Herr Generalgouverneur,
Herr Premierminister,
sehr geehrte Vertreter der Zivilgesellschaft,
meine Herren Botschafter,
sehr geehrte Damen und Herren!
Ich freue mich, heute hier bei Ihnen zu sein und Papua-Neuguinea besuchen zu können. Ich danke dem Generalgouverneur für seine herzlichen Begrüßungsworte und danke euch allen für den warmherzigen Empfang. Ich grüße das ganze Volk des Landes und wünsche ihm Frieden und Wohlstand. Und schon jetzt möchte ich den Verantwortlichen meinen Dank für die Hilfe aussprechen, die sie vielen Aktivitäten der Kirche im Geiste gegenseitiger Zusammenarbeit für das Gemeinwohl zukommen lassen.
In Ihrem Heimatland, einem Archipel mit Hunderten von Inseln, spricht man über achthundert Sprachen, die ebenso vielen ethnischen Gruppen entsprechen: Das belegt einen außerordentlichen kulturellen und menschlichen Reichtum; und ich gestehe, dass dieser Aspekt mich sehr fasziniert, auch auf geistlicher Ebene, weil ich mir vorstelle, dass diese enorme Vielfalt eine Herausforderung für den Heiligen Geist ist, der die Unterschiede in Einklang bringt!
Ihr Land ist außer an Inseln und Sprachen auch reich an Boden- und Meeresressourcen. Diese Güter sind von Gott für die ganze Gesellschaft bestimmt, und auch wenn ihre Nutzung die Einbeziehung breiterer Kenntnisse und großer internationaler Konzerne erfordert, so ist es doch gerecht, dass die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung bei der Verteilung der Erlöse und der Beschäftigung von Arbeitskräften in angemessener Weise berücksichtigt werden, damit ihre Lebensbedingungen wirksam verbessert werden.
Dieser ökologische und kulturelle Reichtum stellt zugleich eine große Verantwortung dar, denn er verpflichtet alle, die Regierenden wie die Bürger, alle Initiativen zu fördern, die notwendig sind, um die natürlichen und menschlichen Ressourcen zur Geltung zu bringen, so dass eine nachhaltige und gerechte Entwicklung möglich wird, die dem Wohlergehen ausnahmslos aller förderlich ist, und zwar durch konkret umsetzbare Programme und durch internationale Zusammenarbeit in gegenseitigem Respekt und mit Vereinbarungen, die für alle Vertragsparteien vorteilhaft sind.
Eine notwendige Voraussetzung für das Erzielen solcher dauerhaften Ergebnisse ist die Stabilität der Institutionen, die durch Einigkeit – in einigen wesentliche Punkten – zwischen den unterschiedlichen Auffassungen und Befindlichkeiten in der Gesellschaft begünstigt wird. Die institutionelle Stabilität zu stärken und einen Konsens über grundlegende Entscheidungen zu schaffen, ist nämlich eine unabdingbare Voraussetzung für eine ganzheitliche und solidarische Entwicklung. Sie erfordert zudem eine langfristige Vision und, bei aller Unterschiedlichkeit der Aufgaben und trotz verschiedener Meinungen, ein Klima der Zusammenarbeit zwischen allen.
Ich hoffe insbesondere, dass die Gewalt zwischen den Stämmen endet, die leider viele Opfer fordert, ein friedliches Zusammenleben verunmöglicht und die Entwicklung behindert. Ich appelliere daher an das Verantwortungsbewusstsein aller, auf dass die Spirale der Gewalt unterbrochen und stattdessen entschlossen der Weg eingeschlagen wird, der zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit zum Wohle des ganzen Volkes in diesem Land führt.
In dem durch diese Haltungen entstandenen Klima wird es auch möglich sein, die Frage nach dem Status der Insel Bougainville endgültig zu klären und dabei das Wiederaufflammen alter Spannungen zu verhindern.
Durch die Konsolidierung der Einigkeit bezüglich der Grundlagen der Zivilgesellschaft und durch die Bereitschaft jedes Einzelnen, etwas von der eigenen Position zum Wohle aller aufzugeben, können die Kräfte in Bewegung gesetzt werden, die erforderlich sind, um die Infrastruktur zu verbessern, den Bedürfnissen der Bevölkerung in den Bereichen Gesundheit und Bildung entgegenzukommen und menschenwürdigere Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Doch auch wenn wir das manchmal vergessen, der Mensch braucht über das Lebensnotwendige hinaus eine große Hoffnung in seinem Herzen, die ihm ein gutes Leben ermöglicht, ihm Lust und Mut gibt, weitreichende Projekte in Angriff zu nehmen, und es ihm ermöglicht, den Blick nach oben und auf weite Horizonte zu richten.
Der Überfluss an materiellen Gütern, ohne diesen Atem der Seele, reicht nicht aus zum Entstehen einer lebendigen und ausgeglichenen, fleißigen und frohen Gesellschaft; im Gegenteil, er führt dazu, dass sie sich auf sich selbst zurückzieht. Die Trockenheit des Herzens führt dazu, dass sie die Orientierung verliert und die rechte Werteskala vergisst; sie nimmt ihr den Schwung und blockiert sie bis zu dem Punkt, an dem sie – wie es in einigen Überflussgesellschaften der Fall ist – die Hoffnung auf die Zukunft verliert und keine Gründe mehr findet, das Leben weiterzugeben.
