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Ausstellung »Escher und Italien« im Palazzo Bonaparte in Rom

Der Zeichner des Unmöglichen

 Der Zeichner des Unmöglichen  TED-009
23. Februar 2024

Die zentrale Piazza Venezia in Italiens Hauptstadt ist für die Römer derzeit ein rotes Tuch. Der bedeutende Verkehrsknotenpunkt ist zu einer Riesenbaustelle geworden mit Umleitungen und langen Auto- sowie Bus-Warteschlangen, dazwischen Fußgängermassen auf Umwegen. Hier wird Zukunft gebaut, nämlich die U-Bahn-Haltestelle, die dann die Touristen aus der Tiefe gleich in die nächste Nähe des Forum Romanum und des Kolosseums befördern und nach der Besichtigungstour schnellstens auf unterirdischen Wegen wieder zurück in ihre Hotels und Pensionen bringen soll. Weil das Bau-Chaos aber acht bis zehn Jahre dauern wird, ist der Ärger groß. Doch es gibt einen Lichtblick, und zwar einen Kunstleckerbissen. An der Piazza Venezia 5 läuft bis 1. April die wunderschöne Ausstellung »Escher«, mit rund 300 Werken eine der größten Schauen, die es je von dem niederländischen Grafiker Maurits Cornelis Escher (1898-1972) gegeben hat. Vor gut 100 Jahren hatte er sich für zwölf Jahre in Italien niedergelassen, das ist der aktuelle Anlass.

Zukunft zu Lebzeiten

Escher ist Bauingenieurssohn, schon das verbindet ihn mit dem Baubetrieb draußen vor der Tür seiner Ausstellung. Sie findet im Palazzo Bonaparte aus dem 17. Jahrhundert auf zwei Etagen statt. Escher, der sein Architekturstudium abgebrochen hatte, schuf eigentlich Zukunft zu Lebzeiten. Als Künstler blieb er lange eher unverstanden. Umso mehr bewunderten Wissenschaftler und vor allem Mathematiker seine sauberen exakten Arbeiten. Escher schuf vor allem Grafik und brachte dies in den Techniken des Holzschnitts, des Holzstichs und der Lithographie zur Perfektion.

Schon früh schätzten Mathematiker, wie sich der Niederländer auf intuitive und sinnliche Weise mathematischen Themen annäherte und Problemstellungen der Wissenschaft illustrierte. Der »Zeichner des Unmöglichen« wurde er auch genannt, weil er optische Täuschungen, perspektivische Unmöglichkeiten und multistabile Wahrnehmungs-phänomene darzustellen wusste. Bei ihm werden Vögel zu Fischen, gehen Treppen ins Unendliche. Es gibt auch Hände, die sich gegenseitig zeichnen. Die Ausstellung zeigt auch eine Nachbildung seines Ateliers in Baarn in den Niederlanden, mit den originalen Geräten, mit denen Escher seine Werke herstellte.

Die römische Ausstellung, viel besucht von jüngeren Leuten, versucht auch mitzuteilen, wie Eschers Werke von Italien beeinflusst und geprägt wurden. Sie ist aber chronologisch aufgebaut. Zu Beginn sein Werdegang als Student der Schule für Architektur und Dekorative Kunst in Haarlem. Sein Lehrer Samuel Jessurun de Mesquita (1944 in Auschwitz ermordet worden), war Mitglied der holländischen Bewegung »Art Nouveau«. Er ermuntert Escher, Grafiker zu werden. Seine ersten Arbeiten sind im Stil dieser Kunstbewegung. Von 1922 bis 1935 bereist er Italien, zeichnet Monumente, Landschaften, Flora und Fauna, die er im Atelier in Grafik-Arbeiten verwandelt. Bis 1935 bleibt er in Italien, besucht auch Kunstgeschichte-Vorlesungen in der römischen Universität, um die antike Kunst besser zu verstehen. Er interessiert sich aber auch für zeitgenössische Künstler wie Balla und tritt ein in eine römische Gravierer-Gruppe, die ihm die erste Einzelausstellung verschafft. Im Palazzo Bonaparte sind seine zwölf Holzschnitte zum Thema »das nächtliche Rom« von 1934 zu sehen. Auch sein Wohn- und Arbeitsbereich in der Via Poerio im Stadtteil Monteverde Vecchio ist einbezogen. Dort zeichnete Escher eines seiner bekanntesten Bilder, ein Selbstbildnis mit Glaskugel. In der Spiegelung sieht man einen sehr korrekt gekleideten Herrn mit Bart in seinem Atelier.

