Vatikanstadt. Die Päpstliche Akademie für das Leben hat ein »Kleines Lexikon zum Lebensende« erstellt. Auf über achtzig Seiten werden darin Schlüsselbegriffe rund um Themen hinsichtlich der Endphase des Lebens aus Sicht des kirchlichen Lehramts beleuchtet. Der Leiter der Akademie, Erzbischof Vincenzo Paglia, überreichte das Werk, in dem es unter anderem um Suizidbeihilfe und Palliativmedizin geht, am 8. August dem Papst. Das »Piccolo Lessico del fine vita« ist bislang nur auf Italienisch verfügbar; es ist im Juli im Vatikanverlag LEV erschienen.
Nach der Audienz berichtete Paglia gegen-über Radio Vatikan, Franziskus habe sich über das Geschenk gefreut. Im Interview mit Salvatore Cernuzio beantwortete der Erzbischof die folgenden Fragen.
Heute waren sie beim Papst und haben ihm das »Kleine Lexikon zum Lebensende« überreicht. Was hat Franziskus, der stets unterstreicht, dass das Leben in jeder Phase seiner Entwicklung geschützt werden muss, dazu gesagt?
Erzbischof Paglia: Papst Franziskus hat seiner Wertschätzung für die Arbeit der Päpstlichen Akademie für das Leben Ausdruck verliehen. Natürlich ist das Thema Lebensende komplex, doch die Kirche verfügt in dieser Hinsicht über ein reiches Lehramt, von Pius XII. bis zum heutigen Tag. Das Leben muss während der gesamten Spanne der Existenz verteidigt werden, nicht nur in bestimmten Momenten. Vor allem muss das Recht auf Leben verteidigt werden, insbesondere das Recht der Schwachen, um der »Kultur der Aussonderung« Widerstand zu leisten, die sich hinter der vorgeblichen Selbstständigkeit und Autonomie der Männer und Frauen der heutigen Zeit verbirgt.
Manche behaupten, dass es in diesem Vademecum eine Offenheit der kirchlichen Lehre für die Einstellung der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr gibt? Ist dem so?
Erzbischof Paglia: Ich erinnere daran, dass Pius XII. bereits 1956, wie im Lexikon erwähnt, die Zulässigkeit der Einstellung der Beatmung bei Vorliegen bestimmter schwerwiegender Bedingungen bekräftigt hat. Und auch die damalige Kongregation für die Glaubenslehre hat 2007 im Anschluss an die Befürwortung für den Einsatz dieser Mittel unterstrichen, dass es erlaubt ist, sie einzustellen (oder nicht zu beginnen), weil sie übermäßig belastend sind und weiteres körperliches Leid verursachen. Das sind zwei Kriterien, die zur Definition einer unangemessenen Behandlung gehören, das heißt einer Behandlung, die abzubrechen ist. Es ist eine Bewertung, die immer, soweit das möglich ist, die Einbeziehung des Kranken selbst erfordert. Man muss das ganze Lexikon lesen.
Ändert sich etwas hinsichtlich der Punkte Euthanasie und Sterbehilfe? Einige Medien haben die Ablehnung der Übertherapie am Lebensende in diese Richtung interpretiert …
Erzbischof Paglia: Die Kirche bekräftigt ihre absolute Ablehnung jeglicher Form von Euthanasie und Sterbehilfe. Und das ist auch meine Überzeugung, auch wenn manche mir etwas anders in den Mund legen. Aber die Kirche fordert uns auch auf, darüber nachzudenken, dass eine Therapie um jeden Preis kein Ausdruck einer Medizin und einer Pflege ist, die wirklich auf den kranken Menschen zugeschnitten ist und ihm zugutekommt. Der Tod ist leider eine Dimension des Lebens. Er ist unvermeidlich. Natürlich dürfen wir die Dauer des Lebens nicht verkürzen, aber wir sollten auch nicht darauf bestehen, seinen Verlauf mit allen Mitteln aufhalten zu wollen. Wir sind verletzlich. Deshalb müssen wir uns umeinander kümmern. Wir müssen viel mehr tun, als üblich ist, um Menschen in der letzten Phase ihres Lebens zu begleiten, weil wir wissen, dass für uns Gläubige der Tod nicht das letzte Wort hat!
Im Lexikon ist von »Vermittlungen auf Gesetzesebene« die Rede: Welche werden als akzeptabel angesehen?
Erzbischof Paglia: Es gibt keine »akzeptablen Vermittlungen« a priori. Sicherlich ist es in den grundlegenden und heiklen Fragen des Lebensendes wünschenswert, dass ein möglichst großer gemeinsamer Konsens erreicht wird und somit unterschiedliche Sensibilitäten und religiöse Überzeugungen in respektvoller Weise berücksichtigt werden. Dies ist die Aufgabe der Politik. Die Kirche kann im Hinblick auf das Gemeinwohl einer ganzen Gesellschaft mitwirken. Ihre Aufgabe ist die Gewissensbildung, nicht die Ausarbeitung von Gesetzen.
(Orig. ital. in O.R. 9.8.2024)