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Das Herz des Hirten und der Glaube des Volkes

 Das Herz des Hirten und der Glaube des Volkes  TED-039
27. September 2024

Offiziell grünes Licht zu geben für die Anerkennung und die geistliche Erfahrung, die im Juni 1981 in Medjugorje begann, als sechs Jugendliche berichteten, sie hätten die Muttergottes gesehen, war möglich aufgrund der vielen positiven Früchte, die in dieser jedes Jahr von mehr als einer Million Menschen aus der ganzen Welt besuchten Pfarrei zu sehen sind: Pilgerfahrten, Bekehrungen, Rückkehr zu den Sakramenten und Ehen in der Krise, die wiederhergestellt werden. Diese Elemente sind es, die Papst Franziskus seit seiner Zeit als Erzbischof in Argentinien immer im Blick hatte: Die Volksfrömmigkeit, die viele Menschen die Wallfahrtsorte aufsuchen lässt, muss begleitet, wenn nötig korrigiert, soll aber nicht erstickt werden. Bei der Beurteilung mutmaßlich übernatürlicher Phänomene ist immer genau auf die geistlichen Früchte zu achten.

Es entspricht dieser Auffassung des Nachfolgers Petri, dass er mit den im vergangenen Mai veröffentlichten neuen Normen das kirchliche Urteil von der schwierigeren Erklärung der Übernatürlichkeit abgekoppelt hat. Letztere mag noch ausstehen, aber es ist nicht mehr nötig, darauf zu warten, um Gottesdienste, Andachten und Wallfahrten zu genehmigen, wenn es keine Täuschung oder versteckten Interessen gibt, die Botschaften rechtgläubig sind und vor allem viele positive Erfahrungen vorliegen.

Weil Franziskus das Herz eines Hirten hat, wird nun eine Entscheidung über eine der bekanntesten und umstrittensten Marienerscheinungen gefällt. Eine Entscheidung, die nicht überraschend kommt. Bereits im vergangenen Mai hatte Kardinal Fernández auf eine Frage zu Medjugorje geantwortet: »Wir denken, dass es mit diesen Normen einfacher sein wird, voranzugehen und zu einer Schlussfolgerung zu kommen.« Und das ist kein neuer Ansatz, wie die Worte des damaligen Kardinals Ratzinger in dem Interviewbuch Zur Lage des Glaubens bezeugen: »Eines unserer Kriterien ist, dass wir den Gesichtspunkt der wirklichen oder vermuteten ›Übernatürlichkeit‹ der Erscheinungen von jenem ihrer geistlichen Früchte trennen. Die Wallfahrten der alten Christenheit konzentrierten sich auf Orte, über die unser moderner kritischer Geist bisweilen entsetzt wäre, gerade was die ›wissenschaftliche Richtigkeit‹ der daran geknüpften Tradition betrifft. Das hindert nicht, dass jene Wallfahrten fruchtbar, segensreich, heilsam und wichtig für das Leben des christlichen Volkes waren. Das Problem ist nicht so sehr jenes der modernen Hyperkritik (die übrigens letztlich in einer Form neuer Gläubigkeit landet), sondern besteht in der Bewertung der Lebendigkeit und der Rechtgläubigkeit des religiösen Lebens, das sich um diese Orte herausbildet.« Benedikt XVI. selbst hatte 2010 eine von Kardinal Ruini geleitete Kommission mit der Untersuchung des Phänomens betraut, und das Ergebnis war positiv ausgefallen. Die Note mit dem Titel »Königin des Friedens« erkennt daher die guten Früchte an, gibt eine insgesamt positive Beurteilung der vielen Botschaften im Zusammenhang mit Medjugorje, die im Laufe der Jahre verbreitet wurden, und korrigiert einige problematische Texte und Interpretationen, die durch die subjektive Wahrnehmung der Seher beeinflusst worden sein könnten. In Bezug auf die ehemaligen Protagonisten des Phänomens, die im Laufe der Jahre Gegenstand von Kontroversen und Anschuldigungen waren, stellt das Dokument gleich in den ersten Zeilen klar, dass das Nihil obstat kein Urteil über das sittliche Leben der mutmaßlichen Seher impliziert und dass »für die Wirksamkeit der charismatischen Gaben […] nicht notwendigerweise die sittliche Vollkommenheit der beteiligten Personen erforderlich ist«. Gleichzeitig bedeutet die Tatsache, dass das Nihil obstat erteilt wurde, dass keine besonders kritischen oder riskanten Aspekte festgestellt wurden, auch keine Lügen, Verfälschungen oder Mythomanie.

Die Note des Dikasteriums hebt die beiden zentralen Punkte der Botschaft von Medjugorje hervor: Bekehrung und Rückkehr zu Gott sowie der Frieden. Als das Phänomen begann und Maria sich als »Königin des Friedens« vorstellte, konnte niemand ahnen, dass genau dieses Land Schauplatz blutiger Zusammenstöße sein würde. Der Schreiber dieser Zeilen war selbst bei einer Pilgerfahrt tief beeindruckt von den Zeugnissen der Freunde und Mitbürger der Seher: Menschen, die weder an den Erscheinungen noch den Botschaften aktiv mitwirkten, die aber angesichts der Grausamkeit des Krieges, der in dieser Region sogar unter Nachbarn geführt wurde, zu verzeihen wussten. Dank ihrer Glaubenserfahrung im Zusammenhang mit den Erscheinungen von Medjugorje hatten sie sich auch mit denjenigen versöhnt, die sich schwerer Gewalt gegen ihre Angehörigen schuldig gemacht hatten. Ein weitaus größeres »Wunder« als viele andere Phänomene, von denen rund um die Erscheinungsorte gesprochen wird.

Die authentische Botschaft von Medjugorje liegt im Grunde genommen in jenen Botschaften, in denen die Muttergottes sich selbst relativiert und uns auffordert, nicht den falschen Propheten nachzulaufen, nicht neugierig nach Informationen über »Geheimnisse« und apokalyptische Vorhersagen zu suchen, wie es in einer Botschaft vom November 1982 heißt: »Geht nicht auf die Suche nach außergewöhnlichen Dingen, sondern nehmt das Evangelium, lest es, und alles wird euch klar werden.«

Von Andrea Tornielli,
Chefredakteur der Vatikanmedien