
Von Andrea Tornielli
Die unerwartete Teilnahme von Papst Franziskus an den letzten Minuten der liturgischen Feier des Jubiläums der Kranken und der im Gesundheitswesen Tätigen beinhaltet eine sehr bedeutungsvolle Botschaft. Auch im Zeitalter der virtuellen Realität, in einer Zeit, in der wir glauben, dass wir von einem Computerbildschirm aus an allem teilnehmen können, ist es sehr wichtig, physisch anwesend zu sein. Persönlich anwesend zu sein, sich die Mühe zu machen, zu reisen, hinauszugehen, zu warten; sich die Mühe zu machen, zu Fuß zu gehen, anderen nahe zu kommen, zu schwitzen, sich der Sonne oder den Elementen auszusetzen, hat einen Sinn, um den Blicken der Menschen um uns herum persönlich zu begegnen, die Gesellschaft der anderen zu erleben, Teil eines Pilgervolkes zu sein. Mit seiner unangekündigten Geste lehrt uns der Nachfolger Petri, dass die physische Präsenz, das Dabeisein, durch nichts zu ersetzen ist. Das Erscheinen des Papstes auf dem Petersplatz ist daher an sich schon eine Botschaft, die bedeutsamer ist als alle Worte: Trotz seiner noch schwachen Stimme, trotz seiner Sauerstoffkanülen, wollte er da sein.
Es gibt noch eine zweite Bedeutung: Franziskus wählte für seinen ersten Ausflug nach dem Ende seines Krankenhausaufenthalts in der Gemelli-Klinik eine Heilig-Jahr-Feier, die ihm besonders am Herzen liegt: das Jubiläum der Kranken, Leidenden und derer, die sich um die Leidenden kümmern. Nachdem das Schlimmste überstanden ist, ist der Papst auf dem Weg der Genesung, auch wenn er immer noch Zeichen der Krankheit zeigt. Gebrechlich unter den Gebrechlichen, hat er nicht darauf verzichtet, »sein« Jubiläum zu begehen, in der Basilika zu beichten und durch die Heilige Pforte zu gehen, wie es Tausende jeden Tag tun. Diese Pforte, die er als Papst in der Weihnachtsnacht aufgestoßen hatte, passierte er gestern als einfacher Pilger, der noch an den Folgen einer Lungenentzündung leidet.
Schließlich spricht der überraschende Auftritt am Sonntagmorgen zu uns über die Beziehung des Pfarrers zu seiner Herde, des Bischofs zu seinem Volk. Trotz seiner Rekonvaleszenz, trotz der Warnungen der Ärzte, hat Franziskus nicht auf die Begegnung mit dem Volk verzichtet, obwohl er sich der Risiken für seine Gesundheit bewusst ist, die dies mit sich bringen kann. Damit sagt er uns, dass die Begegnung in der Gegenwart unersetzlich ist, auch wenn die Umstände manchmal eine virtuelle Annäherung aufgrund eines Krankenhausaufenthalts, eines Lockdowns wegen einer Pandemie oder der Unfähigkeit zu reisen aufzwingen mögen. Denn, wie er vor etwas mehr als einem Jahr sagte, »Liebe braucht Konkretheit, Liebe braucht Präsenz, Liebe braucht Begegnung, Liebe braucht Zeit und Raum, die geschenkt werden: Sie lässt sich nicht auf schöne Worte, Bilder auf einem Bildschirm reduzieren...« Und das gilt auch für die Liebe des Papstes zum Volk Gottes, zu dem er immer auch mit Gesten und Zärtlichkeit »gesprochen« hat.