Eröffnung der Arbeiten der zweiten Sitzungsperiode der XVI. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode zum Thema der Synodalität

Vereint im Dienst der Barmherzigkeit Gottes

 Vereint im Dienst der Barmherzigkeit Gottes  TED-042
18. Oktober 2024

Liebe Brüder und Schwestern,

seit die Kirche Gottes im Oktober 2021 »zur Synode zusammengerufen« wurde, haben wir gemeinsam einen Teil des langen Weges zurückgelegt, zu dem Gott, der Vater, sein Volk schon immer beruft, indem er es zu allen Völkern gesandt hat, damit es ihnen die frohe Botschaft, dass Jesus Christus unser Friede ist (Eph 2, 14), verkünde und indem er es in der Mission mit dem Heiligen Geist bestätigt hat.

Diese Versammlung, die, vom Heiligen Geist geleitet, »beugt, was verhärtet ist, wärmt, was erkaltet ist, lenkt, was da irregeht«, wird ihren Beitrag leisten müssen, damit eine synodale missionarische Kirche entsteht, eine Kirche, die es versteht, aus sich herauszugehen an die geografischen und exis-tentiellen Ränder, indem sie dafür Sorge trägt, Verbindungen mit allen in Christus, unserem Bruder und Herrn, herzustellen.

Es gibt einen Text eines geistlichen Autors aus dem 4. Jahrhundert1, der gut zusammenfasst, was geschieht, wenn man dem Heiligen Geist ermöglicht, von der Taufe her zu wirken, die alle in gleicher Würde hervorbringt. Die Erfahrungen, die er beschreibt, lassen uns erkennen, was in diesen drei Jahren geschehen ist und was noch geschehen kann.

Die Gedanken dieses geistlichen Autors helfen uns zu verstehen, dass der Heilige Geist ein sicherer Führer ist und unsere erste Aufgabe darin besteht, zu lernen, seine Stimme zu erkennen, denn er spricht in allen Menschen und in allen Dingen und dieser Synodenprozess hat uns das erfahren lassen.

Der Heilige Geist begleitet uns immer. Er ist Trost in der Traurigkeit und im Weinen, vor allem, wenn wir – gerade wegen der Liebe, die wir für die Menschheit hegen – angesichts der Dinge, die nicht gut laufen, der Ungerechtigkeiten, die vorherrschen, der Hartnäckigkeit, mit der wir uns weigern, auf das Böse mit dem Guten zu antworten, der Mühe, zu vergeben, des fehlenden Mutes, sich um Frieden zu mühen, verzagt sind und das Gefühl haben, dass nichts mehr zu machen ist und wir uns der Verzweiflung überlassen. So wie die Hoffnung die demütigste aber stärkste Tugend ist, so ist die Verzweiflung das stärkste Übel.

Der Heilige Geist trocknet die Tränen und tröstet, weil er Gottes Hoffnung vermittelt. Gott wird nicht müde, weil seine Liebe nicht müde wird.

Der Heilige Geist dringt zu jenem Teil von uns durch, der oft einem Gerichtssaal ähnelt, wo wir anklagen und unsere Urteile, zumeist Verurteilungen, fällen. Eben dieser Autor sagt uns in seiner Predigt, dass der Heilige Geist in denen, die ihn empfangen, ein Feuer entfacht, das »Feuer einer solchen Freude und Liebe, dass sie, wenn es möglich wäre, alle in ihrem Herzen tragen würden, Gute und Böse ohne irgendeinen Unterschied«. Das liegt daran, dass Gott alle annimmt, immer, vergessen wir das nicht: alle, alle, alle und immer, und allen neue Chancen für ihr Leben schenkt, bis zum letzten Augenblick. Aus diesem Grund müssen wir allen und immer vergeben, in dem Bewusstsein, dass die Bereitschaft zu vergeben aus der Erfahrung kommt, dass uns vergeben worden ist. Nur einer vermag nicht zu vergeben: derjenige, dem nicht vergeben wurde.

