An Sonntag, 27. Oktober, ist die 16. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode zu Ende gegangen. Seit dem 2. Oktober 2024 hatten sich mehr als 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter dem Leitwort »Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung« im Vatikan versammelt. Das Schlussdokument, über das am Samstag, 26. Oktober, abgestimmt wurde, hat Papst Franziskus unmittelbar in Kraft gesetzt. Zum Abschluss der Bischofssynode rief er die Gläubigen dazu auf, sich aktiv und mutig für die Zukunft der Kirche zum Wohl aller Menschen einzusetzen. Bei der heiligen Messe am 27. Oktober sagte er im Petersdom:
Das Evangelium stellt uns Bartimäus vor, einen Blinden, der gezwungen ist, am Straßenrand zu betteln, einen Verstoßenen ohne Hoffnung, der jedoch, als er Jesus vorüberziehen hört, beginnt, laut nach ihm zu rufen. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als seinen Schmerz herauszuschreien und Jesus seinen Wunsch vorzutragen, wieder sehen zu können. Und während alle ihn tadeln, weil sie sich an seiner Stimme stören, bleibt Jesus stehen. Denn Gott hört immer den Schrei der Armen, und kein Schmerzensschrei bleibt vor ihm ungehört.
Heute, zum Abschluss der Generalversammlung der Bischofssynode wollen wir, mit großer Dankbarkeit im Herzen für das, was wir erleben durften, darüber nachdenken, was mit diesem Mann geschieht: Am Anfang »saß am Weg ein blinder Bettler« (Mk 10,46), während er am Ende, nachdem er von Jesus gerufen wurde und sein Augenlicht wiedererlangt hatte, »ihm auf seinem Weg nachfolgte« (vgl. V. 52).
Das erste, was uns das Evangelium über Bartimäus sagt, ist dies: Er sitzt da und bettelt. Seine Haltung ist typisch für einen Menschen, der in seinem Schmerz gefangen ist und am Straßenrand sitzt, als gäbe es nichts anderes zu tun, als etwas von den vielen Pilgern, die zum Paschafest durch die Stadt Jericho ziehen, zu bekommen. Aber wie wir wissen, kann man nicht sitzen bleiben, wenn man wirklich leben will: Leben bedeutet immer, sich bewegen, aufbrechen, träumen, planen, sich öffnen für die Zukunft. Der blinde Bartimäus steht also auch für jene innere Blindheit, die uns blockiert, die uns sitzen bleiben lässt,
die uns an den Rändern des Lebens unbeweglich macht, ohne dass es noch Hoffnung gibt.
Und das kann uns zum Nachdenken bringen, nicht nur über unser persönliches Leben, sondern auch darüber, wie wir Kirche des Herrn sind. So viele Dinge können uns auf dem Weg blind machen, unfähig, die Gegenwart des Herrn zu erkennen, unvorbereitet, uns den Herausforderungen der Wirklichkeit zu stellen, manchmal nicht in der Lage auf die vielen Fragen zu antworten, denen wir uns gegenübersehen, wie jene, die Bartimäus an Jesus gerichtet hat. Doch angesichts der Fragen der Frauen und Männer von heute, der Herausforderungen unserer Zeit, der Dringlichkeit der Evangelisierung und der vielen Wunden, die die Menschheit plagen, können wir nicht sitzen bleiben, Schwestern und Brüder, wir dürfen nicht einfach sitzen bleiben. Eine sitzende Kirche, die sich fast ohne es zu bemerken aus dem Leben zurückzieht und sich selbst an die Ränder der Wirklichkeit verbannt, ist eine Kirche, die Gefahr läuft, in Blindheit zu verharren und sich in ihrem eigenen Missstand einzurichten. Und wenn wir in unserer Blindheit verharren, werden wir weiterhin unsere pastoralen Dringlichkeiten und die vielen Probleme der Welt, in der wir leben, nicht sehen. Bitten wir den Herrn, dass er uns den Heiligen Geist gebe, damit wir nicht in unserer Blindheit sitzen bleiben, einer Blindheit, die man Weltlichkeit nennen kann, die man Bequemlichkeit nennen kann, die man ein verschlossenes Herz nennen kann. Nicht in unserer Blindheit sitzen bleiben.
Erinnern wir uns stattdessen daran, dass der Herr vorüberzieht, dass der Herr an allen Tagen vorüberzieht, dass der Herr immer vorüberzieht und anhält, um sich um unsere Blindheit zu kümmern. Und was ist mit mir: Merke ich, dass er vorüberzieht? Habe ich die Fähigkeit, die Schritte des Herrn zu hören? Habe ich die Fähigkeit, zu erkennen, wann der Herr vorüberzieht? Und es ist schön, wenn die Synode uns antreibt, eine Kirche nach Art des Bartimäus zu sein: Gemeinschaft der Jünger, die, wenn sie den Herrn vorüberziehen hört, das Prickeln der Erlösung verspürt, sich von der Kraft des Evangeliums aufwecken lässt und beginnt, zu ihm zu rufen. Sie tut dies, indem sie das laute Rufen aller Frauen und aller Männer der Erde aufnimmt: den Ruf derer, die die Freude des Evangeliums entdecken wollen, und den Ruf derer, die sich entfernt haben; den stummen Ruf derer, die gleichgültig sind; den Schrei der Leidenden, der Armen, der Ausgegrenzten, der Kinder, die Arbeitssklaven sind, die in vielen Teilen der Welt als Arbeitskräfte versklavt werden; die gebrochene Stimme, jene gebrochene Stimme derer hören, die nicht einmal mehr die Kraft haben, zu Gott zu rufen, entweder weil sie keine Stimme haben oder weil sie aufgegeben haben. Wir brauchen keine Kirche, die sitzen bleibt und aufgibt, sondern eine Kirche, die das laute Rufen der Welt aufnimmt und – ich will es sagen, und vielleicht werden sich einige empören – eine Kirche, die sich die Hände schmutzig macht, um dem Herrn zu dienen.
