· Vatikanstadt ·

Audienz für die Teilnehmer am 18. Generalkapitel der Kongregation der Oblaten des heiligen Josef (Josefiner von Asti des heiligen Giuseppe Marello)

Dankbarkeit und Verantwortung

 Dankbarkeit und Verantwortung  TED-036
06. September 2024

Liebe Brüder,

guten Tag!

Zum Abschluss eures 18. Generalkapitels heiße ich euch herzlich willkommen. Ich begrüße P. Jan Pelczarski, den wiedergewählten Generaloberen – du hast es gut gemacht, sie haben dich wiedergewählt! Zudem geht mein Gruß an die Räte, alle hier Anwesenden und die ganze Familie der marellianischen Josefiner: Schwestern, Laien und Jugendliche.

Wie ihr wisst, stammt auch meine Familie aus der Provinz Asti. Wir haben gemeinsame Wurzeln im Piemont, wo euer Gründer, der heilige Giuseppe Marello, geboren ist. Eine schöne Gegend, guter Wein… Eine schöne Gegend!

Fürsorge für
die Geringsten

Als Leitwort eurer Kapitelarbeiten habt ihr einen Satz des heiligen Paulus an Timotheus gewählt: »Darum rufe ich dir ins Gedächtnis: Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir zuteilgeworden ist!« (vgl. 2 Tim 1,6). Es sind anspruchsvolle Worte, mit denen ihr anerkennt, Empfänger eines Geschenks zu sein – der Heiligkeit des Gründers, des Charismas und der Geschichte eurer Kongregation – und mit denen ihr euch verpflichtet, die Verantwortungen zu übernehmen, die daraus entspringen: die empfangenen Begabungen zu bewahren und Frucht tragen zu lassen, indem ihr sie in den Dienst an den Geschwis-tern stellt.

Und diese beiden Haltungen – Dankbarkeit und Verantwortung – führen uns die Gestalt des heiligen Josef vor Augen, des Hüters der Heiligen Familie, der das Vorbild, der Inspirator und der Fürsprecher eurer Kongregation ist.

Daher möchte ich drei Dimensionen des Lebens Josefs von Nazaret hervorheben, die mir auch für euer Ordensleben und für den Dienst, den ihr in der Kirche ausübt, wichtig erscheinen: die Verborgenheit, die Väterlichkeit und die Fürsorge für die Geringsten.

Erstens: die Verborgenheit. Der heilige Gius-eppe Marello hat diesen Wert zusammengefasst mit dem Motto: »Kartäuser im Haus und Apostel außerhalb des Hauses« – das ist schön, ich wusste das nicht, als ich es gelesen haben, hat es mich beeindruckt, eine schöne Zusammenfassung –, und es ist sehr wichtig. Das ist es vor allem für euch, damit ihr euer Glaubensleben und eure Ordensweihe in ein tägliches »Dasein« bei Jesus verwurzeln könnt. Machen wir uns nichts vor: Ohne ihn stehen wir nicht aufrecht, keiner von uns. Jeder hat seine Schwächen, und ohne den Herrn, der uns stützt, würden wir nicht aufrecht stehen. Daher ermutige ich euch, stets ein intensives Gebetsleben zu pflegen – »intensiv« ist vielleicht ein zu starkes Adjektiv: ein »gutes« Gebetsleben, das darf man nicht vernachlässigen – durch die Teilnahme an den Sakramenten, das Hören und die Betrachtung des Wortes Gottes, die eucharis-tische Anbetung, sowohl gemeinschaftlich als auch persönlich. Und dazu möchte ich betonen: Manchmal vernachlässigen wir die Anbetung, das Gebet der Anbetung, die Stille vor dem Herrn, manchmal ist es etwas langweilig, in Stille anzubeten… Das sollten wir alle tun, aber besonders die Ordensleute. Vor allem auf diese Weise hat der heilige Josef auf das immense Geschenk geantwortet, den menschgewordenen Sohn Gottes selbst in seinem Haus zu haben: indem er bei ihm war, ihm zugehört hat, mit ihm gesprochen und mit ihm das tägliche Leben geteilt hat. Denken wir daran: Ohne Jesus stehen wir nicht aufrecht! In diesem Augenblick bitte ich einen jeden, an die eigenen Sünden zu denken: Wir alle sind Sünder. Denkt an eure Sünden, jetzt, und erkennt: Als ihr in die Sünde geraten seid, dann geschah dies deshalb, weil ihr dem Herrn nicht nahe wart. Es ist immer so. Wer dem Herrn nahe ist, hält sich sofort fest und fällt nicht. Die Nähe zum Herrn!

