Audienz für die Delegation der Internationalen Föderation Katholischer Universitäten

Gemeinsame Suche nach Sinn und Wahrheit

 Gemeinsame Suche nach Sinn und Wahrheit  TED-010
08. März 2024

Eminenz,

Exzellenzen,

liebe Brüder und Schwestern!

Ich hätte eine lange Ansprache vorzulesen, aber ich habe etwas Probleme beim Atmen; diese Erkältung ist immer noch nicht weg! Ich nehme mir die Freiheit, euch den Text zu überreichen, damit ihr ihn lesen könnt. Und danke, vielen Dank. Danke: Ich möchte für diese Begegnung danken, für das Gute, das die Universitäten, unsere katholischen Universitäten tun: die Wissenschaft, das Wort Gottes und den wahren Humanismus säen. Ich danke euch sehr. Und werdet nicht müde, voranzugehen: immer voran, mit der so schönen Sendung der katholischen Universitäten. Es ist nicht die Konfessionszugehörigkeit, die ihnen Identität verleiht. Das ist ein Aspekt, aber nicht der einzige; vielleicht ist es jener klare Humanismus, jener Humanismus, der verstehen lässt, dass der Mensch Werte hat und dass diese respektiert werden müssen: Vielleicht ist das das Schönste und Größte eurer Universitäten. Vielen Dank.

Im Folgenden der Text der schriftlich überreichten Ansprache:

Es ist mir eine Freude, mich der Feier des 100. Jahrestages der Gründung der Internationalen Föderation der Katholischen Universitäten (FIUC) anzuschließen. Ein Weg von hundert Jahren ist Grund zu viel Dankbarkeit! Ich begrüße und danke Kardinal José Tolentino de Mendonça sowie Frau Professor Gil, die Präsidentin der Föderation.

Pius XI. war es, der die erste Vereinigung von 18 katholischen Universitäten gesegnet hat, im Jahr 1924. Und ein viel späteres Dekret der damaligen Kongregation für die Seminare und die Universitäten sagt – ich zitiere –, dass »sie sich zusammentaten, damit die Rektoren derselben […] häufiger gemeinsam Sorge tragen für Anliegen […], die zugunsten ihres hehren Ziels zusammen gefördert werden müssen« (29. Juni 1948). 25 Jahre später errichtete der Ehrwürdige Diener Gottes Pius XII. die Föderation der Katholischen Universitäten.

Aus diesen »Wurzeln« gehen zwei Aspekte hervor, die ich hervorheben möchte: Der ers-te ist die Aufforderung, vernetzt zu arbeiten. Heute gibt es in der Welt fast zweitausend katholische Universitäten. Stellen wir uns die Möglichkeiten vor, die eine leistungsfähigere und aktivere Zusammenarbeit entwickeln könnte, wenn man das katholische Universitätssystem stärkt. In einer Zeit großer Zersplitterung müssen wir den Mut besitzen, gegen den Strom zu schwimmen, indem wir Hoffnung, Einheit und Eintracht globalisieren anstelle von Gleichgültigkeit, Polarisierungen und Konflikten. Der zweite Aspekt ist die Tatsache, dass die Föderation – wie Pius XII. schrieb – »nach dem schrecklichsten aller Kriege« errichtet wird, als Mittel, das »zur Versöhnung und zur Herausbildung des Friedens und der Liebe unter den Menschen« beiträgt (Apostolisches Schreiben Catholicas studiorum Universitates, 27. Juli 1949). Leider feiern wir dieses 100. Jubiläum erneut in einem Kriegsszenario, dem dritten Weltkrieg in Stücken. Es ist daher grundlegend, dass die katholischen Universitäten Protagonistinnen im Aufbau der Kultur des Friedens sind, in ihren vielfältigen Dimensionen, denen interdisziplinär begegnet werden muss.

