Am 4. Internationalen Chortreffen, das vom 7. bis 9. Juni im Vatikan stattfand, nahmen Chöre aus ganz Europa, sowie aus Mexiko, Guatemala, Angola, den Philippinen, Korea und China teil. Aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren laut Mitorganisator Riccardo Rossi etwa 100 Teilnehmer gekommen. Auf dem Programm standen Vorträge und Workshops zum Thema Chorleitung und Psalmengesang sowie ein Chorkonzert am Samstagabend in der vatikanischen Audienzhalle. Das Treffen endete am Sonntag mit einer heiligen Messe im Petersdom, der Kardinal Mauro Gambetti vorstand. Auch beim anschließenden Angelusgebet erwähnte der Papst das Chortreffen.
Guten Tag!
Habt ihr bemerkt, dass die Spontaneität von Kindern lauter spricht als die besten Reden? Sie sind so, sie drücken sich so aus, wie sie sind. Wir müssen uns um die Kinder kümmern, denn sie sind die Zukunft, sie sind die Hoffnung, aber sie geben auch Zeugnis für Spontaneität, Unschuld und Verheißung. Und aus diesem Grund hat Jesus immer gesagt, dass er die Kinder in seiner Nähe haben will. Als die Apostel sagten: »Geht weg!«, sagte er: »Nein, nein, lasst die Kinder kommen!« Die Kinder sind die Bevorzugten. Deshalb sagte Jesus: »Das Reich Gottes gehört denen, die wie Kinder sind.« Wir müssen von dieser Spontaneität lernen, die sie uns gezeigt haben. Und sie sind nicht wegen der Süßigkeiten gekommen – erst dann haben sie gemerkt, dass es Süßigkeiten gibt – sondern sie sind gekommen, weil sie gerne gekommen sind. So sind sie. Lasst uns die Lektion, die sie uns heute erteilt haben, nicht vergessen. Danke!
Ich heiße euch alle willkommen und danke vor allem Maestro Monsignore Marco Frisina; und ich danke Nova Opera für die Förderung dieser Initiative, die vierzig Jahre nach der Gründung des Chors der Diözese Rom stattfindet. Es ist ein Jubiläum, das euch alle ermutigt, den wertvollen Dienst fortzusetzen, den ihr in Rom und in vielen anderen Teilen der Welt leistet.
Euer Treffen, das nun schon zum vierten Mal stattfindet, bringt Pfarr- und Diözesanchöre, die Scholæ Cantorum, Chorensembles, Dirigenten und Musiker zusammen. Ihr seid in den Vatikan gekommen, um gemeinsam die Bedeutung der Musik im Dienst der Liturgie zu vertiefen; und es ist schön, euch hier zu sehen: Ihr kommt aus verschiedenen Orten, aber durch den Glauben und die Leidenschaft für die Musik seid ihr vereint, seid ihr ein starkes Zeichen der Einheit. Aus diesem Grund möchte ich eure Aufmerksamkeit auf drei wesentliche Aspekte eures Dienstes lenken, nämlich Harmonie, Gemeinschaft und Freude.
Schönheit und Poesie
Erstens, die Harmonie: Die Musik erzeugt Harmonie, indem sie alle erreicht, indem sie den Leidenden Trost spendet, den Entmutigten neuen Enthusiasmus verleiht und in allen Menschen wunderbare Werte wie Schönheit und Poesie aufblühen lässt, die das harmonische Licht Gottes widerspiegeln. Die Kunst der Musik verfügt in der Tat über eine universale und unmittelbare Sprache, die keine Übersetzungen oder große begriffliche Erklärungen benötigt. Einfache wie gelehrte Menschen können sich an ihr erfreuen, wobei die einen diesen und die anderen jenen Aspekt mehr oder weniger tief erfassen, aber alle aus demselben Reichtum schöpfen. Darüber hinaus erzieht die Musik zum Zuhören, zur Aufmerksamkeit und zum Studium, sie erhebt die Gefühle, die Emotionen und die Gedanken (vgl. Eph 4,4-8) und führt so die Menschen aus dem Wirbel der Hektik, des Lärms und einer rein materiellen Sicht des Lebens heraus und hilft ihnen, sich selbst und ihre Umgebung tiefgründiger zu betrachten. Sie verleiht denjenigen, die sie pflegen, einen weisen und ruhigen Blick, mit dem sich Spaltungen und Gegensätze leichter überwinden lassen, damit man – wie die Instrumente eines Orchesters oder die Stimmen eines Chors – zum Einklang findet, damit man falscher Töne gewahr wird und Dissonanzen korrigieren kann, die für die Dynamik von Kompositionen doch auch nützlich sind, sofern sie in ein geschicktes harmonisches Gefüge eingebunden sind.
Zweitens, die Gemeinschaft. Im Chor singt man gemeinsam, nicht allein. Und auch das sagt uns etwas über die Kirche und die Welt, in der wir leben. Unser gemeinsames Unterwegssein kann nämlich mit der Aufführung eines großen »Konzerts« verglichen werden, an dem jeder mit seinen eigenen Fähigkeiten teilnimmt und seinen Beitrag leistet, indem er seinen »Part« spielt oder singt und so seine Einzigartigkeit, von der Symphonie der Gemeinschaft bereichert, neu findet. In einem Chor und einem Orchester ist jeder auf den anderen angewiesen, und das Gelingen der Darbietung aller hängt vom Engagement jedes einzelnen ab, davon, dass jeder seiner Aufgabe so gut wie möglich gerecht wird, die anderen respektiert und auf sie hört, ohne Geltungsdrang, in Einklang. Genau wie in der Kirche und im Leben, wo ein jeder dazu gerufen ist, seinen Teil zum Wohl der ganzen Gemeinschaft beizutragen, so dass sich in der ganzen Welt ein Loblied zu Gott erhebt (vgl. Ps 47,2).
Hüter eines Schatzes
Schließlich, drittens, die Freude. Ihr seid Hüter eines jahrhundertealten Schatzes an Kunst, Schönheit und Spiritualität. Lasst nicht zu, dass die Mentalität der Welt diesen Schatz mit Eigeninteresse, Ehrgeiz, Eifersucht und Spaltung verunreinigt; all diese Dinge können sich, wie ihr wisst, in das Leben eines Chors wie auch einer Gemeinschaft einschleichen, so dass sie nicht Orte der Freude, sondern traurig und unerträglich sind, bis sie sich schließlich auflösen. Es wird euch stattdessen guttun, den spirituellen Ton eurer Berufung hoch zu halten: mit dem Gebet und der Betrachtung des Wortes Gottes, indem ihr nicht nur mit eurer Stimme, sondern auch mit eurem Verstand und eurem Herzen an den Gottesdiensten teilnehmt, die ihr gestaltet, und deren Gehalt Tag für Tag begeistert lebt, damit eure Musik mehr und mehr eine freudige Erhebung des Herzens zu Gott wird, der mit seiner Liebe alles anzieht, erleuchtet und verwandelt (vgl. 1 Kor 13,1-13). So werdet ihr die Aufforderung des heiligen Augustinus verwirklichen: »Lasst uns den Herrn loben, Brüder, mit unserem Leben und mit unserer Zunge, mit unserem Herzen und mit unseren Lippen, mit unserer Stimme und mit unserem Betragen« (Predigt 256).
Liebe Brüder und Schwestern, ich danke euch für euer Kommen und vor allem für euren Dienst zugunsten des Gebets der Kirche und der Evangelisierung. Ich begleite euch mit meinem Segen. Und ich bitte euch, beim Singen für mich zu beten. Danke!