Deshalb ist es nötig, den Geist auf größere Wirklichkeiten zu richten; es ist notwendig, dass die Verhaltensweisen von einer inneren Kraft unterstützt werden, die sie vor dem Verderben bewahrt und davor, unterwegs die Fähigkeit zu verlieren, den Sinn des eigenen Wirkens zu erkennen und mit Hingabe und Beständigkeit zu handeln.
Die geistigen Werte beeinflussen den Aufbau des irdischen Staates und aller zeitlichen Wirklichkeiten in hohem Maße, sie verleihen sozusagen eine Seele, sie inspirieren und stärken jedes Projekt. Daran erinnern auch das Logo und das Motto dieses meines Besuchs in Papua-Neuguinea. Das Motto sagt alles mit einem Wort: »Pray« – »Beten«. Vielleicht mag sich jemand, der zu sehr auf »politische Korrektheit« bedacht ist, über diese Wahl wundern; tatsächlich aber liegt er falsch, denn ein Volk, das betet, hat eine Zukunft, weil es Kraft und Hoffnung von oben bezieht. Und auch das Zeichen des Paradies-vogels im Logo der Reise ist ein Symbol der Freiheit: jener Freiheit, die nichts und niemand unterdrücken kann, weil sie eine innere ist und von Gott behütet wird, der Liebe ist und der will, dass seine Kinder frei sind.
Für alle, die sich Christen nennen – die große Mehrheit Ihres Volkes –, wünsche ich mir sehr, dass sich ihr Glaube nie auf die Einhaltung von Riten und Vorschriften beschränkt, sondern dass er aus Liebe besteht, darin, Jesus Christus zu lieben und ihm nachzufolgen, und dass er zu einer gelebten Kultur werden kann, indem er das Denken und Handeln inspiriert und zu einem Leuchtturm wird, der den rechten Weg erhellt. Auf diese Weise wird der Glaube auch der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit helfen können, zu wachsen und gute und wirksame Lösungen für ihre großen Herausforderungen zu finden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin hierhergekommen, um die katholischen Gläubigen zu ermutigen, ihren Weg fortzusetzen und um sie im Bekenntnis ihres Glaubens zu bestärken; ich bin gekommen, um mich mit ihnen über die Fortschritte zu freuen, die sie machen, und um ihre Sorgen mit ihnen zu teilen; ich bin hier, wie der heilige Paulus sagen würde, als »Mitarbeiter eurer Freude« (2 Kor 1,24).
Ich beglückwünsche die christlichen Gemeinschaften zu den wohltätigen Werken, die sie im Lande vollbringen, und ermutige sie, zugunsten des Gemeinwohls aller Einwohner von Papua-Neuguinea stets die Zusammenarbeit mit den öffentlichen Einrichtungen und allen Menschen guten Willens zu suchen, angefangen bei den Brüdern und Schwestern, die anderen christlichen Konfessionen und anderen Religionen angehören.
Das leuchtende Zeugnis des seligen Peter To Rot lehrt – wie der heilige Johannes
Paul II. während der Messe zur Seligsprechung sagte – »bereitwillig für den Dienst an anderen zur Verfügung zu stehen, und dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft nach den Grundsätzen der Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit in Harmonie und Solidarität entwickelt« (Homilie, Port Moresby, 17. Januar 1995). Möge Ihnen sein Beispiel, wie auch das des seligen Giovanni Mazzucconi vom PIME und aller Missionare, die das Evangelium in diesem Land verkündet haben, Kraft und Hoffnung geben.
Möge der heilige Erzengel Michael, der Schutzpatron von Papua-Neuguinea, immer über Sie wachen und Sie vor allen Gefahren verteidigen, er beschütze die Verantwortlichen und alle Menschen in diesem Land.
Exzellenz, Sie haben über die Frauen gesprochen. Vergessen wir nicht, dass sie es sind, die ein Land voranbringen. Die Frauen besitzen die Kraft, Leben zu spenden, aufzubauen, ein Land wachsen zu lassen. Vergessen wir nicht die Frauen, die bei der menschlichen und geistlichen Entwicklung an erster Stelle stehen.
Exzellenz, meine Damen und Herren!
Ich beginne meinen Besuch mitten unter Ihnen. Ich danke Ihnen, dass Sie mir die Türen Ihres schönen Landes geöffnet haben, das so weit von Rom entfernt und dem Herzen der katholischen Kirche doch so nahe ist. Denn im Herzen der Kirche ist die Liebe Jesu Christi, der am Kreuz alle Menschen umarmt hat. Sein Evangelium ist für alle Völker bestimmt, es ist an keine irdische Macht gebunden, sondern frei, jede Kultur zu befruchten und das Reich Gottes in der Welt wachsen zu lassen. Das Evangelium muss in der Kultur heimisch werden und die Kulturen müssen evangelisiert werden. Möge dieses Reich Gottes in diesem Land volle Aufnahme finden, damit alle Bevölkerungsgruppen Papua-Neuguineas in der Vielfalt ihrer Traditionen in Harmonie zusammenleben und für die Welt ein Zeichen der Geschwis-terlichkeit sind. Vielen Dank.