Die Erklärung »Fiducia supplicans«, die vom Dikasterium für die Glaubenslehre im vergangenen Dezember veröffentlicht wurde, ändert bekanntlich und von vielen hervorgehoben nichts an der traditionellen Ehelehre, die den Trauungssegen nur für einen Mann und eine Frau vorsieht, die heiraten. Was durch das Dokument – das die Möglichkeit einfacher spontaner Segnungen auch für irreguläre oder gleichgeschlechtliche Paare zulässt, ohne dass dies bedeutet, ihre Verbindung zu segnen oder ihre Lebensführung zu billigen – vertieft wird, ist vielmehr die Art der Segnungen. »Fiducia supplicans« unterscheidet nämlich zwischen liturgischen oder rituellen sowie spontanen oder pastoralen Segnungen. Was die liturgischen Segnungen betrifft, so gibt es zwei Möglichkeiten, sie zu verstehen. Da ist zunächst ein weitgefasstes Verständnis, nach dem jedes Gebet eines geweihten Amts-trägers als »liturgisch« betrachtet wird, auch wenn es ohne rituelle Form und ohne einen offiziellen Text gesprochen wird. Und dann gibt es andererseits ein engeres Verständnis, demzufolge ein Gebet oder eine Anrufung über Menschen nur dann »liturgisch« ist, wenn es »rituell« verrichtet wird, genauer gesagt, wenn es auf einem von der kirchlichen Autorität approbierten Text beruht.
Einige der Kritiker, die die jüngste Erklärung in Frage gestellt haben, sehen nur die weitergefasste Bedeutung für zulässig an und halten daher die Unterscheidung zwischen »rituellen« und »liturgischen« Gebeten oder Segnungen und »pastoralen« und »spontanen« Gebeten oder Segnungen nicht für akzeptabel. Unter ihnen wenden einige ein, dass auch die Liturgie eine pastorale Bedeutung hat. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass »Fiducia supplicans« dem Wort »pastoral« einen besonderen Sinn gibt, nämlich den Sinn einer besonderen Fürsorge für die Begleitung derer, denen der Segen gespendet wird – nach dem Bild des »guten Hirten«, der nicht eher ruht, als bis er alle gefunden hat, die sich verirrt haben. Andere argumentieren, dass alle Gebete »liturgisch« seien und daher alle den für die Liturgie der Kirche geltenden Kriterien unterliegen würden. Auf diesen Einwand ging Papst Franziskus selbst in seiner Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Dikasteriums für die Glaubenslehre am 26. Januar ein, in der er davon sprach, dass für den Empfang solcher pastoralen oder spontanen Segnungen »außerhalb jedes liturgischen Kontextes und jeder liturgischen Form« »keine moralische Vollkommenheit vorausgesetzt wird«. Die Worte des Papstes bestätigen somit die Orientierung an dem engeren Verständnis der liturgischen Segnungen.
Ein wichtiger Präzedenzfall bezüglich der Unterscheidung zwischen dem, was liturgisch ist und was nicht, findet sich in einer Instruktion aus dem Jahr 2000, die von der damaligen Kongregation für die Glaubenslehre veröffentlicht, von Kardinal Joseph Ratzinger unterzeichnet und von Johannes Paul II. gebilligt wurde.
Das Thema dieser Instruktion sind Gebete, um durch Gott Heilung zu empfangen. In Punkt zwei des ersten Teils des Dokuments wird daran erinnert, dass es »im Benediktionale des Rituale Romanum einen Ordo benedictionis infirmorum gibt, der verschiedene euchologische Texte beinhaltet, in denen um Heilung gebetet wird«. Im letzten Teil der Instruktion, der den Disziplinären Bestimmungen gewidmet ist, findet sich dann ein Artikel (2), in dem es heißt: »Heilungsgebete gelten als liturgische Gebete, wenn sie in den Büchern enthalten sind, die von der zuständigen Autorität der Kirche approbiert sind; andernfalls handelt es sich um nicht liturgische Gebete.«
Es wird also anerkannt, dass es liturgische oder rituelle Heilungsgebete gibt, und andere, die das nicht sind, die aber rechtmäßig erlaubt sind. Im folgenden Abschnitt wird daran erinnert, dass »liturgische Heilungsgebete nach dem vorgeschriebenen Ritus und mit liturgischen Gewändern gefeiert [werden], die im Ordo benedictionis infirmorum des Rituale Romanum angegeben sind«. Diese Zitate aus dem von Ratzinger unterzeichneten und von Papst Wojtyla gebilligten Text zeigen, dass die Bedeutung des Begriffs »liturgisch«, der in »Fiducia supplicans« verwendet wird, um andere rituelle Segnungen als die pastoralen Segnungen zu definieren, sicherlich eine Entwicklung darstellt, die jedoch im Einklang mit dem Lehramt der letzten Jahrzehnte steht.
Es gibt auch noch weitere Unterscheidungen zwischen den Segnungen: Einige stellen Weihen da, oder die Besiegelung des sich vom Brautpaar gespendeten Sakraments (im Falle des Trauungssegens); andere sind Bittgebete, die zu Gott aufsteigen; wieder andere (im Falle der Exorzismen) sollen das Böse abwenden. »Fiducia supplicans« stellt wiederholt klar, dass die Erteilung eines pastoralen oder spontanen Segens – ohne jedes hochzeitsähnliche Element – für ein »irreguläres« Paar, das sich einem Priester oder Diakon nähert, in keiner Weise eine Form der Zustimmung zu der Verbindung zwischen den beiden darstellt und darstellen kann. Ein solcher Segen kann, so heißt es in dem Dokument, weder als »sittliche Legitimierung einer Verbindung, die sich als Ehe ausgibt«, noch »einer außerehelichen sexuellen Praktik« angesehen werden. Vielmehr handelt es sich um eine Bitte an Gott, die Saatkörner des Guten in die von ihm gewünschte Richtung wachsen zu lassen.
(Orig. ital. in O.R. 27.2.24)
Andrea Tornielli,
Dikasterium für die Kommunikation