In der »Magna Carta« der katholischen Universitäten, der Apostolischen Konstitution Ex corde Ecclesiae, beginnt der heilige Johannes Paul II. mit der recht überraschenden Aussage, dass die katholische Universität »aus dem Herzen der Kirche« hervorgeht
(Nr. 1). Vielleicht wäre es vorhersehbarer gewesen, wenn er gesagt hätte, dass sie der christlichen Intelligenz entspringt. Aber der Papst gibt dem Herzen den Vorrang: »ex corde Ecclesiae«. Tatsächlich kann die katholische Universität als »eines der besten Mittel, das die Kirche der heutigen Zeit anzubieten hat« (ebd., 10) nicht anders als Ausdruck jener Liebe sein, die alles Handeln der Kirche beseelt, also der Liebe Gottes zum Menschen.

In einer Zeit, in der auch die Bildung leider zu einem »Business« wird und große wirtschaftliche Fonds ohne Gesicht in Schulen und Universitäten investieren, wie man es an der Börse macht, müssen die Einrichtungen der Kirche zeigen, dass sie ein anderes Wesen haben und sich nach einer anderen Logik bewegen. Ein Bildungsprogramm gründet nicht nur auf einer perfekten Planung, auf einer leistungsstarken Ausrüstung mit Hilfsmitteln oder auf einer guten Unternehmensverwaltung. In der Universität muss eine größere Leidenschaft pulsieren, muss man eine gemeinsame Suche nach der Wahrheit erkennen, einen Sinnhorizont, und alles gelebt in einer Wissensgemeinschaft, wo man die Großherzigkeit der Liebe sozusagen mit Händen greifen kann.

Die Philosophin Hannah Arendt, die den Liebesbegriff beim heiligen Augustinus tiefgehend untersucht hat, hebt hervor, dass jener große Meis-ter die Liebe mit dem Wort »appetitus« umschrieb, verstanden als Neigung, Verlangen, Streben-Nach. Darum sage ich euch: Verliert nicht den Appetit! Bewahrt die Intensität der ersten Liebe! Die katholischen Universitäten dürfen das Verlangen nicht durch Funktionalismus oder Bürokratie ersetzen. Es genügt nicht, akademische Titel zu verleihen: In jedem Menschen muss der Wunsch nach dem Sein erweckt und bewahrt werden. Es genügt nicht, konkurrenzfähige Laufbahnen zu formen: Es ist notwendig, die Entdeckung fruchtbarer Berufungen zu fördern, Wege authentischen Lebens zu inspirieren und den Beitrag eines jeden in die kreativen Dynamiken der Gemeinschaft einzubinden. Gewiss muss man an die künstliche Intelligenz denken, aber auch an die geistliche Intelligenz, ohne die der Mensch sich selbst fremd bleibt. Die Universität ist eine zu wichtige Ressource, um nur »zeitgemäß« zu leben und die Verantwortung, die die großen menschlichen Nöte und die Träume der jungen Menschen darstellen, aufzuschieben.

Ich möchte gerne eine Fabel in Erinnerung rufen, die der Schriftsteller Franz Kafka, der vor hundert Jahren gestorben ist, erzählt hat. Die Protagonistin ist eine kleine Maus, die Angst hat vor der Weite der Welt und einen bequemen Schutz zwischen zwei Mauern sucht, eine rechts und eine links. An einem gewissen Punkt merkt sie jedoch, dass die Mauern beginnen, aufeinander zuzulaufen, und sie erdrückt zu werden droht. Daher beginnt sie zu laufen, aber hinten sieht sie eine Mausefalle, die auf sie wartet. Da hört sie den Rat der Katze, die zu ihr sagt: »Du musst nur die Laufrichtung ändern.« Verzweifelt schenkt sie der Katze Gehör, die sie frisst.

