Liebe Freunde,
ich danke euch für die Möglichkeit, gerade zum Ende des Ramadan ein Wort an euch zu richten. In diesem Jahr gibt es das glückliche Zusammentreffen, dass der islamische heilige Monat wenige Tage nach dem Osterfest endet, dem wichtigsten Fest der Christen.
Doch dieses freudige Ereignis, das uns dazu veranlasst, unsere Augen zum Himmel zu erheben und den »barmherzigen und allmächtigen« Herrn anzubeten (Nostra aetate, 3), steht in starkem Kontrast zur Traurigkeit über das Blutvergießen in den gesegneten Ländern des Nahen Ostens.
Brüder und Schwestern, unser Vater Abraham richtete den Blick zum Himmel, um die Sterne zu betrachten: das Licht des Lebens, das uns von der Höhe her einhüllt und umfängt, verlangt von uns, dass wir die Nacht des Hasses überwinden, damit dem Willen des Schöpfers gemäß die Sterne die Erde erhellen mögen, und es nicht die von den Waffen verheerte, brennende Erde ist, die den Himmel erglühen lässt!
Gott ist Friede und er will den Frieden. Wer an ihn glaubt, muss den Krieg ablehnen, der die Konflikte nicht löst, sondern sie vergrößert. Ich werde nicht müde zu wiederholen, dass der Krieg immer und nur eine Niederlage ist: Er ist ein Weg ohne Ziel, eröffnet keine Perspektiven, sondern löscht die Hoffnung aus.
Ich bin sehr besorgt über den kriegerischen Konflikt in Palästina und Israel: Es möge einen sofortigen Waffenstillstand im Gaza-Streifen geben, wo sich eine humanitäre Katastrophe abspielt! Mögen die Hilfslieferungen die Bevölkerung Palästinas erreichen, die so sehr leidet! Die im Oktober verschleppten Geiseln sollen freigelassen werden! Und ich denke an das gemarterte Syrien, den Libanon, den gesamten Nahen Osten: Lassen wir es nicht zu, dass die Flammen der Rachsucht auflodern, angeheizt von den unheilvollen Winden des Wettrüstens! Lassen wir nicht zu, dass der Krieg sich ausweitet! Widersetzen wir uns der Starrheit des Bösen!
Ich denke an die Familien, die Jugendlichen, die arbeitende Bevölkerung, die älteren Menschen, die Kinder: Ich bin sicher, dass in ihren Herzen, in den Herzen der einfachen Menschen, ein tiefer Wunsch nach Frieden herrscht. Und dass sie angesichts der sich ausbreitenden Gewalt mit Tränen in den Augen nur ein Wort sagen: »Es reicht!« Es reicht, sage auch ich denen, die die schwere Verantwortung tragen, die Nationen zu regieren: Genug, hört auf! Bitte lasst die Waffen schweigen und denkt an die Kinder, an alle Kinder, so wie an eure eigenen Kinder. Lasst uns alle die Zukunft mit den Augen der Kinder sehen. Sie fragen nicht, wer der Feind ist, den es zu vernichten gilt, sondern wer die Freunde sind, mit denen sie spielen können; sie brauchen Häuser, Parks und Schulen, keine Gräber und Schützengräben!
Freunde, ich glaube, dass Wüsten erblühen können, in der Natur, aber auch in den Herzen der Menschen und im Leben der Völker. Aber aus den Wüsten des Hasses werden nur dann Keime der Hoffnung sprießen, wenn wir es verstehen, gemeinsam zu wachsen, einer an der Seite des anderen; wenn wir die Glaubensüberzeugungen der anderen zu respektieren verstehen; wenn wir das Exis-tenzrecht jedes Volkes und das Recht jedes Volkes, einen Staat zu haben, anerkennen; wenn wir es verstehen, in Frieden zu leben, ohne jemanden zu dämonisieren. Daran glaube und darauf hoffe ich, und mit mir die Christen, die inmitten vieler Schwierigkeiten im Nahen Osten leben: Ich umarme und ermutige sie und bitte darum, dass sie immer und überall das Recht und die Möglichkeit haben, frei ihren Glauben zu bekennen, der von Frieden und Geschwisterlichkeit spricht.
Ich danke euch, dass ihr mir zugehört habt. Ich grüße euch mit Zuneigung und versichere euch, dass ich den Nahen Osten in meinem Herzen trage. Jedem von euch entbiete ich meine guten Wünsche und den Segen des Allerhöchsten. Shukran! [Danke!]
Aus dem Vatikan, am 12. April 2024
(Orig. ital. in O.R. 13.4.2024)