Gestern, während der Bußvigil, haben wir diese Erfahrung gemacht. Wir haben um Vergebung gebeten, wir haben uns dazu
bekannt, dass wir Sünder sind. Wir haben unseren Stolz abgelegt, wir haben uns von der Vermessenheit gelöst, uns für besser zu halten als die anderen. Sind wir demütiger geworden?

Auch die Demut ist eine Gabe des Heiligen Geistes, um die wir bitten müssen. Die Demut bringt uns, wie die Etymologie des Wortes sagt, zurück zur Erde, zum Humus, und erinnert uns an den Ursprung, wo wir ohne den Atem des Schöpfers leblose Erde geblieben wären. Die Demut erlaubt es uns, die Welt zu betrachten und zu erkennen, dass wir nicht besser als die anderen sind. Wie der heilige Paulus sagt: »Haltet euch nicht selbst für klug!« (Röm 12,16). Und man kann nicht ohne Liebe demütig sein. Christen sollten wie jene Frauen sein, die Dante Alighieri in einem seiner Sonette beschreibt, Frauen, die im Herzen Schmerz über den Verlust des Vaters ihrer Freundin Beatrice empfinden: »Ihr, die ihr ein demütiges Aussehen habt, mit niedergeschlagenen Augen, und Schmerz zeigt« (Vita Nuova XXII, 9). Dies ist die solidarische und mitfühlende Demut derer, die sich als Bruder und Schwester aller fühlen und denselben Schmerz erleiden und in den Wunden und Verletzungen eines jeden die Wunden und Verletzungen unseres Herrn erkennen.

Ich lade euch ein, im Gebet über diesen schönen geistlichen Text zu meditieren und zu erkennen, dass die Kirche – semper reformanda – nicht ohne den Heiligen Geist und seine Überraschungen unterwegs sein und sich erneuern kann; ohne sich von den Händen des Schöpfergottes, des Sohnes, Jesus Christus, und des Heiligen Geistes formen zu lassen, wie uns der heilige Irenäus von Lyon lehrt (Gegen die Häresien, IV,20,1).

Denn seit Gott im Anfang Mann und Frau von der Erde genommen hat; seit Gott Abraham berufen hat, ein Segen für alle Völker der Erde zu sein, und seit er Mose berufen hat, ein aus der Sklaverei befreites Volk durch die Wüste zu führen; seit die Jungfrau Maria das Wort in sich aufgenommen hat, das sie zur leiblichen Mutter des Gottessohnes und zur Mutter eines jeden Jüngers und einer jeden Jüngerin ihres Sohnes gemacht hat; seit der gekreuzigte und auferstandene Herr Jesus Christus zu Pfingsten seinen Heiligen Geist ausgegossen hat – seitdem sind wir als »solche, denen Barmherzigkeit zuteilwurde« auf dem Weg zur vollen und endgültigen Erfüllung der Liebe des Vaters. Vergessen wir dieses Wort nicht: uns wurde Barmherzigkeit zuteil.

Wir kennen die Schönheit und die Mühsal des Weges. Wir gehen ihn gemeinsam als Volk, das auch in dieser Zeit Zeichen und Werkzeug der innigen Vereinigung mit Gott und der Einheit des gesamten Menschengeschlechts ist (LG 1). Wir gehen ihn mit und für jeden Mann und jede Frau guten Willens, in denen allen die Gnade unsichtbar wirkt (GS 22). Wir gehen ihn überzeugt vom relationalen Wesen der Kirche und achten darauf, dass die Beziehungen, die uns geschenkt und die unserer Verantwortung und Kreativität anvertraut sind, stets die Unentgeltlichkeit der Barmherzigkeit sichtbar machen. Ein selbsternannter Christ, der sich nicht der Selbstlosigkeit und Barmherzigkeit Gottes überlässt, ist einfach ein als Christ verkleideter Atheist. Gottes Barmherzigkeit macht uns verlässlich und verantwortlich.

