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Interview mit dem ukrainischen Weihbischof Oleksandr Jaslowetzkyj

Sehnsucht nach einem gerechten Frieden

 Sehnsucht nach einem gerechten Frieden  TED-008
28. Februar 2025

Kurz vor dem dritten Jahrestag des Krieges in der Ukraine gab Bischof Oleksandr Jaslowetzkyj, Weihbischof in der Diözese
Kyiv-Schytomyr, ein Interview, in dem er über das Gottvertrauen der Gläubigen in dieser Zeit des Krieges voller Leid, aber auch voller Solidarität berichtet.

Von Svitlana Dukhovych

Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf den dritten Jahrestag der Großoffensive?

Zunächst einmal mit einem Gefühl großer Dankbarkeit gegenüber Gott dafür, dass wir trotz der drei Jahre andauernden Invasion durch das größte Land der Welt – denn Russland nimmt etwa 11 Prozent des Territoriums der Erde ein – als Nation noch existieren. Unsere Sprache und Kultur existieren. Wir empfinden diese Dankbarkeit, weil wir sehen, dass Gott uns hilft, wir sehen, dass das Gebet Früchte trägt. Viele Christen beten für uns. Der Heilige Vater betet für uns, und wir sehen, dass Gott diese Gebete erhört und uns zu Hilfe kommt.

Die Gläubigen haben diese drei Jahre im Vertrauen auf den Herrn gelebt, der der König des Friedens ist. Dies zeigt sich auch an den Themen, denen unsere lateinischen Bischöfe jedes Kriegsjahr gewidmet haben. Das erste Jahr der groß angelegten Invasion der Ukraine durch Russland wurde zum Jahr des Heiligen Kreuzes erklärt; die Bischöfe wussten noch nicht, dass der Krieg beginnen würde. Das zweite Jahr war der göttlichen Barmherzigkeit gewidmet: Wir baten Gott so sehr, uns zu Hilfe zu kommen und diesen Krieg zu beenden. Das letzte Jahr, 2024, war dem heiligen Erzengel Michael gewidmet. Diese Dankbarkeit gegenüber Gott wird auch von einem Gefühl großer Ungerechtigkeit und manchmal, um die Wahrheit zu sagen, von Verzweiflung begleitet, weil Dutzende von Drohnen, manchmal ballistische Raketen, fast jede Nacht unsere Städte angreifen. Gestern Abend (18. Februar, Anm. d. Red.) hörten wir zum Beispiel hier in Kyiv das Geräusch von Drohnen, die ganz in der Nähe des Zentrums vorbeiflogen. Nach unseren Berichten wurde das Land von 176 russischen Drohnen angegriffen. Die Menschen sind müde, weil sie jede Nacht die Geräusche dieser Drohnen und Explosionen hören, wenn die Flugabwehr sie abschießt.

Viele haben Angst, viele Familien haben Kinder; sie wecken sie auf, sie versuchen, sie zu verstecken, zumindest in den am besten geschützten Räumen ihrer Wohnungen, oft in den Badezimmern. Jeder Krieg ist ein großer Schmerz. Die Ukraine ist kein Aggressor. Sie war ein Land, das sich friedlich entwickelt hat und zur Familie der europäischen Nationen gehören wollte, weil es die europäischen Werte teilte. Vor einigen Tagen sprach unser Präsident Zelensky von 46.000 in diesem Krieg getöteten ukrainischen Soldaten, mehr als 300.000 verwundeten Soldaten und Zehntausenden von Menschen, die vermisst oder von Russland gefangen gehalten werden. Auch unter der Zivilbevölkerung gibt es fast 10.000 Tote und 18.000 Verwundete. Die Zahl der getöteten Zivilisten in den besetzten Gebieten, zum Beispiel in Mariupol, können wir gar nicht zählen. Russland hat 19.500 Kinder verschleppt und deportiert. Seit Beginn des Krieges sind 600 ukrainische Kinder getötet und 1.600 mehr oder weniger schwer verletzt worden. All diese Statistiken lassen einen manchmal verzweifeln, aber dann wenden wir uns, wie es Gläubige tun, wieder dem Herrn zu und versuchen, weiterzumachen.

Welche Initiativen organisieren Sie auf der Ebene der Diözese und der Caritas-Spes, deren Präsident Sie sind, um diesen Tag zu begehen?

Zunächst möchte ich den Aufruf erwähnen, den unsere Bischöfe für die Gläubigen zum dritten Jahrestag des Krieges am 24. Februar vorbereiten. Wie andere Bischöfe habe auch ich ihn bereits gelesen, um Korrekturen oder Ergänzungen vorzuschlagen. In diesem Aufruf erinnern die Bischöfe daran, dass Papst Franziskus das Heilige Jahr dem Thema Hoffnung gewidmet hat, sie betonen, dass unsere Hoffnung immer auf den Herrn gerichtet ist, der uns nicht enttäuscht, und sie bringen ihre Dankbarkeit gegenüber dem ukrainischen Militär zum Ausdruck, das das Land schützt. Es gibt Worte der Solidarität für die Familien der Militärs, für die Helfer, die Ärzte, die Verwundeten, die Ukrainer, die gezwungen sind, im Ausland zu leben. Dann erinnern die Bischöfe dankbar an die diplomatischen Bemühungen des Heiligen Stuhls und von Papst Franziskus, der nicht müde wird, die Welt zum Gebet für die Ukraine aufzufordern. Die Bischöfe bitten darum, dass dieser Tag, der 24. Februar, ein Tag des intensiven Gebets und des Fastens sein möge. Die Kranken wurden aufgerufen, ihre Leiden mit dem Leiden Christi zu vereinen und sie für die Ukraine aufzuopfern. All dies für die Bekehrung der Sünder und den lang ersehnten gerechten Frieden.

