Liebe Brüder und Schwestern der ACLI!
Ich freue mich, euch zu eurem 80-jährigen Bestehen begrüßen zu dürfen. Es ist eine lange und reiche Geschichte, die von eurem Einsatz und eurer Hingabe im Dienst an der Gemeinschaft zeugt. Mit achtzig Jahren seid ihr etwas jünger als ich, aber euer Weg ist sehr bedeutsam; und dieses Jubiläum ist eine gute Gelegenheit, eure Geschichte mit ihren Freuden und schwierigen Momenten Revue passieren zu lassen und Dankbarkeit auszudrücken. Gemeinsam mit euch danke ich dem Herrn, der euch auf eurem Weg begleitet und unterstützt hat und der auch so viele Menschen inspiriert hat, die durch die ACLI ihr Leben in den Dienst der Arbeitnehmer, der Rentner, der Jugendlichen, der Ausländer und so vieler Menschen, die sich in Not befinden, gestellt haben. Die ACLI ist ein Ort, an dem man »Heilige von nebenan« treffen kann, die nicht auf den Titelseiten der Zeitungen landen, aber manchmal tatsächlich etwas verändern, zum Besseren!
Gemeinsame Wege
der Integration
Diese Geschichte ist ein Erbe, aus dem wir die nötige Kraft schöpfen können, um mit Hoffnung und Entschlossenheit nach vorne zu blicken. In ihr finden wir die Werte, die eure Gründer inspirierten und welche Generationen von Mitgliedern der ACLI im Laufe der Jahre durch eine wichtige Präsenz in der Gesellschaft verkörpert haben. In diesem Zusammenhang möchte ich mich heute auf fünf Merkmale eures Ansatzes konzentrieren, die meiner Meinung nach für euren Weg grundlegend sind.
Das erste ist der volksnahe Ansatz. Es geht nicht nur darum, den Menschen nahe zu sein, sondern auch darum, Teil des Volkes zu sein und sich als Teil des Volkes zu fühlen. Es bedeutet, die täglichen Freuden und Herausforderungen der Gemeinschaft zu leben und zu teilen, von den Werten und der Weisheit der einfachen Menschen zu lernen. Ein volksnaher Ansatz setzt voraus, dass man erkennt, dass große soziale Projekte und dauerhafte Veränderungen von unten kommen, aus gemeinsamem Engagement und kollektiven Träumen. Aber das wahre Wesen des Volkes liegt in der Solidarität und dem Gefühl der Zugehörigkeit. Im Kontext einer fragmentierten Gesellschaft und einer individualistischen Kultur brauchen wir dringend Orte, an denen die Menschen dieses kreative und dynamische Zugehörigkeitsgefühl erleben können, das ihnen hilft, vom »Ich« zum »Wir« zu werden, gemeinsam Projekte für das Gemeinwohl zu entwickeln und Mittel und Wege zu finden, um sie zu verwirklichen. Das ist die Berufung eurer »Zirkel«: Türen zu öffnen und offen zu halten, Menschen aufzunehmen, ihnen zu ermöglichen, Bande der Solidarität und des Zugehörigkeitsgefühls zu knüpfen, sich gemeinsam auf einen Weg der Integration zu begeben, »eine Kultur der Begegnung in einer vielgestaltigen Harmonie« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 220) zu entwickeln.
Das zweite Merkmal: der synodale Stil. Die Zusammenarbeit, das Zusammenwirken für das Gemeinwohl ist von grundlegender Bedeutung. Dieser synodale Stil wird durch die Anwesenheit von Menschen bezeugt, die unterschiedlichen kulturellen, sozialen, politischen und sogar kirchlichen Erfahrungs-horizonten angehören und die heute hier mit euch da sind. Aber es ist auch ein Stil, der strukturell zu euch gehört, denn, wie euer Präsident bei seiner Vorstellung schrieb, seid ihr eine Gruppe von »vielgestaltigen und unruhigen« Vereinigungen. Das ist schön: Ihr seid vielgestaltig und unruhig, und das ist eine schöne Sache. Das ist schön: die Vielfalt und die Unruhe – im positiven Sinne –, die euch hilft, miteinander unterwegs zu sein und euch auch mit anderen Gruppen in der Gesellschaft zu vermischen, euch zu vernetzen und gemeinsame Projekte zu fördern. Ich bitte euch, dies mehr und mehr zu tun und auf die Schwachen in der Gesellschaft zu achten, damit niemand zurückbleibt.
