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Elf Jahre Pontifikat von Papst Franziskus: Ein Weg der Barmherzigkeit und des Friedens

Mit Petrus, immer

 Mit Petrus, immer  TED-012
22. März 2024

Ohrenbetäubende Stille der Diplomatie. Ein Panorama, in dem politische Initiativen und Führungspersönlichkeiten fehlen, die auf den Frieden setzen. Ein irrsinniger Rüstungswettlauf, bei dem für
hochentwickelte Instrumente des Todes Summen aufgewendet werden, die zweimal ausreichen würden, um jedem Bewohner
der Erde eine medizinische Grundversorgung zu bieten und die Treibhausgas-Emissionen deutlich zu reduzieren. Das ist das Szenario, in dem die einsame Stimme von Papst Franziskus dafür plädiert, die Waffen zum Schweigen zu bringen und den Mut zu haben, Wege des Friedens einzuschlagen.

Er ruft zu einem Waffenstillstand im Heiligen Land auf, wo auf das entsetzliche Massaker der Hamas-Terroristen vom 7. Oktober das tragische Blutbad im Gazastreifen folgte, das noch immer andauert. Er ruft zu einem Schweigen der Waffen in dem tragischen Konflikt auf, der im Herzen des christlichen Europas ausgebrochen ist, in der von den russischen Aggressoren zerstörten und verwüs-teten Ukraine. Er ruft zum Frieden in anderen Teilen der Welt auf, wo vergessene Konflikte mit unsäglicher Gewalt ausgetragen werden, die immer größer werdende Teile eines Weltkonflikts bilden.

Der Bischof von Rom tritt in das zwölfte Jahr seines Pontifikats in einer dunklen Stunde ein, in der das Schicksal der Menschheit in der Hand von Machthabern liegt, die unfähig sind, die Folgen ihrer Entscheidungen abzuschätzen und die sich in die vermeintliche Unvermeidlichkeit des Krieges schicken. Mit Klarheit und Realismus sagt er, dass »derjenige stärker ist, der die Situation sieht, der an die Menschen denkt«, das heißt, »der den Mut hat zu verhandeln«, denn »verhandeln ist ein mutiges Wort«, dessen man sich nicht schämen muss. Papst Franziskus stellt trotz aller Missverständnisse in nah und fern weiterhin die Unantastbarkeit des Lebens in den Mittelpunkt, er ist den unschuldigen Opfern nahe und prangert die schmutzigen Wirtschaftsinteressen an, die in den Kriegen die Fäden ziehen.

Prophetische Stimme

Ein kurzer Blick auf die letzten elf Jahre lässt den prophetischen Wert der Stimme von Petrus erkennen. Die seit Jahren geäußerte Warnung vor einem dritten Weltkrieg in Stücken. Die Sozialenzyklika Laudato si’ (2015), die aufzeigte, dass Klimawandel, Migration, Kriege und eine Wirtschaft, die tötet, miteinander verbundene Phänomene sind und nur global, umfassend angegangen werden können. Die große Enzyklika über die Geschwisterlichkeit unter den Menschen (Fratelli tutti, 2020), die den Weg zum Aufbau einer neuen Welt auf der Grundlage der Geschwisterlichkeit aufzeigt. Und dann der ständige Hinweis in seinem Lehramt auf die Barmherzigkeit.

Barmherzigkeit in der
flüssigen Gesellschaft

In säkularisierten und »flüssigen« Gesellschaften, in denen es keine Gewissheiten mehr gibt, muss die Evangelisierung – so lehrt Franziskus – wieder beim Wesentlichen beginnen, wie wir in seinem programmatischen Schreiben Evangelii gaudium (2013) lesen: »Wir haben von neuem entdeckt, dass auch in der Katechese die Erstverkündigung bzw. das ›Kerygma‹, eine wesentliche Rolle spielt. Es muss die Mitte der Evangelisie-rungstätigkeit und jedes Bemühens um kirchliche Erneuerung bilden. […] Die zentrale Stellung des Kerygmas fordert für die Verkündigung Merkmale, die heute überall notwendig sind: Sie muss die erlösende Liebe Gottes zum Ausdruck bringen, die jeder moralischen und religiösen Pflicht vorausgeht, sie darf die Wahrheit nicht aufzwingen und muss an die Freiheit appellieren, sie muss freudig, anspornend und lebendig sein und eine harmonische Gesamtsicht bieten, in der die Predigt nicht auf ein paar Lehren manchmal mehr philosophischen als evangeliumsgemäßen Charakters verkürzt wird. Von dem, der evangelisiert, werden demnach bestimmte Haltungen verlangt, die die Annahme der Verkündigung erleichtern: Nähe, Bereitschaft zum Dialog, Geduld, herzliches Entgegenkommen, das nicht verurteilt.«

Das Zeugnis der Barmherzigkeit ist ein grundlegendes Element der erlösenden Liebe Gottes; wer noch nicht mit dem christlichen Faktum in Berührung gekommen ist, der wird sich – wie Benedikt XVI. im Mai 2010 treffend festgestellt hat – von der Bekräftigung moralischer Normen und Pflichten, dem Beharren auf Verboten, akribischen Sündenlisten, Verurteilungen oder nostalgischen Appellen an die Werte von einst kaum beeindrucken und faszinieren lassen.

Am Ursprung des Willkommens, der Nähe, der Zärtlichkeit, der Begleitung, am Ursprung einer christlichen Gemeinschaft, die fähig ist, zu umarmen und zuzuhören, steht die Barmherzigkeit, die man selbst erfahren hat und die man trotz aller Einschränkungen und Fehler anderen weitergeben will. Wenn man die Gesten des Papstes durch diese Brille betrachtet (selbst jene Gesten, die bei einigen die gleichen empörten Reaktionen hervorrufen wie die Gesten Jesu vor zweitausend Jahren), dann entdeckt man ihre tiefe evangelisierende und missionarische Kraft.

Von Andrea Tornielli