Liebe Schwestern und Brüder,
guten Tag!
Danke, Frau Direktorin, für Ihren Empfang und Ihren Sinn für Humor! Ein Lachen tut so viel Gutes. Ich danke euch allen für die Herzlichkeit, die Freude und die Zuneigung, die ihr mir entgegenbringt. Mein Gruß gilt auch allen, die in dieser Einrichtung arbeiten: dem Wachpersonal, den Pädagogen, dem Gesundheitspersonal, dem Verwaltungspersonal und den Freiwilligen. Ich möchte auch all diejenigen grüßen, die von den Fenstern aus zusehen: Grüße an euch alle! Ich wollte euch wirklich treffen, alle zusammen.
Sehnsucht nach Vergebung
Für mich ist das Betreten eines Gefängnisses immer ein wichtiger Moment, denn das Gefängnis ist ein Ort großer Menschlichkeit. Ja, es ist ein Ort großer Menschlichkeit. Von einer Menschlichkeit, die von Schwierigkeiten, Schuldgefühlen, Urteilen, Missverständnissen und Leiden geplagt ist, die aber gleichzeitig voller Kraft ist, voller Sehnsucht nach Vergebung, voller Sehnsucht nach Erlösung, wie Duarte in seiner Rede sagte.
Und in dieser Menschheit, hier, in euch allen, in uns allen, ist heute das Antlitz Christi gegenwärtig, das Antlitz des Gottes der Barmherzigkeit und der Vergebung. Vergesst das nicht: Gott vergibt alles und vergibt immer, in dieser Menschheit, hier, in euch allen. Dieses Gefühl, auf den Gott der Barmherzigkeit zu schauen.
Wir kennen die Situation der Gefängnisse, die oft überfüllt sind – auch in meinem Heimatland –, mit den daraus resultierenden Spannungen und Nöten. Deshalb möchte ich euch sagen, dass ich euch nahe bin, und ich erneuere meinen Appell, vor allem an diejenigen, die in diesem Bereich handeln können, sich weiterhin für die Verbesserung des Lebens in den Gefängnissen einzusetzen. Einmal hat mir eine Dame, die in Gefängnissen arbeitete und ein gutes Verhältnis zu den Insassen hatte – es war allerdings ein Frauengefängnis –, eine Familienmutter, sehr menschlich die Dame, erzählt, dass sie eine Heilige verehrt. »Aber welche Heilige?« – »Die Heilige Pforte« – »Warum?« – »Sie ist die Tür der Hoffnung«. Und ihr alle müsst auf diese Tür der Hoffnung schauen. Es gibt kein menschliches Leben ohne Perspektive. Bitte verliert nicht die Perspektiven, die ihr hinter dieser Tür der Hoffnung sehen werdet.
Aus der Berichtserstattung über euer Institut erfuhr ich mit Schmerzen, dass sich hier leider in letzter Zeit einige Menschen mit einer extremen Geste das Leben genommen haben. Dies ist eine traurige Tat, die nur aus unerträglicher Verzweiflung und Trauer stammen kann. Deshalb möchte ich die Familien und euch alle im Gebet begleiten und euch einladen, nicht in Verzweiflung zu verfallen, sondern die Pforte als Tür der Hoffnung zu sehen. Das Leben ist immer lebenswert, immer!, und es gibt immer Hoffnung für die Zukunft, auch wenn alles zu verblassen scheint. Unsere Existenz, die eines jeden von uns, ist wichtig – wir sind kein Abfallprodukt, die Existenz ist wichtig –, sie ist ein einzigartiges Geschenk für uns und für die anderen, für alle und vor allem für Gott, der uns nie im Stich lässt sondern es versteht, uns zuzuhören, sich mit uns zu freuen und zu weinen und immer zu verzeihen. Mit ihm an unserer Seite, mit dem Herrn an unserer Seite, können wir die Verzweiflung überwinden. Und, wie die Direktorin sagte, Gott ist einer: Unsere Kulturen haben uns gelehrt, ihn mal bei einem Namen, mal bei einem anderen zu nennen und ihn auf unterschiedliche Weise zu finden, aber er ist für uns alle derselbe Vater. Er ist einer. Und alle Religionen, alle Kulturen betrachten den einen Gott auf unterschiedliche Weise. Er lässt uns nie im Stich. Mit ihm an unserer Seite können wir die Verzweiflung überwinden und jeden Augenblick als günstigen Zeitpunkt für einen Neuanfang erleben. Neu anfangen. Es gibt ein wunderschönes Lied aus dem Piemont, das ich versuchen werde, ins Italienische zu übersetzen, das so geht – die Gebirgsjäger singen es –: »In der Kunst des Aufstiegs kommt es nicht darauf an, nicht zu fallen, sondern nicht liegen zu bleiben.« Und uns allen, die wir in diesem Gefängnis arbeiten, auch als Freiwillige, den Familienangehörigen, uns allen, sage ich eines: Man darf nur ein einziges Mal auf einen Menschen herabschauen: um ihm beim Aufstehen zu helfen.
Erneuerung und Befreiung
Verschließen wir uns also in den schlimms-ten Zeiten nicht in uns selbst: Sprechen wir mit Gott über unseren Schmerz und helfen wir uns gegenseitig, ihn zu tragen, unter Weggefährten und mit guten Menschen an unserer Seite. Es ist keine Schwäche, um Hilfe zu bitten, nein: tun wir es mit Demut und Vertrauen und Menschlichkeit. Wir alle brauchen einander, und wir alle haben ein Recht auf Hoffnung, über jede Erfahrung und jeden Fehler oder jedes Scheitern hinaus. Die Hoffnung ist ein Recht, sie enttäuscht uns nie. Niemals.
In wenigen Monaten beginnt das Heilige Jahr: ein Jahr der Umkehr, der Erneuerung und der Befreiung für die ganze Kirche; ein Jahr der Barmherzigkeit, in dem wir den Ballast der Vergangenheit ablegen und die Be-geisterung für die Zukunft erneuern; ein Jahr, in dem wir die Möglichkeit des Wandels feierlich begehen, um wirklich wir selbst zu sein und, wo nötig, zu uns selbst zurückzukehren und das Beste zu geben. Möge auch dies ein Zeichen sein, das uns hilft, wieder aufzustehen und jeden Tag unseres Lebens mit Zuversicht in die Hand zu nehmen.
Liebe Freundinnen und Freunde, ich danke euch für dieses Treffen. Ich sage euch die Wahrheit: Es tut mir gut. Ihr tut mir gut, ich danke euch. Lasst uns weiter gemeinsam gehen, denn die Liebe verbindet uns über alle Arten der Entfernungen hinweg. Ich denke an euch in meinen Gebeten und ich bitte euch, auch für mich zu beten: für, nicht gegen mich! Bitte betet für mich. Und vergesst nicht: »In der Kunst des Aufstiegs kommt es darauf an, nicht zu fallen, sondern nicht liegen zu bleiben.« Danke.