Interview von Papst Franziskus in der italienischen Fernsehsendung »Che tempo che fa«

Gott will alle seine Kinder bei sich haben

 Gott will alle seine Kinder bei sich haben  TED-003
24. Januar 2025

Vatikanstadt/Rom. Papst Franziskus war am Sonntag, 19. Januar, erneut zu Gast in der bekannten italienischen Fernsehsendung »Che tempo che fa«. Der Heilige Vater hatte in der gleichen Sendung bereits im Jahr 2022 ein Interview gegeben, ein zweites folgte 2024. An diesem Sonntagabend war der Papst erneut mit einem etwa einstündigen Interview zu verschiedenen Themen-bereichen vertreten. Es bot sich auch die Gelegenheit, seine neue Autobiographie mit dem Titel »Spera« (»Hoffe«) vorzustellen.

Schwester Raffaella Petrini
wird Präsidentin des
vatikanischen Governatorats

Nachdem er die Zuschauer mit Blick auf seinen am vergangenen Donnerstag geprellten Arm beruhigt hat (»Es geht besser«), kündigt Franziskus fast beiläufig an, dass ab kommendem März nach dem Rücktritt des derzeitigen Präsidenten, Kardinal Fernando Vergéz Alzaga, Schwester Raffaella Petrini Präsidentin des Governatorats des Staates der Vatikanstadt wird. Damit kommt eine weitere Frau an die Spitze einer wichtigen Vatikan-einrichtung, nach der jüngsten Ernennung von Schwester Simona Brambilla zur Präfektin des Dikasteriums für die Institute geweihte Lebens.

»Die Arbeit der Frauen in den Kurieneinrichtungen ist etwas, das sich langsam entwickelt hat und gut verstanden worden ist. Jetzt haben wir viele von ihnen«, kommentiert Franziskus in der Interviewsendung. Und bei der Aufzählung der Aufgaben, die im Vatikan weiblichen Persönlichkeiten anvertraut wurden, fügt er hinzu: »Im Governatorat ist die Vize, die im März Präsidentin wird, eine Ordensfrau...« »Die Frauen wissen besser zu verwalten als wir«, schließt er.

Pläne in den USA
zur Massenabschiebung von Einwanderern

Franziskus antwortet in der Sendung auch auf eine Frage des Moderators Fabio Fazio zu den Vereinigten Staaten, was einen möglichen Plan zur Massenabschiebung von Einwanderern nach der Vereidigung von Präsident Donald Trump betrifft. Würde sich diese Planung als konkret herausstellen, wäre dies eine »Tragödie«, kommentiert Franziskus, weil »die armen Teufel, die nichts haben, die Rechnung für das Ungleichgewicht bezahlen müssen«.

Die Aufnahme
von Migranten und die
sinkende Geburtenrate

Zum Thema Migration wiederholt Papst Franziskus die »vier Verben«, um dem Phä-nomen würdig zu begegnen: »Der Migrant muss aufgenommen, begleitet, gefördert und integriert werden«, so der Heilige Vater. Und er kehrt zu dem ihm am Herzen liegenden Thema der sinkenden Geburtenraten zurück, wobei er auf Italien blickt, wo »das Durchschnittsalter 46 Jahre« beträgt. Wenn es »keine Kinder« gibt, sollte man Migranten aufnehmen, schlägt er vor.

Die Zwei-Staaten-Lösung
und die Bedeutung
des Friedens

In dem Interview wird auch der Krieg im Nahen Osten angesprochen, mit dem Beginn des Waffenstillstands in Gaza und der Freilassung von drei weiblichen Geiseln der Hamas. Wie schon beim Angelus am Sonntagmittag dankt der Papst den Vermittlern: »Sie sind gut«, lobt er, dann geht er auf die vom Vatikan schon lange bevorzugte Möglichkeit der Zwei-Staaten-Lösung ein: »Ich glaube, das ist die einzige Lösung. Die einen sind bereit, die anderen nicht«, kommentiert er. »Der Friede«, fügt er hinzu, »ist dem Krieg überlegen«, allerdings erfordere es »Mut«, ihn zu schließen, denn »oft verliert man etwas, aber man gewinnt mehr«. Der Krieg hingegen »ist immer eine Niederlage«, betont der Papst zum wiederholten Mal, bekräftigt den Wert von Verhandlungen und prangert die »großen« Einnahmen der Waffenfabrikanten an, die »zur Zerstörung« führen.

Vergesst die
Häftlinge nicht

Der Papst spricht dann von der Hoffnung, die im Mittelpunkt des Heiligen Jahres steht: Sie sei »der Anker am Ufer«, an dem man sich festhalten kann, betont er, wobei er ein in seiner Predigt bei der Öffnung der Heiligen Pforte im Gefängnis von Rebibbia verwendetes Bild aufgreift. Eine noch nie dagewesene Geste, die dem Papst ein Anliegen war, »weil ich die Gefangenen immer im Herzen trage«. »Vergesst die Häftlinge nicht«, lautet sein Appell, »so viele, die draußen sind, sind schuldiger als sie«.

Scham und Trauer
über den Holocaust

Wenige Tage vor dem Holocaust-Gedenktag am 27. Januar sagt der Papst, er empfinde »ein Gefühl des Mitgefühls und der Scham« für die Tragödie, über die er sich 2016 bei einem Besuch in Auschwitz persönlich informieren konnte, mit Geschichten und Filmen; und schließlich auch mit dem Zeugnis der »großen Dame« Edith Bruck, einer 92-jährigen ungarischen Dichterin, die die Shoah überlebt hat, mittlerweile in Rom lebt und der Papst Franziskus einige Male auch in ihrer Wohnung begegnet ist.

Missbrauch,
Jugend, Sünde

In dem Interview wurde aber auch anderen Themen Raum gegeben: dem Miss-brauch, »ein sehr großes Übel«, gegen das wir »so sehr kämpfen« müssen; den Notlagen der Jugendlichen, die wir »begleiten« müssen; der Nähe zu »jedem, jedem«, und ohne »alles auf die Sünden des Fleisches zu schieben«. »Es widert mich an, wenn manche in der Beichte immer danach suchen«, sagt der Papst, der wiederholt: »Es gibt keine Sünde, die nicht vergeben werden könnte; es gibt sie nicht. Denn Gott will alle bei sich haben, als Kinder, als Geschwister unter uns.«

Das »erste Stolpern«
in der Sixtinischen Kapelle

Schließlich erzählt Papst Franziskus noch kuriose Anekdoten wie das »erste Stolpern« auf einer Stufe in der Sixtinischen Kapelle, unmittelbar nach der Wahl, um einen Kardinal im Rollstuhl zu begrüßen: »Der ›unfehlbare‹ Papst begann mit einem Missgeschick: Er stolperte!«. Abschließend eine Bitte für das Heilige Jahr: »Lasst diese Gelegenheit nicht verstreichen. Vorwärts und Mut. Und verliert nicht euren Sinn für Humor«.

(Vatican News – sc/cs)