Und damit kommen wir zum zweiten Aspekt: Während Bartimäus am Anfang saß, sehen wir, dass er Jesus am Ende auf seinem Weg nachfolgt. Dies ist ein typischer Ausdruck des Evangeliums, der bedeutet: Er wurde sein Jünger, er hat sich in seine Nachfolge begeben. Nachdem er laut zu ihm gerufen hatte, blieb Jesus stehen und ließ ihn holen. Bartimäus sprang vom Sitzen auf und erlangte unmittelbar danach sein Augenlicht wieder. Jetzt kann er den Herrn sehen, er kann Gottes Wirken im eigenen Leben erkennen und sich endlich auf den Weg der Nachfolge machen. Das gilt auch für uns, Schwestern und Brüder: Wenn wir sitzen bleiben und es uns bequem machen, wenn wir selbst als Kirche nicht die Kraft, den Mut und die Kühnheit, die Redefreiheit aufbringen, um aufzustehen und den Weg weiterzugehen, sollten wir uns bitte immer wieder auf den Herrn besinnen und auf das Evangelium besinnen. Auf den Herrn besinnen, auf das Evangelium besinnen. Wenn er vorüberzieht, müssen wir immer wieder neu auf seinen Ruf hören, der uns wieder aufstehen und aus der Blindheit heraustreten lässt. Und dann wieder neu ihm folgen und mit ihm unterwegs sein.
Ich möchte das wiederholen: Von Bartimäus sagt das Evangelium, dass »er ihm auf seinem Weg nachfolgte«. Das ist ein Bild für die synodale Kirche: Der Herr ruft uns, er hilft uns auf, wenn wir sitzen oder gefallen sind, er lässt uns das Augenlicht wiedererlangen, damit wir im Licht des Evangeliums die Sorgen und Leiden der Welt erkennen; und so, vom Herrn wiederaufgerichtet, erleben wir die Freude, ihm auf seinem Weg nachzufolgen. Dem Herrn folgt man auf seinem Weg, man folgt ihm nicht verschlossen in unseren Bequemlichkeiten, man folgt ihm nicht in den Labyrinthen unserer Ideen: man folgt ihm auf seinem Weg. Und denken wir immer daran: Nicht allein oder nach den Kriterien der Welt unterwegs sein, sondern gemeinsam auf seinem Weg, hinter ihm und mit ihm unterwegs sein.
Brüder und Schwestern: nicht eine sitzende Kirche, eine stehende Kirche. Keine stille Kirche, eine Kirche, die den Schrei der Menschen hört. Nicht eine blinde Kirche, sondern eine von Christus erleuchtete Kirche, die den anderen das Licht des Evangeliums bringt. Nicht eine statische Kirche, eine missionarische Kirche, die mit dem Herrn auf den Straßen der Welt unterwegs ist.
Und heute, da wir dem Herrn für den Weg danken, den wir gemeinsam zurückgelegt haben, werden wir die sorgfältig restaurierte Reliquie der alten Kathedra des heiligen Petrus sehen und verehren können. Während wir sie mit gläubigem Staunen betrachten, erinnern wir uns daran, dass dies die Kathedra der Liebe, die Kathedra der Einheit und die Kathedra der Barmherzigkeit ist, gemäß dem Gebot, das Jesus dem Apostel Petrus gab, nicht über andere zu herrschen, sondern ihnen in Liebe zu dienen. Und wenn wir den prächtigen Baldachin von Bernini bewundern, glänzender denn je, entdecken wir wieder, dass er den wahren Brennpunkt der gesamten Basilika umrahmt, nämlich die Herrlichkeit des Heiligen Geis-tes. Dies ist die synodale Kirche: eine Gemeinschaft, in der die Gabe des Geistes an erster Stelle steht, der uns alle zu Brüdern und Schwestern in Christus macht und uns zu ihm erhebt.
Schwestern und Brüder, setzen wir also getrost unseren Weg gemeinsam fort. Auch an uns richtet sich heute das Wort Gottes wie an Bartimäus: »Nur Mut, steh auf, er ruft dich.« Fühle ich mich gerufen? Dies ist die Frage, die wir uns stellen müssen. Fühle ich mich gerufen? Fühle ich mich schwach und kann nicht aufstehen? Bitte ich um Hilfe? Bitte, legen wir den Umhang der Verzagtheit ab und vertrauen wir unsere Blindheit dem Herrn an. Stehen wir auf und tragen wir die Freude des Evangeliums, tragen wir sie durch die Straßen der Welt.