Was die Caritas betrifft, so ist der 24. Februar für uns ein Arbeitstag. Da wir jedoch eine religiöse Organisation sind, haben unsere Mitarbeiter am Abend zusammen mit der Caritas der griechisch-katholischen Kirche ein gemeinsames Gebet für den Frieden in unserem Land organisiert. Das Gebet wird in der römisch-katholischen Kirche St. Nikolaus stattfinden, die für uns hier in Kyiv ein symbolischer Ort ist, weil sie auch ein Zeuge des Krieges ist: Zu Beginn des Konflikts wurde sie zu einem Lager für humanitäre Güter, die aus verschiedenen Teilen der Welt in der Ukraine ankamen. Die Lastwagen mit den Hilfsgütern wurden vor der Kirche entladen und dann in die zerstörten Städte gebracht. Am 20. Dezember 2024 fielen ballistische Raketen und explodierten nur wenige Meter von dieser Kirche entfernt, die dabei beschädigt wurde: Die historischen Glasfenster wurden zerstört. Deshalb versuchen wir, in dieser Kirche ein gemeinsames Gebet für den Frieden zu sprechen. Nach dem gemeinsamen Gebet wollen wir ein Online-Treffen organisieren, bei dem die Verantwortlichen von Caritas Internationalis und Caritas Europa Worte der Unterstützung an uns richten und wir von unserer Seite aus Dankbarkeit für diese Hilfe zum Ausdruck bringen können, die von der gesamten Caritas weltweit kommt.

Was sind derzeit die größten humanitären Herausforderungen in der Ukraine? Und wie versucht Caritas-Spes den Menschen zu helfen, diese zu bewältigen?

Wenn ein Krieg oder eine andere Katastrophe ausbricht, ist jede Hilfe, die wir uns vorstellen können, hilfreich. Mit der Unterstützung unserer internationalen Partner versuchen wir, viele Projekte in verschiedenen Bereichen durchzuführen. Zurzeit haben wir 54 über das ganze Land verteilte Hilfszentren, in denen wir versuchen, Lebensmittel, Grundnahrungsmittel und Hygieneartikel zu verteilen; wir versuchen, psychologische Unterstützung zu leisten, wir helfen mit Gutscheinen für Lebensmittel oder Medikamente. Wir bemühen uns vor allem, Ferien für Kinder sowohl hier in der Ukraine als auch im Ausland zu organisieren. In erster Linie beziehen wir die Kinder von Militärfamilien ein. Wir versuchen, die zerstörten Häuser und Wohnungen in der Nähe der Kampfgebiete wieder instand zu setzen, weil dort so viele Familien leben; einige Familien, die zuvor geflohen waren, kehren sogar zurück. Wir führen dieselben Projekte durch, die wir schon vor dem Krieg begonnen haben: Unterstützung für Kinder mit Behinderungen, die während des Krieges ein wenig im Stich gelassen wurden, Unterstützung für ältere Menschen, die in große Schwierigkeiten geraten sind.

Kommt die Hilfe weiterhin an oder hat die Unterstützung durch Ihre internationalen Partner nachgelassen?

Zurzeit arbeiten wir mit mehr als hundert internationalen Partnern zusammen, und seit Beginn des Krieges haben wir rund 45 Millionen Euro für all diese Projekte erhalten. Zum Glück kommt die Hilfe immer weiter an. Die internationalen Organisationen und vor allem die Caritas in den europäischen Ländern und anderswo lassen uns seit Beginn des Krieges nicht allein. Ihre Hilfe ist für uns ein Ausdruck der Solidarität der gesamten katholischen Kirche, die nicht nur für uns betet, sondern auch unserem Volk nahe ist, das durch den Krieg in eine sehr schwierige Lage geraten ist. Im Vergleich zum Beginn des Krieges nimmt diese Hilfe jedoch allmählich ab. Im Jahr 2025 wollen wir Projekte im Wert von rund 6 Millionen Euro durchführen. In den Vorjahren sahen die Zahlen wie folgt aus: 2022 fast 8 Millionen, 2023 fast 15 Millionen, 2024 fast 17 Millionen. Aber wir sind immer dankbar für die Hilfe, die kommt.

Welche Botschaft möchten Sie im Zusammenhang mit diesem traurigen Jahrestag an die Katholiken in aller Welt richten?

Wenn wir uns an Katholiken, also Gläubige, wenden, möchte ich betonen, dass wir uns bewusst sein müssen, dass dies nicht einfach nur ein Krieg ist: Es ist ein weiterer Versuch des Teufels, den Dritten Weltkrieg zu beginnen. Krieg bringt immer Tod, Schmerz, Leid, Hass, Ungerechtigkeit und viele Sünden mit sich. Der Teufel hofft auf eine »reiche Ernte«. Nur Menschen des Gebets und des Friedens können diesen Krieg stoppen. Deshalb ist mein Appell, gerade jetzt, wo so viel über den Frieden geredet wird und die ersten Schritte zu seiner Verwirklichung unternommen wurden, das Gebet zu intensivieren, denn es geht nicht nur um den Frieden in der Ukraine, sondern in allen Ländern Europas und der Welt.

(Ital. in O.R. 22.2.2025)