· Vatikanstadt ·

Audienz für die Vatikanischen Pönitentiare

Den Gnadenschatz austeilen an einem besonderen Ort

 Den Gnadenschatz austeilen an einem besonderen Ort  TED-045
08. November 2024

Liebe Brüder und Schwestern,

Eminenz, guten Tag!

Ich begrüße Pater Vincenzo Cosatti und euch alle. Ich freue mich, aus Anlass des 250. Jahrestages der Übertragung des Beichtdienstes im Petersdom an die Franziskaner-Minoriten durch Papst Klemens XIV. mit euch zusammenzutreffen (vgl. Klemens XIV., Motu proprio Miserator Dominus, 10. August 1774). Klemens XIV. hat dies getan, vielleicht eine der wenigen guten Dinge, die er getan hat. Aber, der Arme, das andere hat er getan, weil ihm dies euer Bruder eingeredet hat, Bontempi, der, wie ich glaube, noch in der Hölle ist [die Anwesenden lachen], aber ich bin mir nicht sicher. Als Klemens XIV. starb, hat Bontempi in der Spanischen Botschaft Zuflucht gesucht, weil er Angst hatte. Einige Monate später, als es wieder friedlich war, ist er zum Ordensgeneral gegangen und hat ihm gesagt: »Vater General, ich bringe drei Bullen mit. [Als Gegenleis-tung bitte ich um Folgendes:] Erstens, dass ich über Geld verfügen darf.« Als Franziskaner! »Zweitens, dass ich außerhalb der Gemeinschaft leben darf. Und drittens, dass ich reisen darf, wohin ich will.« Und der General, ein weiser Minorit, nahm die Bullen und sagte: »Aber, mein Lieber, da fehlt eine.« – »Welche, Vater?« – »Die Bulle, die dein Seelenheil sichert!« Das ist historisch, denn er hatte den Ganganelli-Papst mit all diesen Dingen getäuscht. Bontempi war gerissen!

Jeden Tag wird die Petersbasilika von über 40.000 Menschen besucht, jeden Tag! Viele kommen von weither und nehmen Reisen, Kosten und lange Warteschlangen auf sich, um dorthin zu gelangen. Andere kommen als Touristen, die Mehrheit. Aber viele von ihnen kommen, um am Grab des Apostelfürs-ten zu beten, um ihren Glauben und ihre Gemeinschaft mit der Kirche zu stärken, dem Herrn ihre Anliegen anzuvertrauen oder um ein Gelübde zu erfüllen, dass sie abgelegt haben. Andere, auch Menschen mit anderen Glaubensüberzeugungen kommen »als Touristen«, angezogen von der Schönheit, der Geschichte, der Faszination der Kunst. Aber sie alle sind bewusst oder unbewusst innerlich auf einer einzigen großen Suche: auf der Suche nach Gott, der ewigen Schönheit und Güte, nach dem sich das Herz jedes Mannes und jeder Frau, die in dieser Welt leben, sehnt. Die Sehnsucht nach Gott.

Und eure Anwesenheit in diesem Kontext ist wichtig für Gläubige und Pilger, denn sie ermöglicht es ihnen, dem barmherzigen Herrn im Sakrament der Versöhnung zu begegnen. Meine Lieben, man muss alles, alles, alles vergeben. Tut dies immer: Alles vergeben! Wir sind da, um zu vergeben; ein anderer wird da sein, um zu streiten! Und für alle anderen, denn es ist für sie ein Zeugnis, dass die Kirche sie annimmt vor allem als Gemeinschaft der Geretteten, denen Vergebung zuteilwurde und die glauben, hoffen und lieben im Licht und mit der Kraft der Güte Gottes. Wir wollen kurz innehalten, um über euren Dienst nachzudenken, und dabei drei besondere Aspekte unterstreichen: Demut, Zuhören und Barmherzigkeit.

Demut

Erstens: Demut. Der Apostel Petrus lehrt sie uns als ein Jünger, dem vergeben wurde und der schließlich im Martyrium sein Blut vergießt, aber nur nachdem er demütig über seine Sünden geweint hat (vgl. Lk 22,56-62). Er erinnert uns daran, dass jeder Apostel – und jeder Beichtvater – den Gnadenschatz, den er austeilt, in einem zerbrechlichen Gefäß trägt, damit »deutlich wird, dass das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt« (2 Kor 4,7). Deshalb, liebe Brüder, wollen wir – um gute Beichtväter zu sein – »zunächst für uns selbst bußfertig Vergebung suchen« (Bulle Misericordiae vultus, 17) und unter den eindrucksvollen Gewölben der Vatikanbasilika den Wohlgeruch eines demütigen Gebets verbreiten, das um Erbarmen bittet und fleht.

