Jakarta. Papst Franziskus hat sich in der ersten offiziellen Ansprache seiner derzeitigen Asienreise für mehr Dialog unter den Religionen und gegen jede Form von Extremismus und Intoleranz ausgesprochen. Vor rund 300 Verantwortlichen aus Politik, Diplomatie und Zivilgesellschaft in dem Vielvölkerstaat sagte er am Mittwoch, 4. September, die katholische Kirche wolle den interreligiösen Dialog verstärken, »um eine friedliche und konstruktive Harmonie zu fördern, die den Frieden sichert und die Kräfte vereint, um die Ungleichgewichte und das Elend zu besiegen, die in einigen Teilen des Landes immer noch bestehen«.
Um gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen, sei es nötig, Extremismus und Intoleranz zu bekämpfen. Diese verfälschten die Religion und versuchten, sich mit Hilfe von Täuschung und Gewalt durchzusetzen.
Der Papst äußerte sich zu Beginn seines knapp zweiwöchigen Besuchs im Asien-Pazifik-Raum in der indonesischen Hauptstadt Jakarta. Bis 13. September besucht Franziskus nacheinander Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur.
Warnung vor
Manipulation des Glaubens
Bei der offiziellen Willkommenszeremonie im Präsidentenpalast waren unter anderen der scheidende Staatspräsident Joko Widodo sowie Mitglieder der Regierung und des Diplomatischen Korps in Indonesien anwesend. Dem nach den jüngsten Wahlen bereits feststehenden künftigen Präsidenten Prabowo Subianto wünschte der Papst »alles Gute für eine fruchtbare Arbeit im Dienste Indonesiens«.
In seiner Ansprache würdigte Franziskus die in Indonesien geltende Staats-Philosophie Pancasila, sie bringe »Weisheit und Ausgewogenheit zum Ausdruck«. In manchen Staaten glaube man, ohne den Segen Gottes auskommen zu können. In anderen gebe es »Fälle, in denen der Glaube an Gott ständig in den Vordergrund gestellt wird, wobei dies bedauerlicherweise jedoch oft geschieht, um ihn zu manipulieren sowie Spaltungen zu fördern und den Hass zu verstärken, und nicht um der Schaffung von Frieden, Gemeinschaft, Dialog, Respekt, Zusammenarbeit und Geschwisterlichkeit willen«.
Eintracht werde »nur dann erreicht, wenn sich ein jeder nicht nur für die eigenen Interessen und Vorstellungen einsetzt«, betonte Franziskus. Stattdessen gelte es, sich mit Blick auf das Wohl aller zu bemühen, Brücken zu bauen, Übereinstimmung und Synergien zu fördern sowie Kräfte zu bündeln, um alle Formen moralischen, wirtschaftlichen und sozialen Elends zu besiegen und Frieden und Eintracht zu fördern.
Lob für Kinderreichtum
In seiner Rede lobte der Papst auch den Kinderreichtum indonesischer Familien. In dem Land hätten Familien drei, vier, fünf oder mehr Kinder. Das zeige sich auch im Altersdurchschnitt des Landes, sagte er. Franziskus rief die Bevölkerung dazu auf, diesen Weg fortzusetzen und damit Vorbild für andere Länder zu sein, in denen Menschen einen Hund oder eine Katze anstatt eines Kindes bevorzugten.
Papst Franziskus war bereits am Dienstag, 3. September, nach einem 13-stündigen Flug von Rom aus kommend in Jakarta eingetroffen. Am ersten Tag seiner Reise begegnete der Papst geflüchteten und obdachlosen Menschen aus mehreren Ländern der Region. In Indonesiens Hauptstadt Jakarta empfing er am Dienstag verwaiste Kinder und ältere Menschen sowie Angehörige der muslimischen Rohingya aus Myanmar, wie der Vatikan mitteilte. Fotos vom Empfang in der Apostolischen Nuntiatur zeigen einen lächelnden Papst im Rollstuhl, umgeben von Kindern und Erwachsenen in Trachten, die ihn umarmen und ihm Blumen und Geschenke bringen. Das Treffen kam durch den Jesuiten-Flüchtlingsdienst und die Gemeinschaft Sant’Egidio zustande, die sich vor Ort um die Menschen kümmern. Die Waisenkinder werden von Schwestern des Dominikanerordens aufgezogen.
Die offiziellen Termine des Indonesien-Besuchs des Heiligen Vaters begannen am Mittwoch, 4. September. Am Nachmittag (Ortszeit) fand in der katholischen Kathedrale ein Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern der Ortskirche, unter ihnen Bischöfe, Priester, Seminaristen, Ordensleute, Diakone und weitere pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter statt. Danach folgte eine Begegnung mit Jugendlichen.
Am Donnerstag folgte mit einem großen interreligiösen Treffen in der Istiqlal-Moschee Jakartas einer der Höhepunkte der 45. Auslandsreise des Kirchenoberhaupts. Am Freitag reist der Papst weiter nach Papua-Neuguinea.
Land mit größter
muslimischer Bevölkerung
Indonesien zählt die größte muslimische Bevölkerung weltweit. Der dortige Islam galt lange als gemäßigt und tolerant. In den vergangenen Jahren haben jedoch konservative und radikalislamische Strömungen an Einfluss gewonnen.
Neben dem Islam sind fünf weitere Religionen beziehungsweise Konfessionen offiziell anerkannt: Protestantismus, Katholizismus, Buddhismus, Hinduismus und Konfuzianismus. Von den knapp 280 Millionen Indonesiern sind mehr als 87 Prozent Muslime, gut zwölf Prozent Christen, ein Viertel davon katholisch.
Die drittgrößte Demokratie der Welt ist als einziger südostasiatischer Staat Mitglied der G20-Gruppe. Bis zur Anerkennung der Unabhängigkeit von den Niederlanden 1949 herrschten Kolonialmächte über verschiedene Teile des Landes.