· Vatikanstadt ·

Leitartikel des Direktors unserer Zeitung

Ohne Angst auf dem Weg durch die Herausforderungen der Geschichte

16. Mai 2025

Von Andrea Monda

Leo, der Name lässt aufhorchen und sicherlich gehen die Gedanken zu Leo XIII. aus der Familie Pecci, der diesen Namen am 20. Februar 1878 gewählt hat. Dreizehn Jahre später promulgierte er die Enzyklika Rerum novarum, Kennzeichen seines Pontifikats. Der Papst der »neuen Dinge«. Die Kirche hatte ihr weltliches Herrschaftsgebiet verloren und war nun nicht mehr einer von vielen Staaten in der Welt, sondern konnte sich von dieser Last befreit der Welt zuwenden, indem sie immer mehr Sauerteig und Salz der Erde wurde. Ohne »Rüstung«, entwaffnet, musste und konnte die Kirche als Weggefährtin der einfachen Leute vorangehen und Herz und Geist der häufig verirrten, verletzten, erschöpften Männer und Frauen neuen Mut einflößen.

Zu diesen »neuen Dingen«, die Leo XIII. erlebte, gehörte zum Beispiel die Welt der Kommunikation, denn er ließ sich 1898 filmen in einer Sequenz dieser gerade eben erst entstandenen »siebten Kunst«, der Kinematographie. In seinem Pontifikat wollte die Kirche vor allem mit dem Herzen einer Mutter auf die Welt blicken und die gravierendsten gesellschaftlichen Probleme in Angriff nehmen, Kernfragen unter anderem im Bereich der Wirtschaft und der Situation der Arbeiter. Die Enzyklika wurde sofort zu einem Meilenstein der kirchlichen Soziallehre und trug dazu bei, die Lebensbedingungen von Millionen Männern und Frauen zu verbessern und menschlicher zu machen.

In gewisser Weise wiederholt sich diese Situation. Auch heute scheint die Welt voller »neuer Dinge« zu sein. Wir erleben einen »Epochenwandel«, wie Papst Franziskus immer wieder gesagt hat, und die alten Interpretationsmuster reichen nicht mehr aus. Einige Probleme sind gleichgeblieben, für die harten Bedingungen, über die Leo XIII. sprach, hat man noch keine endgültige Lösung gefunden, und in der Wirtschaft mit ihrem immer noch unmenschlichen Gesicht wird weiterhin »ausgesondert« und ausgegrenzt. Und nun ruft die Kirche einen Mann aus der »Neuen Welt«, um diese alten und neuen Herausforderungen in Angriff zu nehmen, »ohne Angst« und »ohne Furcht«, wie Papst Leo XIV. in seinen ersten Worten gesagt hat. Diese ermutigenden Worte oder ähnliche wie »Fürchte dich nicht« sind die am häufigsten wiederholte Botschaft der Bibel. Bereits in diesen beiden ersten Tagen wollte der Papst die Botschaft bekräftigen, die seine Vorgänger auf dem Stuhl Petri in den letzten zwei Jahrtausenden mit Jesus wiederholt haben: ein Wort der Ermutigung, des Vertrauens, der Hoffnung.

In der Sixtinischen Kapelle, wo ihn die Mehrheit seiner 132 aus 71 Nationen stammenden Mitbrüder im Kardinalsamt gewählt hat, sprach er in der Predigt am folgenden Tag über die Dringlichkeit der Mission, »denn der Mangel an Glauben hat oft dramatische Begleit-erscheinungen: dass etwa der Sinn des Lebens verlorengeht, die Barmherzigkeit in Vergessenheit gerät, die Würde des Menschen in den dramatischsten Formen verletzt wird, die Krise der Familie und viele andere Wunden, unter denen unsere Gesellschaft nicht unerheblich leidet«.

Von der Segensloggia des Petersdoms aus hatte der neugewählte Papst außerdem darauf hingewiesen, dass es die Aufgabe der Kirche und der Christen ist, »Brücken zu bauen, durch den Dialog, durch die Begegnung, damit wir alle vereint ein einziges Volk sind, das dauerhaft in Frieden lebt«. Und während er zu der ganzen Welt sprach, wollte er einen besonderen Gruß auf Spanisch an seine »liebe Diözese Chiclayo in Peru« richten, »wo ein gläubiges Volk seinen Bischof begleitet […] hat«. Diese Einheit von Universalität und Partikularität, von Ewigem und Kontingentem gehört zum Wesen der Kirche, einer menschlichen und göttlichen Institution. Denn diese Welt, die der Christ in der Nachfolge Christi nicht richten, sondern lieben soll (vgl. Joh 3,17), ist mit Gott durch die größte »Brücke« vereint, durch Jesus Christus selbst. »Lasst uns daher ohne Angst, Hand in Hand mit Gott und miteinander, weitergehen! Wir sind Jünger Christi. Christus geht uns voran. Die Welt braucht sein Licht. Die Menschheit braucht ihn als Brücke, um von Gott und seiner Liebe erreicht zu werden«, mahnte der Papst. Diese verbundenen Hände, das ist die Kirche, wo die Hände der Menschen sich mit der Hand Gottes vereinen, der die ganze Menschheit erhält.

Uns Christen ist jetzt aufgetragen, Leo XIV. zu folgen, der berufen wurde, Bischof von Rom und universaler Hirte zu sein. Ihm zu folgen bis dahin, zu verschwinden, sich klein zu machen, »damit Christus bleibt«, wie er in der Predigt der heiligen Messe mit den Kardinälen gesagt hat. Verschwinden wie das Salz, das sich auflösen muss, um den Speisen Geschmack zu verleihen; wie der Samen, der sterben muss, um Frucht zu bringen. Dem Hirten folgen, wie es die Herde tut. Ohne Angst.

(Orig. ital. in O.R. 9.5.2025)