Leitartikel des Direktors unserer Zeitung

Die extrovertierte, schwache und stille Kraft des Christen

 Die extrovertierte, schwache und stille Kraft des Christen  TED-022
06. Juni 2025

Von Andrea Monda

Die Freude an Gott ist der Antrieb des Handelns des Christen, seiner missionarischen Umkehr. In seiner Predigt vor den Weiheamtskandidaten sprach Papst Leo in seiner dichten und an bedeutsamen Bildern und Ideen reichen Ansprache von einer »Freude, die nicht laut ist«: »Gott ist nicht müde geworden seine Kinder in ihrer Verschiedenheit zu versammeln und aus ihnen eine dynamische Einheit zu bilden«, sagte er und präzisierte: »Das ist kein ungestümes Vorgehen, sondern es handelt sich um jenes sanfte, leise Säuseln, das dem Propheten Elija in der Stunde der Mutlosigkeit neue Hoffnung schenkte (vgl. 1 Kön 19,12). Die Freude Gottes ist nicht laut, aber sie verändert wirklich die Geschichte und bringt uns einander näher.«

Das Bild der Theophanie auf dem Berg Horeb hatte Papst Leo bereits am Tag nach seiner Wahl zitiert, als er vor den Kardinälen sagte: »An uns ist es, folgsam auf seine Stimme zu hören und zu treuen Dienern seiner Heilspläne zu werden, eingedenk dessen, dass Gott sich lieber durch ein ›sanftes, leises Säuseln‹ (1 Kön 19,12) oder, wie manche übersetzen, durch eine ›sanfte Stimme der Stille‹ mitteilt, als durch Donnergrollen und Erdbeben. Dies ist die wichtige Begegnung, die wir nicht verpassen dürfen und zu der wir das ganze heilige Volk Gottes, das uns anvertraut ist, hinführen und begleiten sollen.«

Diesen Gedanken griff der Heilige Vater dann am 12. Mai in seiner ersten Audienz für Journalisten wieder auf: »Wir brauchen keine laute, muskulöse Kommunikation, sondern vielmehr eine Kommunikation, die zuhören kann, die die Stimme der Schwachen, die keine Stimme haben, aufzugreifen vermag. Entschärfen wir die Worte, und wir werden dazu beitragen, die Erde zu entwaffnen. Eine entschärfte und entwaffnende Kommunikation ermöglicht uns einen gemeinsamen anderen Blick auf die Welt und ein Handeln, das unserer Menschenwürde entspricht.«

Papst Leo wählt den stillen, diskreten Weg, den paradoxen Weg der Schwäche. Dieser Weg verwirklicht sich für die Kirche nicht nur im Akt des Kommunizierens, sondern in der einfachen Tatsache des Existierens, denn die Kirche existiert insofern, als sie kommuniziert, beides fällt zusammen. Und dies ist die starke Verbindung mit der Erde, wodurch die Kirche, von Gott gewollt, eine Brücke zwischen Erde und Himmel ist, denn wie er in seiner ersten Begrüßung gleich nach seiner Wahl zum Papst ausrief: »Lasst uns daher ohne Angst, Hand in Hand mit Gott und miteinander, weitergehen! Wir sind Jünger Christi. Christus geht uns voran. Die Welt braucht sein Licht. Die Menschheit braucht ihn als Brücke, um von Gott und seiner Liebe erreicht zu werden.«

Auf dieses Thema der Verbundenheit mit der Erde kam der Papst heute in seiner Predigt vor den Priesteramtskandidaten zurück: »Gott zu gehören als Diener Gottes, Volk Gottes, das erdet uns: es verbindet uns nicht mit einer idealen, sondern mit der realen Welt. Wie Jesus sind es Menschen aus Fleisch und Blut, die der Vater auf euren Weg stellt.« Die Priesterweihe, so betonte der Papst, solle nicht als Privileg, sondern als Geschenk für die anderen gelebt werden, und zwar auf eine »extrovertierte« Weise, um das Risiko zu vermeiden, vor dem Papst Franziskus die Kirche so oft gewarnt hat, nämlich jene Selbstbezogenheit, die »das Feuer des missionarischen Geistes auslöscht. Die Kirche ist von ihrem Wesen her extrovertiert, wie das Leben, das Leiden, der Tod und die Auferstehung Jesu extrovertiert sind.«

Priester, die schwach sind, aber stark in ihrer »Extrovertiertheit«, darin, offen zu sein, einladend, ein Geschenk für den Nächsten. Das ist die Stärke, die »Macht« des Christen, dem Jesus »die Macht gegeben hat, Kinder Gottes zu werden. Sucht, suchen wir keine andere Macht!« Das ist das Paradox der Kirche und ihrer Amtsträger, die niemals Herren, sondern Hüter der Sendung sind, die immer diejenige Jesu ist: »Er ist der Auferstandene, also ist er lebendig und geht uns voraus. Niemand von uns ist berufen, ihn zu ersetzen. Am Tag der Himmelfahrt erzieht er uns zu seiner unsichtbaren Gegenwart. Er vertraut uns, lässt uns Raum.« Gott besetzt nicht gerne Räume, sondern »zieht sich zurück«, um die Welt und ihre Geschöpfe hervorzubringen. Zu dieser Übung der Demut ist auch der Christ aufgerufen, der Platz für andere machen muss, »allen Geschöpfen, denen der Auferstandene nahe ist und in denen er uns gerne besucht und zum Staunen bringt. Das Volk Gottes ist zahlreicher, als wir es sehen. Legen wir keine Grenzen fest.«

Das ist die schwache Macht der Kirche, die nicht nach der Logik der weltlichen Mächte denkt. Der Papst zitiert den heiligen Paulus: »›Also kennen wir von jetzt an niemanden mehr dem Fleische nach‹ (2 Kor 5,16), nach rein menschlicher Weise: Was in unseren Augen zerbrochen und verloren wirkt, erscheint uns nun im Zeichen der Versöhnung.«

Diese entleerte, nackte, verwundete Macht ist eine große Kraft, die größte aller Kräfte, weil sie in der Zugehörigkeit zu Gott wurzelt: »›Denn die Liebe Christi hat von uns Besitz ergriffen‹, liebe Brüder und Schwestern! Es ist ein Besitz, der befreit und uns befähigt, niemanden zu besitzen. Befreien, nicht besitzen. Wir gehören Gott: Es gibt keinen größeren Reichtum, der geschätzt und geteilt werden sollte. Es ist der einzige Reichtum, der sich vervielfacht, wenn man ihn teilt.« Und so ist es auch: Wir sind wirklich Herr über etwas, wenn wir die Kraft haben, es zu verlieren und es in den Dienst der anderen zu stellen, es zu teilen, das heißt, es zu vermehren. Eine Kraft, die nicht laut ist, aber unbesiegbar.

(Orig. ital. in O.R. 31.5.2025)