· Vatikanstadt ·

Generalaudienz auf dem Petersplatz am 6. März

Demut ist das wahre Heilmittel gegen Stolz

 Demut ist das wahre Heilmittel gegen Stolz  TED-011
15. März 2024

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

Auf unserem Weg der Katechese über die Laster und Tugenden kommen wir heute zum letzten der Laster: zum Stolz. Die alten Griechen definierten es mit einem Wort, das man mit »übermäßiger Glanz« übersetzen könnte. Tatsächlich ist der Stolz Selbstherrlichkeit, Anmaßung, Eitelkeit. Der Begriff erscheint auch in jener Reihe der Laster, die Jesus aufzählt, um zu erklären, dass das Böse immer aus dem Herzen des Menschen kommt (vgl. Mk 7,22). Der Hochmütige ist jemand, der meint, viel mehr zu sein, als er in Wirklichkeit ist; jemand, der begierig danach strebt, als größer als die anderen anerkannt zu werden, der immer die eigenen Verdienste anerkannt sehen will und die anderen verachtet und geringschätzt.

Anhand dieser ersten Beschreibung sehen wir, dass das Laster des Stolzes dem der Ruhmsucht sehr nahe ist, das wir beim letzten Mal vorgestellt haben. Wenn die Ruhmsucht jedoch eine Krankheit des menschlichen Ichs ist, so ist sie noch eine Kinderkrankheit im Vergleich zu der Verunstaltung, zu der der Stolz fähig ist. Bei der Untersuchung der Torheiten des Menschen erkannten die Mönche der Antike eine gewisse Ordnung in der Abfolge der Übel: Man beginnt bei den oberflächlicheren Sünden, wie etwa der Unmäßigkeit, um dann bei den furchterregenderen Ungeheuern zu landen. Von allen Lastern ist der Stolz die Königin. Nicht zufällig stellt Dante sie in der Göttlichen Komödie auf die erste Terrasse des Fegefeuers: Wer diesem Laster nachgibt, ist Gott fern, und die Läuterung von diesem Übel erfordert Zeit und Mühe, mehr als jeder andere Kampf, zu dem der Christ berufen ist.

In Wirklichkeit verbirgt sich in diesem Übel die Ursünde, der absurde Anspruch, wie Gott zu sein. Die Sünde unserer Stammeltern, von der das Buch Genesis berichtet, ist in jeder Hinsicht eine Sünde des Stolzes. Ihr Versucher sagt: »Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse« (Gen 3,5). Die geistlichen Schriftsteller achten mehr darauf, die Auswirkungen des Stolzes im täglichen Leben zu beschreiben, zu erläutern, wie er die zwischenmenschlichen Beziehungen zerstört, hervorzuheben, wie dieses Übel das Gefühl der Geschwisterlichkeit vergiftet, das eigentlich alle Menschen vereinen sollte.

Das also ist die lange Liste der Symptome, die offenbaren, dass ein Mensch dem Las-ter des Stolzes nachgegeben hat. Es ist ein Übel mit einem deutlichen physischen Aspekt: Der Stolze ist hochnäsig, er ist »hartnäckig«, hat also einen starren Hals, der sich nicht beugen lässt. Er ist ein Mensch, der leicht verächtlich richtet: Für Nichtigkeiten fällt er unwiderrufliche Urteile über die anderen, die ihm hoffnungslos untauglich und unfähig erscheinen. In seiner Vermessenheit vergisst er, dass Jesus uns in den Evangelien sehr wenige moralische Vorschriften gegeben hat, sich aber bei einer als unnachgiebig erwiesen hat: nie zu richten. Du merkst, dass du es mit einem Hochmütigen zu tun hast, wenn er, falls man ihm eine kleine konstruktive Kritik oder eine völlig harmlose Bemerkung entgegenbringt, übertrieben reagiert, so als hätte jemand seine Majestät beleidigt: Er wird wü-tend, schreit, bricht beleidigt die Beziehungen zu den anderen ab.

Man kann mit einem an Stolz erkrankten Menschen wenig machen. Es ist unmöglich, mit ihm zu sprechen, und man kann ihn schon gar nicht zurechtweisen, denn im Grunde ist er nicht mehr bei Sinnen. Mit ihm muss man nur Geduld haben, denn eines Tages wird sein Gebäude zusammenbrechen. Ein italienisches Sprichwort sagt: »Der Hochmut reitet zu Pferd aus uns kommt zu Fuß zurück.« In den Evangelien hat Jesus es mit vielen hochmütigen Menschen zu tun, und oft hat er dieses Laster auch bei Menschen aufgedeckt, die es sehr gut versteckt haben. Petrus rühmt sich vor anderen seiner unerschütterlichen Treue: »Und wenn alle dich verlassen – ich nicht!« (vgl. Mt 26,33). Schnell wird er jedoch die Erfahrung machen, dass er so ist wie die anderen, dass auch er den Tod fürchtet, den er nicht so nahe wähnte. Und so wird der zweite Petrus, jener, der nicht mehr das Kinn erhebt, sondern bittere Tränen weint, von Jesus geheilt und endlich tauglich sein, die Last der Kirche zu tragen. Zuerst kehrte er eine Anmaßung hervor, der er sich besser nicht gerühmt hätte; jetzt ist er dagegen ein treuer Jünger, den der Herr, wie es in einem Gleichnis heißt, »über sein ganzes Vermögen einsetzen« kann (Lk 12,44).

Die Erlösung kommt durch die Demut, das wahre Heilmittel gegen jeden Akt des Stolzes. Im Magnifikat preist Maria Gott, der mit seiner Macht die Hochmütigen in den kranken Gedanken ihres Herzens zerstreut. Es ist nutzlos, Gott etwas zu rauben, wie die Stolzen es zu tun hoffen, denn letztlich will er uns alles schenken. Darum schreibt der Apos-tel Jakobus seiner Gemeinde, die verletzt ist von inneren Kämpfen, die aus dem Stolz hervorgehen: »Gott tritt den Stolzen entgegen, den Demütigen aber schenkt er Gnade« (Jak 4,6).

Liebe Brüder und Schwestern, machen wir uns also diese Fastenzeit zunutze, um gegen unseren Stolz zu kämpfen.

(Orig. ital. in O.R. 6.3.2024)