Viele Grafiken sind ferner Spiegelbild der Landschaften Süd-italiens, die er wiederholt bereiste. »In Italien lebte Escher wahrscheinlich seine glücklichsten Jahre, hier heiratete er und gründete eine Familie, sammelte aber auch die ersten beruflichen Erfolge«, so wird in der Schau herausgestellt. Seine Frau Jette, eine Schweizerin, hat er 1925 in einem in Rom ausgestellten Holzschnitt-Porträt verewigt. Auch nach seiner späteren Hinwendung zum Abstrakten sind in seinen Bildkompositionen immer wieder Hinweise auf Italien-Landschaften zu finden.

Geometrische Muster

1935 siedelt Escher infolge des immer repressiver auftretenden Mussolini-Regimes zunächst in die Schweiz über, später nach Belgien und dann zurück in die Niederlande. Doch zuvor widmet ihm das Historische Niederländische Institut in Rom noch eine letzte Ausstellung. Der Osservatore Romano kommentierte damals dazu geradezu schwärmerisch: »Tatsächlich ist Escher für diejenigen, die in der römischen Kunstszene zuhause sind, kein Unbekannter. Wer kennt nicht den großen blonden holländischen Maler, der die Sonne mit den Augen trinkt… Da er in Italien lebt, ist er nicht mehr der phantastische und doch analytische Holländer, der er war, als er Bücher mit nordischen Sagen illustrierte.«

1936 erneut ein Aufenthalt in Granada in Spanien, wo sich Escher intensiv mit den Dekors der berühmten mittelalterlichen Stadtburg Alhambra im maurischen Stil befasst. Seine Frau Jetta und er studieren sorgfältig die geschnitzten Decken und Fliesen, die von Künstlern mehr als siebenhundert Jahre früher kreiert worden waren. Die Eschers fertigen Kopien der hellen Keramikfliesen an den Wänden und der Holzmuster an den Decken an.

Der Grafiker bringt sich selbst bei, wie man sie nachmacht. Indem er lernt, diese traditionelle islamische Kunst zu kopieren, findet er für sich einen neuen, ganz eigenen Stil. Jetzt zeichnet er fast nur noch abstrakte Szenen. Zum Beispiel die Naturbilder, die er in seiner Jugend gemalt hatte, kombiniert er jetzt mit geometrischen Mustern. Das Bild einer italienischen Landschaft verwandelt sich in Würfel, dann in Sechsecke, die sich in ein Mosaik verwandeln. Das alles ohne Leerräume, mit unzähligen geometrischen Figuren, die sich aneinanderreihen, auch mit Tiermotiven, die sich stetig verwandeln. Gleich mehrere Sektionen der Ausstellung sind diesen Themen gewidmet. Ausgestellt ist auch der Holzschnitt »Metamorphose II« (1939 bis 40), eines seiner Meisterwerke, »Tag und Nacht« (1938) und die äußerst komplizierte Lithographie »Relativität« aus dem Jahre 1953.

Die Ausstellung »Escher« in Rom im Palast Bonaparte, Piazza Venezia 5, dauert bis
5. Mai. Öffnungszeiten montags bis donnerstags von 9 bis 19.30 Uhr, freitags bis sonntags bis 21 Uhr. Die Kasse schließt eine Stunde früher. Eintrittspreis 16 Euro.

Von Christa Langen-Peduto