Auch die Welt der Kommunikation hätte eine »Fastenzeit« nötig, in der man überprüft, was im täglichen Leben falsch läuft, und sich auf einen Prozess der Umkehr einlässt. Kein leichtes Unterfangen. Die heutige westliche Welt ist so sehr von Kommunikation durchdrungen, dass es scheint, dass alles nur Kommunikation ist und nur existiert, insofern es Kommunikation ist. So als müsste alles kommuniziert werden, einfach aus dem Grund, weil mit den aktuellen »Geräten« alles kommuniziert werden kann.
Angesichts all dessen kann die Fastenzeit mit ihrer Botschaft, die sich aus Bildern und Gesten wie Wüste, Fasten, Schweigen zusammensetzt, wirklich eine äußerst wertvolle Chance sein. Der französische Philosoph Gilles Deleuze ist der Meinung: »Uns fehlt es nicht an Kommunikation, im Gegenteil: wir haben zu viel davon, uns fehlt Schöpferisches. Uns fehlt es an Widerstand gegenüber der Gegenwart.« Oder: »Die Dummheit war noch nie stumm oder blind. Das Problem besteht nicht darin, die Leute zum Reden zu bringen, sondern ihnen leere Zwischenräume von Einsamkeit und Schweigen zu verschaffen, von wo aus sie endlich etwas zu sagen hätten. Die Mächte der Unterdrückung hindern die Leute nicht am Reden, im Gegenteil: sie zwingen sie dazu. Wohltat, nichts zu sagen zu haben, Recht, nichts zu sagen zu haben – denn nur so kann sich etwas Rares oder Seltenes bilden, das ein wenig verdiente, gesagt zu werden.«
Deleuze hatte Recht. Es fehlt uns das Schöpferische. Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Die Übersättigung mit Kommunikation verhindert, dass sich die Seele der Kommunikation, nämlich die Kreativität, entfalten kann. Der französische Denker sieht eine enge Verbindung zwischen Kreativität und Einsamkeit, Stille. Und er stellt sich die Rückgewinnung dieser beiden Dimensionen als einen Akt des »Widerstands« vor, als eine Erlösung von der Tyrannei der »Gegenwart«. Wir sind zu sehr gefangen in den Umständen und Gegebenheiten, in dem, was zu tun ist, und unsere Agenda besteht nur daraus, »Dinge zu tun«. Vielleicht sollten wir sie ab und zu weglegen, die Agenda, und versuchen, in diesen »Zwischenräumen« zu bleiben und zuzuhören. Stille und Einsamkeit, das könnte der Weg zu einer fruchtbaren Fas-tenzeit für die Welt der Kommunikation sein. Denselben Rat gab einer der größten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, der vor genau hundert Jahren, am 3. Juni 1924, verstarb, Franz Kafka. Er schrieb: »Es ist nicht notwendig, dass Du aus dem Haus gehst. Bleib bei Deinem Tisch und horche. Horche nicht einmal, warte nur. Warte nicht einmal, sei völlig still und allein. Anbieten wird sich Dir die Welt zur Entlarvung, sie kann nicht anders, verzückt wird sie sich vor Dir winden.«
Wenn die Provokation des Prager Schriftstellers die Wahrheit trifft, dann muss die Beziehung zwischen den in der Kommunikation Tätigen und der Welt neu überdacht werden, um die Frage zu stellen: Welche Mentalität inspiriert diejenigen, die in der Kommunikation arbeiten? Eine »extraktive« Mentalität, die Welt als Studienobjekt, als Leiche auf dem Anatomietisch, als Tatort, der untersucht und morbide durchstöbert werden muss? Oder als ein Ort, der von Subjekten, von Menschen, bevölkert ist, die mit einer zu respektierenden Würde ausgestattet sind, ein lebendiger Ort, ein lebendiger Organismus, dem vor allem zugehört werden muss, möglichst mit Liebe?
Von Andrea Monda