Vatikanstadt. »Tierra, techo, trabajo«, zu Deutsch »Land, Wohnung und Arbeit« seien »sakrosankte Rechte«, die niemandem genommen werden dürften, ebenso wenig wie man den »Letzten« ihre Träume wegnehmen dürfe, denn »wir alle sind von den Armen abhängig, wir alle, auch die Reichen«, betonte Papst Franziskus in einer langen, zum größten Teil in freier Rede gehaltenen Ansprache auf Spanisch. Er hatte sich am Freitagmittag, 20. September, in den Palazzo San Callisto, ein Gebäude des Vatikans im Stadtteil Trastevere, begeben, wo das Dikasterium für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen seinen Sitz hat. Dort traf er mit den Vertretern von Volksbewegungen aus Lateinamerika zusammen, die anlässlich des zehnten Jahrestages des ersten Welttreffens, das 2014 im Vatikan stattfand, erneut nach Rom gekommen waren.
»Eine Flagge hissen gegen die Entmenschlichung« war das Thema des Treffens, das von Kardinal Czerny, dem Präfekten des Dikasteriums, eröffnet und mit Zeugnissen einiger Vertreter der Volksbewegungen fortgesetzt wurde. Papst Franziskus seinerseits ermutigte die Bemühungen derjenigen, die sich für den »täglichen Aufbau der Gemeinschaft« einsetzten und »gegen die Strukturen der sozialen Ungerechtigkeit«, gegen die Ungleichheit, die Anhäufung von manchmal »blutigem« Geld, gegen Gewalt und fehlende Achtung der Rechte kämpften.
In der seiner Ansprache warnte der Papst, wenn die Kategorie der Nächstenliebe fehle, verfalle man in den Sozialdarwinismus, in dem das Gesetz des Stärkeren gelte. Und das rechtfertige zuerst die Gleichgültigkeit, dann die Grausamkeit und dann die Vernichtung.
Mit Blick auf Informationstechnologie formulierte der Papst: »Ich fordere die Unternehmer dieser Technologien und die Betreiber der digitalen Plattformen auf: Legen Sie die Arroganz ab, zu meinen, dass Sie über dem Gesetz stehen! Respektieren Sie (die Gesetze) der Länder, in denen Sie arbeiten und übernehmen Sie Verantwortung für das, was auf Ihren Plattformen passiert!«
Die Betreiber seien verpflichtet, die Verbreitung von Hass, Gewalt und Fake News sowie von extremer Polarisierung und Rassismus zu vermeiden. »Sie dürfen die Daten der Bürger und der öffentlichen Institutionen nicht allein für Ihren Profit ausnutzen, ohne etwas an die Menschen zurückzugeben. Bitte halten Sie sich nicht für etwas Höheres, und noch ein kleiner Rat: Zahlen Sie Steuern!«
Zum Thema der Besteuerung von Superreichen im Allgemeinen bemerkte der Papst, das herrschende Wirtschaftssystem erlaube es einigen Menschen, enorme und Reichtümer anzuhäufen. Zu Recht werde das als unmoralisch beurteilt. Es sei gut, dass man mehr Steuern von den Milliardären fordere.
»Ich bete dafür, dass die wirtschaftlich Mächtigen aus ihrer Isolation herauskommen, die falsche Sicherheit des Geldes hinter sich lassen und sich öffnen, um Güter zu teilen, die eine universale Bestimmung haben, weil sie alle der Schöpfung entstammen«, erklärte der Papst. Geschwisterlich geteilter Reichtum wäre nach Ansicht des Papstes auch für die Hochvermögenden selbst ein Segen.
Die lateinamerikanischen Volksbewegungen haben ihre Wurzeln im frühen 20. Jahrhundert. Sie setzen sich dafür ein, dass jeder Mensch ein Leben in Würde führen kann. Inhaltlich gibt es Überschneidungen mit der katholischen Soziallehre.