Fürsprecher für
den Frieden
Das dritte Merkmal: ein demokratischer Stil. Die Loyalität zur Demokratie war immer ein Markenzeichen der ACLI. Wir brauchen sie heute so sehr. Demokratisch ist die Gesellschaft, in der es wirklich einen Platz für jeden gibt, in der Realität der Tatsachen und nicht nur in Erklärungen und auf dem Papier. Aus diesem Grund ist die Arbeit, die ihr leis-tet, so wichtig, vor allem, um diejenigen zu unterstützen, die Gefahr laufen, an den Rand gedrängt zu werden: junge Menschen, für die insbesondere Berufsbildungsinitiativen bestimmt sind; Frauen, die oft noch immer unter Formen der Diskriminierung und Ungleichheit leiden; die schwächsten Arbeitnehmer und Migranten, die in der ACLI jemanden finden, der in der Lage ist, ihnen zu helfen, die Durchsetzungen ihrer Rechte zu erlangen; und schließlich die älteren Menschen und Rentner, die nur allzu leicht von der Gesellschaft »ausrangiert« werden, und das ist ein Unrecht. Für diese Menschen leistet ihr einen wichtigen Dienst, der nicht nur im Bereich der Hilfestellung bleiben darf, sondern die Würde jedes Einzelnen und die Möglichkeit, dass jeder seine eigenen Ressourcen und seinen eigenen Beitrag einbringen kann, fördert.
Viertens: ein friedlicher Ansatz, das heißt, als Friedensstifter. In einer Welt, die durch so viele Kriege gezeichnet ist, teile ich euer Engagement und euer Gebet für den Frieden. Deshalb sage ich euch: Lasst die ACLI die Stimme einer Kultur des Friedens sein, ein Raum, in dem bekräftigt wird, dass Krieg niemals »unvermeidlich« ist, während Frieden immer möglich ist; und dass dies sowohl in den Beziehungen zwischen den Staaten als auch im Leben von Familien, Gemeinschaften und am Arbeitsplatz gilt. Kardinal Martini betonte bei einer Gebetswache für den Frieden die Fähigkeit zur »Fürsprache«, das heißt, sich zwischen die streitenden Parteien zu stellen, beiden die Hand auf die Schulter zu legen und das damit verbundene Risiko auf sich zu nehmen (Un grido di intercessione, 29. Januar 1991). Frieden stiftet derjenige, der es versteht, eine klare Position zu beziehen, gleichzeitig aber auch versucht, Brücken zu bauen, den verschiedenen Parteien zuzuhören und sie zu verstehen, um so den Dialog und die Versöhnung zu fördern. Die Fürsprache für den Frieden geht weit über den politischen Kompromiss hinaus, denn sie erfordert, dass man sich selbst einbringt und ein Risiko eingeht. Wir wissen, dass unsere Welt von Konflikten und Spaltungen geprägt ist, und euer Zeugnis als Friedensstifter, als Fürsprecher für den Frieden, ist notwendiger und wertvoller den je.
Schließlich ein christlicher Ansatz. Ich erwähne ihn zuletzt, nicht als Anhang, sondern weil er die Synthese und die Wurzel der anderen Aspekte ist, die wir diskutiert haben. Wohin können wir schauen, um zu verstehen, was es bedeutet, durch und durch Friedensstifter zu sein, wenn nicht zu Jesus, unserem Herrn? Wo können wir Inspiration und Kraft finden, um alle Menschen willkommen zu heißen, wenn nicht im Leben Jesu? Einen christlichen Ansatz zu verfolgen bedeutet also nicht nur, in unseren Versammlungen eine Zeit des Gebets einzuplanen: das ist gut, aber wir müssen mehr tun; einen christlichen Ansatz zu verfolgen bedeutet, in der Vertrautheit mit dem Herrn und im Geist des Evangeliums zu wachsen, damit er alles durchdringt, was wir tun, und unser Handeln den Stil Christi hat und ihn in der Welt präsent macht. Vor allem angesichts kultureller Erscheinungen, die die Schönheit der Menschenwürde zu zerstören und die Gesellschaft zu zerreißen drohen, lade ich euch ein, einen »neuen Traum der Geschwisterlichkeit und der sozialen Freundschaft« zu hegen, »der sich nicht auf Worte beschränkt « (Enzyklika Fratelli tutti, 6). Es handelt sich um den Traum des heiligen Franz von Assisi und so vieler anderer Heiliger, so vieler Christen, so vieler Gläubiger jeden Bekenntnisses. Brüder und Schwestern, möge es auch euer Traum sein!
Liebe Freunde der ACLI, ich danke euch für euer Engagement und fordere euch auf, es mutig weiterzuführen. Möge der Heilige Geist eure Arbeit weiterhin fruchtbar machen und euch in eurem Dienst an der Gemeinschaft leiten. Vorwärts mit Freude und in Hoffnung! Ich segne euch von Herzen. Bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Danke.
(Orig. ital. O. R. 1.6.2024)