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Leitartikel des Chefredakteurs der vatikanischen Medien

Die Vaterschaft des Petrus

 Die Vaterschaft des Petrus  TED-018
09. Mai 2025

In den Worten Pauls VI. ein entscheidender Aspekt des Dienstes des Bischofs von Rom: »Ich fühle mich als Vater der gesamten Menschheitsfamilie.«

Von Andrea Tornielli

In den spannungsreichen Stunden vor dem Beginn des Konklave zur Wahl des neuen Nachfolgers des Apostels Petrus lohnt es sich, an einen grundlegenden Aspekt des Dienstes des Bischofs von Rom zu erinnern, der vom Volk Gottes besonders wahrgenommen wird: die Vaterschaft. Millionen von Menschen fühlten sich im Augenblick der überraschenden Nachricht des Todes von Franziskus wie Waisen ohne Vater.

Paul VI. reflektierte über die Erfahrung der Vaterschaft im Gespräch mit seinem Freund, dem Philosophen Jean Guitton, bei der Rückkehr von seiner Indienreise im Dezember 1964. Der Papst war bei seiner Ankunft auf den Straßen von mehr als einer Million
Menschen aller Religionen begrüßt worden. Eine unvergessliche Umarmung. Die Menge drängte auf die Straße, belagerte den Lincoln mit dem Schiebedach, den Paul VI. später als Geschenk an Mutter Teresa von Kalkutta hinterlassen sollte. Zwei Stunden lang, ohne Unterbrechung, grüßte und segnete Papst Montini.

Als er sich an diese Begegnung mit der Menge erinnerte, vertraute der Papst Guitton an: »Ich glaube, von allen Aufgaben eines Papstes ist jene am beneidenswertesten, Vater zu sein. Früher kam es vor, dass ich Papst Pius XII. bei den großen Zeremonien begleitete. Er tauchte in die Menge ein wie in den Teich von Bethesda. Man bedrängt, man presste ihn. Er strahlte, er lebte auf. Aber es ist ein großer Unterschied, einen Vater mitzuerleben oder selbst Vater zu sein. Das Bewusstsein, Vater zu sein, erfüllt Herz und Geist und verlässt mich zu keiner Stunde des Tages. Es nimmt nicht ab, sondern vertieft sich noch, weil die Zahl der Kinder wächst.«

Das sei so, so fügte Paul VI. hinzu, »weil es sich nicht nur um ein Amt handelt, sondern um eine Vaterschaft. Man hört niemals auf, Vater zu sein … Ich fühle mich als Vater der gesamten Menschheitsfamilie … Dieses Wissen des Papstes ist immer wieder neu, jung, taufrisch, frei und erfinderisch. Dieses Bewusstsein ist keine Belastung, es ermüdet einen nie, im Gegenteil! Ich bin auch nie nur einen Augenblick lang zu müde gewesen, die Hand zum Segen zu erheben. Nein, ich werde niemals aufhören, zu segnen oder zu verzeihen. Als ich auf dem Flugplatz von Bombay gelandet war, mussten wir bis zu dem Ort, wo der Kongress stattfand, zwanzig Kilometer zurücklegen. Eine ungeheure, unzählbare Menge säumte dicht gedrängt, schweigend und unbeweglich die Straße – fromme und arme Menschen, hungrig, unterdrückt, halbnackt, aber genau beobachtend, wie man sie nur in Indien sieht. Ich musst sie pausenlos segnen. Ein befreundeter Priester an meiner Seite hat, glaube ich, gegen Ende meinen Arm gestützt, wie der Knecht den des Moses. Dennoch fühlte ich mich nicht überlegen, sondern als Bruder: niedriger als alle, weil mit der Verantwortung für alle beladen.«

Der Nachfolger Petri ist ein Bruder, »niedriger als alle«, weil mit der Verantwortung für alle beladen. Wenige Monate vor dieser Erfahrung in Indien hatte Paul VI. bereits erlebt, was es bedeutet, von der Umarmung des Volkes buchstäblich »verschlungen« zu werden. Es war im Januar 1964, während seiner ersten Apostolischen Reise ins Heilige Land. Eine Reise, die von Papst Montini sehnlichst gewünscht wurde. In Jerusalem, in der Nähe des Damaskustors, war die Menschenmenge so groß, dass der Empfang nicht wie geplant stattfinden konnte. Das Auto des Papstes schwankte wie ein Boot, und er hatte es unter dem Schutz der Soldaten von König Hussein gerade noch durch das Damaskustor geschafft, ohne dass sein Gefolge ihn begleiten konnte.

Paul VI. ging die gesamte Via Dolorosa inmitten der Menschenmassen, die sich in den alten Gassen der
Heiligen Stadt drängten. Manchmal schien er von der Menge verschluckt zu werden. Sein Gesicht blieb stets gelassen und lächelnd, während er seine Hände zum Segen erhob.

Pater Giulio Bevilacqua, ein persönlicher Freund des Papstes, erzählte an diesem Abend einer Gruppe von Journalisten, die sich vor der Apostolischen Delegation in Jerusalem versammelt hatten, dass Giovanni Battista Montini ihm viele Jahre zuvor anvertraut hatte: »Ich träume von einem Papst, der frei vom Pomp des Hofes und von den Zwängen des Protokolls lebt. Endlich nur inmitten seiner Diakone.« Deshalb, so hatte Bevil-acqua gefolgert, »bin ich überzeugt, dass er heute, obwohl er von der Menge überwältigt wurde, glücklicher ist, als wenn er auf dem Petersplatz auf der Sedia gestatoria herunter getragen wird…«