Liebe Freunde, guten Tag
und willkommen!
Ich begrüße den Intendanten, den Generaldirektor, die Mitglieder des Verwaltungsrats, die Programmdirektoren, Journalisten, Mitarbeiter, Künstler, Techniker und eure Familien. Es ist schön, dass ihr hier seid als große Gemeinschaft. Ich freue mich, heute mit euch zusammenzutreffen und wünsche euch alles Gute zum Jubiläum!
70 Jahre Fernsehen, 100 Jahre Radio: ein doppeltes Jubiläum, das euch einerseits einlädt, auf eure Geschichte zurückzublicken, die eng mit der italienischen Geschichte verbunden ist. Andererseits fordert es euch heraus, nach vorne zu blicken, in die Zukunft, auf die erst noch aufzubauenden Rolle, die ihr haben werdet in einer Zeit, wo jedes Leben immer mehr mit den anderen verbunden ist, und dies global. Darüber hinaus befinden wir uns im Vatikan, und viele von euch kennen diese Orte sehr gut, weil die RAI die Schritte des Nachfolgers Petri von Beginn an immer aus der Nähe begleitet hat.
Sie war allerdings in all diesen Jahren nicht nur Zeugin der Wandlungsprozesse unserer Gesellschaft, sondern hat sie zum Teil auch selbst mitgetragen, und zwar als Protagonistin. Denn die Medien beeinflussen unsere Identität, im Guten wie im Schlechten. Und hier liegt die Bedeutung des öffentlichen Dienstes, den ihr ausübt. Daher möchte ich mit euch genau über diese beiden Worte nachdenken – Dienst und öffentlich –, weil sie sehr gut die Grundlage eures Auftrags beschreiben: Kommunikation als Gabe für die Gemeinschaft.
Beitrag zum Gemeinwohl
Das erste Wort, das ich eingehender behandeln möchte, ist: Dienst. Es ist ein Wort, das wir oft auf seine instrumentelle Bedeutung beschränken und dann Dienen mit Sich-Bedienen, Hingabe und Einsatz mit Benützen verwechseln.
Eure Arbeit dagegen möchte vor allem eine Antwort auf die Bedürfnisse der Bürger sein, im Geist universaler Offenheit, mit einer Vorgehensweise, die sich vor Ort auszudrücken weiß, ohne rein lokalen Interessen zum Opfer zu fallen, und die dabei die Würde jedes Menschen respektiert und fördert; ein Beitrag zur Wahrheit und zum Gemeinwohl, der in den Bereichen Information, Unterhaltung, Kultur und Technologie konkrete Auswirkungen hat.
Im Bereich der Information bedeutet »Dienen« im Wesentlichen, die Wahrheit, und zwar die ganze Wahrheit, zu suchen und zu unterstützen, zum Beispiel durch die Bekämpfung der Verbreitung von Fake News und des listigen Planes derjenigen, die versuchen, die öffentliche Meinung ideologisch zu beeinflussen, indem sie lügen und den sozialen Zusammenhalt schwächen. Es gibt nur eine einzige Wahrheit und sie ist harmonisch, man kann sie nicht durch Eigeninteressen spalten.
Dienen bedeutet, irreführende Vereinfachung zu vermeiden, im Bewusstsein, dass die Wahrheit »sinfonisch« ist und man sie besser erkennt, wenn man lernt, die Verschiedenheit der Stimmen zu hören wie in einem Chor, statt dass man immer nur laut die eigenen Vorstellungen verkündet. Dies wollte ich betonen.
Dienst bedeutet auch, dem Recht der Bürger auf korrekte Information zu dienen, die ohne Vorurteile weitergegeben wird, ohne vorschnelle Schlüsse zu ziehen, sondern indem man sich vielmehr die nötige Zeit nimmt, um zu verstehen und nachzudenken, und indem man die »kognitive Verschmutzung« bekämpft, denn auch Information muss »ökologisch« sein.
Dienen bedeutet schließlich, einen Pluralismus sicherzustellen, der die unterschiedlichen Meinungen und Quellen respektiert, denn – wie bereits der heilige Johannes Paul II. sagte – »die Wahrheit kann […] auch dann, wenn sie erlangt wird – und das geschieht immer auf eine begrenzte und vervollkommnungsfähige Weise –, niemals aufgezwungen werden«. Die Wahrheit wird vorgelegt, aber niemals aufgezwungen. »Die Achtung vor dem Gewissen des anderen, in dem sich das Abbild Gottes selbst widerspiegelt (vgl. Gen 1, 26-27), gestattet nur, die Wahrheit dem anderen vorzulegen; an ihm liegt es dann, sie verantwortungsvoll anzunehmen« (Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 2002). Daher fordere ich euch auf, den Dialog zu pflegen und dabei Netzwerke der Einheit zu knüpfen. Und um den Dialog zu pflegen, muss man zuhören. Sehr oft sehen wir, dass das Zuhören dazu dient, dass ich mir meine Antwort zurechtlege, aber das ist kein echtes Zuhören, wenn ich an meine Meinung danke, ohne die der anderen aufzunehmen.