Schwestern, Brüder, wir gehen diesen Weg in dem Bewusstsein, dass wir dazu berufen sind, das Licht unserer Sonne, die Christus ist, wie ein blasser Mond widerzuspiegeln, der zuverlässig und freudig die Aufgabe übernimmt, für die Welt ein Sakrament jenes Lichts zu sein, das nicht von uns selbst ausgeht.

Die XVI. Ordentliche Versammlung der Bischofssynode, die jetzt in ihre zweite Sitzungsperiode eingetreten ist, stellt dieses »gemeinsame Unterwegssein« des Volkes Gottes auf ursprüngliche Weise dar.

Die Inspiration, die Papst Paul VI. aufgriff, als er 1965 die Bischofssynode einrichtete, hat sich als sehr fruchtbar erwiesen. In den sechzig Jahren, die seitdem vergangen sind, haben wir gelernt, in der Bischofssynode ein plurales und symphonisches Subjekt zu erkennen, das in der Lage ist, den Weg und die Sendung der katholischen Kirche zu unterstützen und dem Bischof von Rom bei seinem Dienst an der Gemeinschaft aller Kirchen und der ganzen Kirche wirksam zu
helfen.

Paul VI. war sich sehr wohl bewusst, dass »diese Synode, die nach Art und Brauch aller menschlichen Einrichtungen im Verlauf der Zeit eine immer noch vollkommenere Form erlangen können wird« (Apostolica sollicitudo). Die Apostolische Konstitution Episcopalis communio versuchte, die Erfahrungen der verschiedenen synodalen Versammlungen (ordentliche, außerordentliche, besondere) zu nutzen und die synodale Versammlung ausdrücklich als einen Prozess und nicht nur als eine Veranstaltung zu gestalten.

Der synodale Prozess ist auch ein Lernprozess, in dessen Verlauf die Kirche lernt, sich selbst besser zu verstehen und die Formen des pastoralen Handelns zu erkennen, die für die Mission am geeignetsten sind, die ihr von ihrem Herrn anvertraut ist. Dieser Lernprozess betrifft auch die Formen der Ausübung des Hirtenamtes, insbesondere der Bischöfe.

Als ich beschlossen habe, auch eine bedeutende Anzahl an Laien und Gottgeweihten (Männern und Frauen), Diakonen und Pries-tern als vollwertige Mitglieder zu dieser
XVI. Versammlung zu berufen und damit das weiterzuentwickeln, was zum Teil bereits für frühere Versammlungen vorgesehen war, habe ich das im Einklang mit dem vom Zweiten Vatikanischen Konzil zum Ausdruck gebrachten Verständnis der Ausübung des Bischofs-amtes getan: Der Bischof, das Prinzip und sichtbare Fundament der Einheit der Teilkirche, kann seinen Dienst nur im Volk Gottes und mit dem Volk Gottes ausüben, indem er dem ihm anvertrauten Teil des Volkes Gottes vorangeht, sich in dessen Mitte bewegt und ihm nachgeht. Dieses inklusive Verständnis des bischöflichen Amtes verlangt danach, sichtbar und erkennbar zu werden, wobei es zwei Gefahren zu vermeiden gilt: Die erste ist die Abstraktheit, die die fruchtbare Konkretheit der Orte und Beziehungen sowie den Wert einer jeden Person vergisst; die zweite Gefahr ist, die Gemeinschaft zu zerbrechen, indem Hierarchie und Laien einander entgegengestellt werden. Es geht gewiss nicht darum, das eine durch das andere zu ersetzen, aufgepeitscht durch den Ruf: Jetzt sind wir dran! Nein, das geht nicht: »Jetzt sind wir Laien dran«, »jetzt sind wir Priester dran«, nein, das geht nicht. Vielmehr sind wir aufgefordert, uns gemeinsam in einer symphonischen Kunst zu üben, in
einer Komposition, die alle im Dienst der Barmherzigkeit Gottes vereint, je nach den verschiedenen Ämtern und Charismen, die der Bischof zu erkennen und zu fördern hat.

