got-tes geworden, und zwar nicht nur als einzelne, sondern alle zusammen waren sie zum Tempel Gottes geworden« (En. In Ps. 131,5). Das christliche Leben wird nicht in der Isolierung gelebt, so als wäre es ein intellektuelles oder sentimentales Abenteuer, das auf unseren Verstand oder unser Herz beschränkt ist. Es wird mit den anderen, in einer Gruppe, in einer Gemeinschaft gelebt, denn der auferstandene Christus ist gegenwärtig unter den Jüngern, die in seinem Namen versammelt sind.

Das in Gemeinschaft vollzogene Apostolat der Gläubigen ist vom Zweiten Vatikanischen Konzil nachdrücklich ermutigt worden, insbesondere durch das Dekret über das Laien-apostolat, wo es unter anderem heißt, es »ist auch deshalb von großer Bedeutung, weil das Apostolat sowohl in den Gemeinschaften der Kirche als auch in den verschiedenen Lebensbereichen oft ein gemeinsames Vorgehen verlangt. Die für gemeinsame apostolische Betätigung errichteten Vereinigungen geben nämlich ihren Mitgliedern Halt, bilden sie für das Apostolat aus, ordnen und leiten ihre apostolische Tätigkeit, so dass man viel reichere Frucht erwarten kann, als wenn jeder einzeln für sich handelt« (Nr. 18).

Außerdem gibt es die aus einem Charisma hervorgegangenen Wirklichkeiten: aus dem Charisma eines Gründers oder einer Gruppe von Initiatoren oder aus einem Charisma, das an dem eines Ordensinstitutes inspiriert ist. Ich möchte euch einladen, die Charismen in Bezug auf die Gnade, auf das Geschenk des Heiligen Geistes zu betrachten. In dem Schreiben Iuvenescit ecclesia, das ihr gut kennt, heißt es, dass die kirchliche Hierarchie und das Weihesakrament existieren, damit unter den Gläubigen »das objektive Angebot der Gnade«, das geschenkt wird durch die »Sakramente, die bevollmächtigte Verkündigung des Wortes Gottes und die pastorale Sorge« unter den Gläubigen stets lebendig bleibt (Nr. 14). Die Charismen dagegen »werden frei vom Heiligen Geist verliehen, damit die sakramentale Gnade im christlichen Leben in unterschiedlicher Weise und auf allen Ebenen Frucht trage« (Nr. 15).

Alles in der Kirche ist also in Bezug auf die Gnade zu verstehen: Die Institution gibt es, damit die Gnade stets angeboten wird, die Charismen werden erweckt, damit diese Gnade angenommen werden und Frucht tragen kann. Ohne die Charismen besteht die Gefahr, dass die Gnade Christi, die überreich angeboten wird, nicht den guten Boden findet, um sie anzunehmen! Darum erweckt Gott die Charismen, damit diese in den Herzen den Wunsch nach der Begegnung mit Christus wecken, das Verlangen nach dem göttlichen Leben, das er anbietet, mit einem Wort: die Gnade!

Damit möchte ich auf der Spur meiner Vorgänger und mit dem Lehramt der Kirche, vor allem seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, bekräftigen, dass die Gabe der Hierarchie und die charismatischen Gaben gleich »wesentlich für die von Jesus gestiftete göttliche Konstitution Kirche« sind (Hl. Johannes Paul II., Botschaft an den Weltkongress der kirchlichen Bewegungen, 27. Mai 1998, in O.R. dt., Nr. 24, 12.6.1998, S. 7). Dank der Charismen, die am Anfang eurer Bewegungen und Gemeinschaften standen, sind so viele Menschen Christus nähergekommen, haben die Hoffnung am Leben wiedergefunden, haben die Mütterlichkeit der Kirche entdeckt und wollen Hilfe beim Wachstum im Glauben, im Gemeinschaftsleben, in den Werken der Nächstenliebe, und sie wollen durch die Evangelisierung anderen das Geschenk weitergeben, das sie selbst empfangen haben.

Einheit und Sendung,
vereint mit dem Papst

Einheit und Sendung sind zwei Angelpunkte des Lebens der Kirche und zwei Prioritäten im Petrusamt. Daher lade ich alle kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen ein, vor allem in diesen beiden Bereichen treu und großherzig mit dem Papst zusammenzuarbeiten.