Zuhören

Zweitens: Zuhören. Allen und besonders den jungen Menschen und den Kleinen zuhören. Das ist das Zeugnis von Petrus als Hirte, der mitten unter seiner Herde geht und durch die Stimme der Brüder im Hören auf den Heiligen Geist wächst (vgl. Apg 10,34-48). Zuhören bedeutet in der Tat, nicht nur zu hören, was die Menschen sagen, sondern es bedeutet vor allem, ihre Worte als Gabe Gottes für die eigene Bekehrung anzunehmen, und zwar fügsam wie der Ton in den Händen des Töpfers (vgl. Jes 64,7). Diesbezüglich wird es gut für uns sein, nicht zu vergessen: »Wenn wir dem Bruder oder der Schwester im sakramentalen Gespräch wirklich zuhören, hören wir Jesus selbst, arm und demütig« und »werden Hörer des Wortes« (Ansprache an die Teilnehmer eines von der der Apostolischen Pönitentiarie veranstalteten Kurses über das Forum Internum, 9. März 2018). Und nur so können wir hoffen, ihnen den größten Dienst zu erweisen: sie »in Kontakt mit Jesus« (ebd.) zu bringen. Zuhören, nicht so sehr fragen; nicht Psychiater sein wollen, bitte: zuhören, immer zuhören, mit Demut. Und wenn du siehst, dass da ein Pönitent ist, der anfängt, ein wenig Schwierigkeiten zu haben, weil er sich schämt, dann sage: »Ich habe verstanden.« Ich habe nichts verstanden, aber ich habe verstanden. Gott hat verstanden und das ist wichtig. Das hat mich ein großer Kardinalpönitentiar gelehrt: »Ich habe verstanden«, der Herr hat verstanden. Aber bitte nicht den Psychiater spielen. Je weniger du sagst, desto besser: hören, trös-ten und vergeben. Du bist dort, um zu vergeben!

Barmherzigkeit

Schließlich, drittens: die Barmherzigkeit. Als Spender von Gottes Vergebung ist es wichtig, »Männer der Barmherzigkeit« zu sein, freundliche, großherzige Männer, bereit zu verstehen und zu trösten mit Worten und mit der ganzen Haltung. Auch hierin ist uns Petrus ein Vorbild mit seinen von Vergebung geprägten Reden (vgl. Apg 3,12-20). Der Beichtvater – ein zerbrechliches Gefäß, wie wir gesagt haben – hat ein einziges Heilmittel, das er über die Wunden der Brüder und Schwestern gießen muss: die Barmherzigkeit Gottes. Diese drei Aspekte Gottes: Nähe, Barmherzigkeit und Mitleid. Der Beichtvater muss nahe, barmherzig und mitleidsvoll sein. Wenn ein Beichtvater anfängt nachzufragen… Nein, du spielst Psychiater. Hör bitte auf.

Das hat der heilige Leopold Mandić gelehrt, der gerne wiederholte: »Warum sollten wir die Seelen, die sich uns zu Füßen werfen, unnötig demütigen? Sind sie nicht bereits genug gedemütigt? Hat etwa Jesus den Zöllner gedemütigt, die Ehebrecherin, Maria Magdalena?« Und er pflegte hinzuzufügen: »Wenn mir der Herr zu große Großzügigkeit vorwerfen sollte, könnte ich ihm entgegnen: ›Paron benedeto, dieses schlechte Beispiel habt Ihr selbst mir gegeben, der Ihr aus göttlicher Nächstenliebe am Kreuz für die Errettung der Seelen gestorben seid‹« (vgl. Lorenzo da Fara, Leopoldo Mandic, L’umanità, la santità, Velar, 1989). Der Herr möge uns die Gnade schenken, dieselben Worte sagen zu können!

Ein paar Mal habe ich die Geschichte dieses Kapuziners erzählt, der Beichtvater in Buenos Aires ist – ich weiß nicht, ob ich sie euch schon erzählt habe –, ich habe ihn zum Kardinal erhoben, nicht dieses Mal, das letzte Mal. Er ist 96 Jahre alt und hört immer noch Beichte. Ich bin immer zu ihm gegangen, er verzeiht alles! Einmal kam er zu mir, um mir zu sagen, dass er Angst habe, zu viel zu vergeben. »Und was machst du?«, fragte ich ihn. »Ich gehe vor den Herrn: Herr, vergibst du mir? Verzeih mir, ich habe zu viel vergeben! Aber pass auf, du warst es, der mir das schlechte Beispiel gegeben hat!« Immer vergeben, alles und ohne viel zu fragen. Und wenn ich nicht verstehe? Gott versteht es, du machst weiter! Man soll die Barmherzigkeit spüren.

Liebe Brüder, ich danke euch für euren Dienst, für eure Ausdauer und Geduld, für eure Treue! Mein Beichtvater ist vor ein paar Monaten gestorben, so komme ich zu euch zur Beichte, nach St. Peter. Ihr macht das gut! Danke, dass ihr im Herzen der Kirche Diener der sakramentalen Gegenwart Gottes seid, der die Liebe ist. Setzt euren Dienst in dieser Weise fort: in der Demut – ich bin schlimmer als du –, im Zuhören, nicht so sehr im Fragen, und in der Barmherzigkeit.

Ich lege euch ans Herz, nicht zu vergessen, für mich zu beten. Und mir jedes Mal zu vergeben, wenn ich zu euch komme, das versteht sich von selbst.

(Orig. ital. in O.R. 24.10.2024)