· Vatikanstadt ·

Brief von Papst Franziskus aus Anlass des 80. Jahrestages des Gelübdes an die Gottesmutter Maria, »Salus Populi Romani«

Möge Maria für die ganze Menschheit die Gabe der Eintracht und des Friedens erlangen

 Möge Maria für die ganze Menschheit  die Gabe der Eintracht und des Friedens erlangen  TED-024
14. Juni 2024

An den lieben Bruder

Bischof Baldassare Reina

Stellvertreter des Kardinalvikars
der Diözese Rom

Im Geiste schließe ich mich der gesamten Diözesangemeinschaft an, die zum ersten Mal das liturgische Gedenken an die Jungfrau Maria unter dem Titel »Salus Populi Romani« begeht. Dabei erinnert sie auch an das Gelübde, mit dem die Bevölkerung Roms gemeinsam mit ihrem Hirten, Papst Pius XII., am 4. Juni 1944 die Gottesmutter um die Rettung der Stadt anflehte, als der Kampf zwischen der deutschen Armee und den anglo-amerikanischen Alliierten unmittelbar bevorstand.

Die Verehrung der alten Ikone, die in der Basilika Santa Maria Maggiore aufbewahrt wird, lebt seit Jahrhunderten in den Herzen der Römer. Sie wandten sich an sie mit Bittgebeten und Anrufungen vor allem bei Epidemien, Naturkatastrophen und Kriegen. Die wichtigsten Ereignisse des religiösen und zivilen Lebens Roms fanden vor diesem Bild ihren Widerhall. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich das römische Volk erneut Maria als »Salus Populi Romani« anvertrauen wollte, während die Ewige Stadt vor dem Albtraum einer Zerstörung durch die Nationalsozialis-ten stand.

Achtzig Jahre später möchte das Gedenken an dieses bedeutungsvolle Ereignis Anlass sein, für die Opfer des Zweiten Weltkrieg zu beten und erneut über die schreckliche Geißel des Krieges nachzudenken. Es gibt noch heute zu viele gewaltsame Konflikte in verschiedenen Teilen der Welt. Ich denke dabei insbesondere an die gemarterte Ukraine, an Palästina und Israel, an den Sudan und an Myanmar, wo die Waffen noch immer lärmen und immer weiter Menschenblut vergossen wird. Dies sind Tragödien mit zahllosen unschuldigen Opfern, deren Angstschreie und Leid das Gewissen aller anrühren muss: Wir können und dürfen der Logik der Waffen nicht nachgeben!

Zwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stellte Papst Paul VI. 1965 in einer Rede vor der UNO die Frage: »Wird die Welt jemals dazu kommen, die partikularistische und kriegerische Mentalität zu ändern, die bisher einen Großteil ihrer Geschichte bestimmt hat?« (4. Oktober 1965, AAS 57 [1965], 882). Diese Frage, die noch auf eine Antwort wartet, möge jeden anspornen, sich konkret für den Frieden in Europa und in der Welt einzusetzen. Der Friede ist ein Geschenk Gottes, das auch heute Herzen finden muss, die bereit sind, ihn anzunehmen und sich dafür einzusetzen, Stifter von Versöhnung und Zeugen der Hoffnung zu sein.

Ich hoffe, dass die Veranstaltungen zum Gedenken an das Gelübde des Volkes an die Mutter Gottes an den vier Orten, die für dieses Ereignis zentral waren, in den Römern die Entschlossenheit wecken möge, überall zu wahren Friedensstiftern zu werden und die Geschwisterlichkeit als wesentliche Voraussetzung für die Beilegung von Konflikten und Feindseligkeiten zu stärken. Ein Friedensstifter kann derjenige sein, der Frieden in sich trägt und sich mit Mut und Güte dafür einsetzt, Beziehungen zu knüpfen, Verbindungen zwischen den Menschen herzustellen, Spannungen in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Schule, unter Freunden auszugleichen. So verwirklicht er die Seligpreisung des Evangeliums: »Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden« (Mt 5,9).

Maria, die Mittlerin der Gnaden, die stets fürsorglich über alle ihre Kinder wacht, möge für die ganze Menschheit die Gabe der Eintracht und des Friedens erlangen. Der mütterlichen Fürsprache Marias , der »Salus Populi Romani«, vertraue ich alle Menschen in Rom an, besonders die Älteren, die Kranken, die Einsamen und die Menschen in Not. Sie, die Jungfrau der Zärtlichkeit und des Trostes, möge den Glauben, die Hoffnung und die Liebe stärken, um die Liebe und das Erbarmen Gottes in der Welt auszustrahlen. In diesem Sinne versichere ich euch meines Gebets und erteile euch von Herzen meinen Segen.

Rom, Sankt Johannes im Lateran,

4. Juni 2024

(Orig. ital. in O.R. 5.6.2024)