Vor allem darin, Sauerteig der Einheit zu sein. Ihr alle macht beständig die Erfahrung der geistlichen Gemeinschaft, die euch verbindet. Es ist die Gemeinschaft, die der Heilige Geist in der Kirche schafft. Es ist eine Einheit, die ihr Fundament in Christus hat: Er zieht uns an, er zieht uns zu sich, und so vereint er uns auch unter uns. Der heilige Paulinus von Nola schrieb an den heiligen Augustinus: »Wir haben ein Haupt, eine ist die Gnade, die uns erfüllt, wir leben von dem einen Brot, wir gehen auf dem einen Weg, wir wohnen im selben Haus. […] Wir sind eins, sowohl im Geist als auch im Leib des Herrn, um nicht nichts zu sein, wenn wir uns von jenem Einen trennen« (Brief 30,2).

Verbreitet überall diese Einheit, die ihr in den Gruppen und in den Gemeinschaften lebt: in der Gemeinschaft mit den Hirten der Kirche, in den Nähe zu den anderen kirchlichen Wirklichkeiten, indem ihr euch zu Nächsten der Menschen macht, denen ihr begegnet, auf dass eure Charismen stets im Dienst der Einheit der Kirche stehen und selbst »Sauerteig sein« mögen, der »Einheit, Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit fördert« (Predigt, 18. Mai 2025), in der Welt, die so sehr von Zwietracht und Gewalt zerrissen ist.

Zweitens die Sendung. Die Sendung, die Mission, hat meine pastorale Erfahrung geprägt und mein geistliches Leben geformt. Auch ihr habt diesen Weg erfahren. Aus der Begegnung mit dem Herrn, aus dem neuen Leben, das euer Herz erfüllt hat, ist der Wunsch entstanden, es andere kennenlernen zu lassen. Und ihr habt viele Menschen einbezogen, viel Zeit, Begeisterung, Energie darauf verwendet, das Evangelium an den ferns-ten Orten, in den schwierigsten Umfeldern bekannt zu machen, und habt dabei Schwierigkeiten und Misserfolge ertragen. Haltet diesen missionarischen Elan unter euch stets aufrecht: Die Bewegungen haben auch heute eine grundlegende Rolle bei der Evangelisierung. Unter euch gibt es großherzige, gut ausgebildete Menschen mit Erfahrung »auf dem Feld«. Es handelt sich um einen Schatz, den man Früchte tragen lassen muss, indem man der heutigen Wirklichkeit mit ihren neuen Herausforderungen stets Gehör schenkt. Stellte eure Begabungen in den Dienst der Sendung, sowohl an den Orten der Erstevangelisierung als auch in den Pfarrgemeinden und in den örtlichen kirchlichen Strukturen, um viele zu erreichen, die fern sind und, manchmal ohne es zu wissen, auf das Wort des Lebens warten.

Schluss

Meine Lieben, ich bin glücklich, euch heute zum ersten Mal zu begegnen. So Gott will, werden wir weitere Gelegenheiten haben, um uns besser kennenzulernen, aber in der Zwischenzeit ermutige ich euch, den Weg fortzusetzen. Behaltet den Herrn Jesus stets im Mittelpunkt! Das ist wesentlich, und dazu dienen die Charismen. Das Charisma steht im Dienst der Begegnung mit Christus, des Wachstums und der menschlichen und geistlichen Reife der Menschen, des Aufbaus der Kirche. In diesem Sinne sind wir alle berufen, Christus nachzuahmen, der sich entäußert hat, um uns reich zu machen (vgl. Phil 2,7). So ist jeder, der mit anderen ein apostolisches Ziel verfolgt, und jeder, der Träger eines Charismas ist, berufen, die anderen reich zu machen, indem er sich entäußert. Und das ist Quelle der Freiheit und großer Freude.

Danke für das, was ihr seid, und auch für das, was ihr tut! Ich vertraue euch dem Schutz Mariens, Mutter der Kirche, an und segne von Herzen euch und alle, die ihr vertretet. Danke!

(Orig. ital. in O.R. 6.6.2025)