Gemeinsam unterwegs zu sein, alle, alle, alle, das ist ein Prozess, in dem sich die Kirche – fügsam gegenüber dem Wirken des Heiligen Geis-tes und sensibel für die Zeichen der Zeit (Gaudium et spes, 4) – ständig erneuert und ihre Sakramentalität vervollkommnet, um eine glaubwürdige Zeugin der Sendung zu sein, zu der sie berufen ist: Alle Völker der Erde zu dem einen Volk zu versammeln, das am Ende erwartet wird, wenn Gott selbst uns an dem von ihm vorbereiteten Festmahl teilnehmen lassen wird (vgl.
Jes 25,6-10).

Die Zusammensetzung dieser XVI. Versammlung ist daher mehr als ein kontingenter Umstand. Sie drückt eine Art und Weise der Ausübung des bischöflichen Amtes aus, die mit der lebendigen Tradition der Kirche und der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils in Einklang steht: Der Bischof kann sich, wie jeder andere Christ auch, niemals »ohne den anderen« denken. So wie sich niemand allein retten kann, braucht die Verkündigung des Heils alle, und dass alle gehört werden.

Die Anwesenheit von Mitgliedern, die keine Bischöfe sind, schmälert nicht die »bischöf-liche Dimension« der Versammlung der Bischofssynode. Und das sage ich, weil ein Sturm von Geschwätz herumgegangen ist. Noch weniger schränkt sie die Autorität des einzelnen Bischofs und des Bischofskollegiums ein oder hebt sie auf. Vielmehr signalisiert sie die Form, die die Ausübung der bischöflichen Autorität in einer Kirche annehmen soll, die sich bewusst ist, dass sie konstitutiv relational und daher synodal ist. Die Beziehung zu Christus und aller miteinander in Chris-tus – mit denen, die da sind, und denen, die noch nicht da sind, aber vom Vater erwartet werden – verwirklicht das Wesen und gestaltet die Form der Kirche zu allen Zeiten.

Zu gegebener Zeit müssen verschiedene Formen der »kollegialen« und »synodalen« Ausübung des bischöflichen Amtes (in den Teilkirchen, in den Zusammenschlüssen von Kirchen, in der ganzen Kirche) gefunden werden, immer unter Wahrung des depositum fidei und der lebendigen Tradition, stets als Antwort auf das, was der Geist von den Kirchen in dieser besonderen Zeit und in den verschiedenen Gegebenheiten, in denen sie leben, verlangt. Und vergessen wir nicht, dass der Heilige Geist Harmonie ist. Denken wir an jenen Morgen des Pfingstfestes: da gab es ein furchtbares Durcheinander, aber er schuf Harmonie, in jener Unordnung. Vergessen wir nicht, dass er wirklich die Harmonie ist: nicht eine ausgeklügelte oder intellektuelle Harmonie; er ist alles, er ist eine existentielle Harmonie.

Es ist der Heilige Geist, der dafür sorgt, dass die Kirche dem Auftrag des Herrn Jesus Christus beständig treu bleibt und beständig auf sein Wort hört. Der Geist führt die Jünger in die ganze Wahrheit (Joh 16,13). Er führt auch uns, die wir uns im Heiligen Geist zu dieser Versammlung zusammengefunden haben, um nach drei Jahren des Unterwegsseins eine Antwort auf die Frage zu geben, »wie wir eine missionarische synodale Kirche sein können«. Ich möchte hinzufügen: eine barmherzige Kirche.

Mit einem Herzen voller Hoffnung und Dankbarkeit, im Bewusstsein der anspruchsvollen Aufgabe, die euch anvertraut wurde (und die uns anvertraut ist), wünsche ich allen, dass sie sich bereitwillig dem Wirken des Heiligen Geistes öffnen, unserem sicheren Führer, unserem Beistand. Danke.

Fußnote

1 Vgl. Makarios von Alexandrien, Hom. 18, 7-11; PG 34, 639-642.