Vertrautheit
mit Gott

All das wird sich auch positiv in eurem Apostolat widerspiegeln, vor allem in jener Sendung, die euch als »Apostel der Jugendlichen« kennzeichnet. Die Jugendlichen brauchen nicht uns: Sie brauchen Gott! Und je mehr wir in seiner Gegenwart leben, desto besser sind wir in der Lage, ihnen zu helfen, ihm zu begegnen, ohne uns selbst unnütz in den Vordergrund zu stellen und nur mit ihrem Heil und ihrer vollkommenen Glückseligkeit vor Augen. Unsere Jugendlichen – aber in Wahrheit gilt das ein bisschen für uns alle – leben in einer Welt, die aus Äußerlichkeiten besteht, in der das, was zählt, der Schein ist, die Zustimmung anderer, immer neue Erfahrungen zu machen. Aber ein Leben, dass ganz im »Äußeren« gelebt wird, lässt uns im Innern leer zurück, wie jemand, der die ganze Zeit auf der Straße verbringt und sein eigenes Haus aus Mangel an Fürsorge und Liebe verfallen lässt. Macht euer Herz, eure Gemeinschaften, eure Ordenshäuser zu Orten, an denen man die Wärme der Vertrautheit mit Gott und unter den Geschwistern spüren und teilen kann; an denen, wie der heilige Johannes Paul II. sagte, »das Heil, das über das Menschsein Jesu führt, […] sich in der Tat in den Haltungen« verwirklicht, die »zum Alltag des Familien-lebens gehören« (Apostolisches Schreiben Redemptoris custos, 8). Und so war es beim heiligen Josef.

Zweitens: die Väterlichkeit. Sehr bedeutsam sind diesbezüglich die Worte, die der heilige Giuseppe Marello an den Priester Stefano Delaude schrieb: »Du arme Jugend, zu verlassen und vernachlässigt, du arme Generation, die du zu sehr auf dich selbst gestellt aufwächst!« (Brief 31, 20. Februar 1869). Man spürt hier das Herz eines Vaters, der tief bewegt ist angesichts der Schönheit seiner Kinder, die erniedrigt wird von der Gleichgültigkeit und dem Desinteresse derer, die ihnen vielmehr helfen sollten, ihr Bestes zu geben. Und im selben Brief sagt er auch, wie ungerecht und unfruchtbar die Haltung derer ist, die sich darauf beschränken, diese verlassene und orientierungslose Jugend zu kritisieren. Und das ist auch heute so. Der heilige Bischof spricht von »unkorrekter Großherzigkeit«, von »verkehrt ausgerichteten Gefühlen« (vgl. ebd.): Er zeigt also, dass er in den Jugendlichen ein großes Potential für das Gute sieht, das nur darauf wartet, zu erblühen und Früchte zu tragen, wenn es von weisen, geduldigen und großherzigen Anführern gestützt ist. Und er will, dass ihr es seid, aufmerksam gegenüber dem ganzheitlichen Gut der Jugendlichen, konkret anwesend bei ihnen und bei ihren Familien, fachkundig in der Mäeutik der guten Ausbilder, auf weise Art respektvoll gegenüber den Zeiten und den Möglichkeiten eines jeden. Brüder, es ist eine große, mühsame, aber stets unverzichtbare Arbeit, besonders in unseren Tagen (vgl. Apostolisches Schreiben Christus vivit, 75).

Und schließlich, nach der Väterlichkeit, die Fürsorge für die Geringsten. Eines der Dinge, die beim heiligen Bräutigam Mariens beeindruckend sind, ist der großherzige Glaube, mit dem er in seinem Haus und in seinem Leben einen Gott aufgenommen hat, der gegen alle Erwartungen vor seiner Tür stand im Sohn eines schwachen Mädchens, das keinerlei Ansprüche geltend machen konnte. Maria und ihr Kind konnten von dem heiligen Patriarchen menschlich keinerlei Rechte einfordern, außer dem einer Gegenwart, die nur der Glaube erkennen und die Liebe aufnehmen konnte. Und Josef war fähig, diesen Schritt zu tun: Er hat die wirkliche Gegenwart Gottes in ihrer Armut erkannt und sie sich zu eigen gemacht, ja er hat sie sogar mit seinem Leben vereint. Denn das bedeutet es für uns, die Geringsten anzunehmen. Es bedeutet nicht, sich über ihre angebliche »Unterlegenheit« paternalistisch niederzubeugen, sondern unsere eigene Armut mit ihnen zu teilen. Das lehrt uns die Tatsache, dass Gott sich selbst erniedrigt hat und arm geworden ist (vgl. Phil 2,5-11); das hat euch der heilige Giuseppe Marello gelehrt, indem er in seinem Hirtenherzen einen ganz besonderen Platz vorbehielt für die problematischsten Jugendlichen, für die »arme Jugend«, wie er gern sagte, und dazu ruft uns der Herr auch heute auf.

Liebe Brüder, diese Gedanken wollte ich euch mit auf euren Weg geben. Danke für das, was ihr in der Kirche und in der Gesellschaft tut, danke für euren Dienst! Seid weiterhin so großherzig. Ich bete für euch, und ich segne euch. Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Und ich möchte euch etwas sagen, das mich zum Lachen bringt. Ich habe in meinem Zimmer ein Gemälde mit dem schlafenden heiligen Josef, aber es heißt, dass Josef in seinem Leben nicht schlafen konnte, dass er an Schlaflosigkeit litt. Denn jedes Mal, wenn er eingeschlafen war, wurde sein Leben verändert! Das steht nicht im Text! Der Mann, der sich das Leben verändern
lässt: Mir tut es sehr gut, daran zu denken.

(Orig. ital. in O.R. 26.8.2024)