Euer öffentlicher Dienst betrifft aber nicht nur die Information. Der Pluralismus betrifft auch die Ausdrucksformen der Kommunikation. Ich denke an Kino, Spielfilme, TV-Serien, die Kultur- und Unterhaltungsprogramme, die Sportberichterstattung, die Kinderprogramme. In dieser Hinsicht ist es in unserer an Technik reichen, aber an Menschlichkeit zuweilen armen Gesellschaft wichtig, die Suche nach Schönheit zu unterstützen, Dynamiken der Solidarität ins Leben zu rufen, die Freiheit zu schützen, sich einzusetzen, damit die künstlerischen Ausdrucksformen jedem helfen mögen, sich aufzurichten, nachzudenken, sich zu begeis-tern, gerührt zu lächeln und auch zu weinen, um im Leben einen Sinn, eine Perspektive des Guten, eine Bedeutung zu finden, die nicht darin bestehen kann, sich mit dem Schlimmsten abzufinden.
Ethische Regulierung
Was Technik und Technologie angeht, gibt es zahlreiche Fragen und Probleme, die uns herausfordern. Besonders heutzutage »ist es notwendig, präventiv zu handeln und Möglichkeiten für eine ethische Regulierung vorzuschlagen, um die schädlichen und diskriminierenden oder sozial ungerechten Auswirkungen von Systemen künstlicher Intelligenz einzudämmen und um zu verhindern, dass sie zur Verringerung von Pluralismus, zur Polarisierung der öffentlichen Meinung oder zur Herausbildung eines Einheitsdenkens eingesetzt werden« (Botschaft zum 58. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, 24. Januar 2024).
All dies bezog sich auf den Dienst. Kommen wir nun zum zweiten Wort: öffentlich. Es unterstreicht vor allem, dass eure Arbeit mit dem Gemeinwohl aller und nicht nur einiger in Verbindung steht. Das umfasst an erster Stelle den Einsatz, besonders die Letzten, die Ärmsten, diejenigen, die keine Stimme haben und ausgegrenzt werden, zu berücksichtigen und ihnen eine Stimme zu geben.
Es impliziert darüber hinaus die Berufung, ein Mittel zum Wachsen in Bezug auf das Wissen zu sein, zum Nachdenken zu bringen und nicht zur Entfremdung zu führen, neue Blickwinkel auf die Realität zu eröffnen und nicht Blasen selbstgenügsamer Gleichgültigkeit zu nähren, die Jugendlichen zu lehren, groß zu träumen, mit offenem Geist und offenen Augen. Dieses Wort mag uns erschrecken: träumen. Niemals dürfen wir die Fähigkeit des Träumens verlieren, große Dinge zu erträumen!
In dieser Hinsicht muss das gesamte Mediensystem weltweit herausgefordert und angeregt werden, aus sich selbst herauszugehen und sich zu hinterfragen, um weiter, darüber hinaus zu blicken. Und das ist eine Verantwortung, der ihr euch nicht entziehen könnt, wenn ihr das hohe Niveau der Kommunikation beibehalten wollt. Man darf nicht den Quoten auf Kosten des Inhalts hinterherlaufen. Vielmehr geht es darum, durch euer Angebot einen verbreiteten Qualitätsanspruch aufzubauen. Im Übrigen kann die gerade als Dialog zum Wohl aller verstandene Kommunikation in der heutigen Zeit eine grundlegende Rolle auch dabei spielen, lebensnotwendige soziale Werte wie Staatsbürgerschaft und Partizipation wiederherzustellen.
Liebe Brüder und Schwestern, die RAI kommt jeden Tag in viele oder praktisch alle italienischen Häuser, und es ist schön an ihre Gegenwart nicht wie an einen »Lehrstuhl der Alleswisser« zu denken, sondern wie an eine Gruppe von Freunden, die an die Tür klopfen, um eine Überraschung zu bereiten – vergesst das nicht: echte Kommunikation ist immer eine Überraschung, sie überrascht dich: du erwartest etwas und sie überrascht dich –, um Gesellschaft anzubieten, um Freud und Leid zu teilen, um in Familie und Gesellschaft Einheit und Versöhnung, Zuhören und Dialog zu fördern, um zu informieren und auch um zuzuhören, mit Respekt und Demut. Ich ermutige euch, diesen Weg zu gehen, er ist schön!
Ich rufe den Segen Gottes auf euch herab und vertraue einen jeden der mütterlichen Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria an. Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Danke!
Nach dem Segen sagte der Papst: Früher benutzten die Päpste den Tragsessel, die »Sedia gestatoria«. Heute gibt es einen Fortschritt und ich benutze diesen [Rollstuhl], der sehr praktisch ist!
(Orig. ital. in O.R. 23.3.2024)