Papst Franziskus beantwortete in der Bibliothek des Apostolischen Palastes die Fragen seines Mitbruders P. Pedro Chia SJ, Leiter des Pressebüros der chinesischen Provinz der Gesellschaft Jesu. Das 15-minütige Interview veröffentlichte der Orden am 9. August in seinen sozialen Medien. Es fand bereits am 24. Mai statt, dem Gedenktag der Gottesmutter Maria, Hilfe der Christen – Patronin des Nationalheiligtums Unserer Lieben Frau von Sheshan in Shanghai – und seit 2007 Weltgebetstag für die Kirche in China. Genau dieses Heiligtum möchte der Papst besuchen, wie er im Interview sagt, in dem er auch von persönlichen Erinnerungen erzählt und Überlegungen für die Zukunft der Kirche anstellt.
In China würde er gerne mit den Ortsbischöfen zusammentreffen und dem »Volk Gottes« begegnen, »das so treu ist«. Das Volk sei treu geblieben, auch wenn es viel durchgemacht habe. Besonders mit Blick auf die jungen chinesischen Katholiken spricht der Papst von der Hoffnung, auch wenn es ihm »tautologisch« zu sein scheine, »einem Volk, das Meister in der Hoffnung ist, eine Botschaft der Hoffnung zu übermitteln«. Ebenso sei es »Meister der Geduld im Warten«, und das sei sehr schön. China sei »ein großes Volk«, das »sein Erbe nicht verschleudern darf«, sondern vielmehr »sein Erbe mit Geduld voranbringen« müsse, so Franziskus.
Im Lauf des Interviews spricht der Papst auch über sein Pontifikat und erklärt, dass es geprägt sei von der Zusammenarbeit, dem Hören und der Rücksprache mit den Leitern der Dikasterien und aller Mitarbeiter. »Kritik hilft immer, auch dann, wenn sie nicht konstruktiv ist«, präzisiert er, »denn sie ist immer nützlich, weil sie zum Nachdenken darüber führt, wie man handeln soll«. Und »hinter Widerstand kann sich auch eine gute Kritik verbergen«. Manchmal müsse man »warten und ertragen«, auch »mit Schmerz«, zum Beispiel wenn es Widerstand »gegen die Kirche« gebe, »wie es in diesem Moment von Seiten kleinerer Gruppen geschieht«. Aber Franziskus unterstreicht, dass »eine schwierige Zeit oder Momente der Betrübnis immer durch den Trost des Herrn abgelöst werden«.
Nach den Herausforderungen gefragt, die er als Papst erlebt habe, verweist Franziskus vor allem auf die »enorme Herausforderung« der Pandemie und auch auf die »aktuelle Herausforderung« des Krieges, besonders in der Ukraine, in Myanmar und im Nahen Osten. Er erläutert, dass er die Herausforderungen »immer mit dem Dialog« zu bewältigen versuche. »Und wenn das nicht geht, mit Geduld und auch mit Sinn für Humor«, wie es der heilige Thomas Morus lehre.
Auf persönlicher Ebene erinnert sich der Papst an einige »Krisen«, die er während seines Ordenslebens als Jesuit erlebt habe. Das sei normal, erklärt er, »sonst wäre ich nicht menschlich«. Aber Krisen würden auf zweierlei Weise überwunden: Sie werden durchlaufen und durchquert »wie ein Labyrinth«, aus dem man »oben« wieder herauskommt. Aber »man kommt nie allein heraus, sondern mit der Hilfe, durch die Begleitung von anderen«, denn »sich helfen zu lassen ist sehr wichtig«. Er selbst bitte den Herrn »um die Gnade, dass er mir vergibt, dass er Geduld mit mir hat«.
Der Papst ging auch auf die vier universalen Optionen der Jesuiten für das Apostolat ein, die 2019 für zehn Jahre festgelegt worden waren: Förderung von Exerzitien und ignatianischer »Unterscheidung der Geister“, an der Seite der Armen und Ausgegrenzten sein, Begleitung junger Menschen beim Aufbau einer hoffnungsvollen Zukunft und Sorge für das gemeinsame Haus. Dies seien vier »integrative« Prinzipien, die »nicht getrennt werden können«, bekräftigt Franziskus im Interview und weist darauf hin, dass Begleitung, Unterscheidung und missionarische Arbeit die Eckpfeiler der Gesellschaft Jesu seien.
Mit Blick auf die Zukunft der Kirche erinnert der Papst daran, dass sie nach Meinung mancher »immer kleiner« sein wird und sich davor hüten muss, »der Geißel des Klerikalismus und der geistlichen Weltlichkeit zu verfallen«, die nach den vom Papst zitierten Worten von Kardinal de Lubac »das schlimmste Übel darstellt, das die Kirche treffen kann, schlimmer noch als die Zeit im Konkubinat lebender Päpste«. Abschließend erinnert Franziskus denjenigen, der sein Nachfolger auf dem Thron Petri sein wird, an die Bedeutung des Gebets, denn »der Herr spricht im Gebet«.
(Orig. ital. in O.R. 9.8.2024)
Von Isabella Piro