Wir können die Organisation unserer Universitäten nicht der Angst anvertrauen; und leider kommt das häufiger vor als man denkt. Die Versuchung, sich hinter Mauern zu verschließen, in einer sicheren gesellschaftlichen Blase, kulturelle Risiken oder Herausforderungen zu vermeiden und der Komplexität der Wirklichkeit den Rücken zuzuwenden, kann als der verlässlichste Weg erscheinen. Das ist reine Illusion! Die Angst frisst die Seele auf. Umgebt die Universität nie mit Mauern der Angst. Lasst nicht zu, dass eine katholische Universität sich darauf beschränkt, die typischen Mauern der Gesellschaften, in denen wir leben, nachzubilden: die Mauern der Ungleichheit, der Entmenschlichung, der Intoleranz und der Gleichgültigkeit, vieler Modelle, die darauf abzielen, den Individualismus zu stärken, und nicht in die Geschwis-terlichkeit investieren.

Eine Universität, die sich hinter Mauern der Angst verschanzt, kann ein renommiertes, anerkanntes und angesehenes Niveau erreichen und die ersten Plätze in den Rang-listen der akademischen Arbeit belegen. Aber wie der Denker Miguel de Unamuno sagte, »das Wissen um des Wissens willen: Das ist unmenschlich«. Wir müssen uns immer fragen: Wozu dient unsere Wissenschaft? Welches Veränderungspotential hat die Erkenntnis, die wir hervorbringen? Was oder wem stehen wir zu Diensten? Die Neutralität ist eine Illusion. Eine katholische Universität muss Entscheidungen treffen: Entscheidungen, die das Evangelium widerspiegeln. Sie muss Stellung beziehen und es mit ihrem Handeln zeigen, klar und deutlich; »sich die Hände schmutzig machen«, wie es dem Evangelium entspricht, im Wandel der Welt und im Dienst des Menschen.

Vor einer so qualifizierten Versammlung, die aus Großkanzlern, Rektoren und anderen akademischen Autoritäten besteht, möchte ich für alles danken, was die katholischen Universitäten bereits tun. Wie viel Einsatz und Neuerung, wie viel Intelligenz und Studium legt ihr in das, was die dreifache Sendung der Universität ist: die Lehre, die Forschung und die Rückgabe an die Gemeinschaft! Ja, ich möchte euch wirklich danken. Aber ich möchte auch um eure Hilfe bitten. Ja, ich bitte euch, der Kirche in diesem Augenblick der Geschichte zu helfen, die tiefs-ten menschlichen Bestrebungen mit der
Intelligenz, die euch erfüllt, und der »Hoffnung, die euch erfüllt« (vgl.
1 Petr 3,15) zu erleuchten; der Kirche zu helfen, furchtlos Dialoge über die großen Themen der Gegenwart zu führen. Helft uns, den Reichtum der christlichen Inspiration kulturell in eine Sprache zu übertragen, die offen ist für die neuen Generationen und die neuen Zeiten; die neuen Horizonte des Denkens, der Wissenschaft und der Technologie zu erkennen und sie mit Ausgewogenheit und Weisheit zu bewohnen. Helft uns, intergenerationale und interkulturelle Bündnisse aufzubauen in der Sorge um das gemeinsame Haus, in einer ganzheitlichen ökologischen Sichtweise, die eine reale Antwort auf den Schrei der Erde und auf den Schrei der Armen gibt.

Liebe Freunde der FIUC, in vielen Kapellen eurer Universitäten befindet sich ein Bild der Gottesmutter »Sedes Sapientiae«. Ich lade euch ein, sie mit Liebe zu betrachten und den Blick fest auf sie geheftet zu halten. Was ist das Geheimnis Unserer Lieben Frau von der Weisheit? Es besteht darin, Jesus zu bringen, der die Weisheit Gottes ist und uns die Kriterien bietet, jede Weisheit aufzubauen. Haltet den Blick fest auf das Herz Mariens gerichtet; auf dass sie euch, eure akademischen Gemeinschaften und eure Pläne begleiten möge. Ich segne euch von Herzen. Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten.

(Orig. ital. in O.R. 19.1.2024)