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Zur Heiligsprechung von Mama Antula

Eine »unbezwingbare« Frau und Argentiniens geistliche Mutter

 Eine »unbezwingbare« Frau und Argentiniens geistliche    Mutter   TED-007
16. Februar 2024

Gegen Ende der Kolonialzeit trat in Argentinien eine Laiin in Erscheinung, die ihr Leben einer ungewöhnlichen Aufgabe widmete: das Werk der Jesuiten weiterzuführen. Denn in einer dunklen Nacht des Jahres 1767 waren die Mitglieder der Gesellschaft Jesu mit Gewalt aus Südamerika vertrieben worden, aus den Missionen in Santiago del Estero und Córdoba im Vizekönigreich Peru, wie Verbrecher angekettet und auf wackeligen Karren ins Exil gebracht. Die mündliche Überlieferung erzählt, dass Maria Antonia de Paz y Figueroa Augenzeugin dieser gewaltsamen Festnahmen war, durchgeführt von den Soldaten der spanischen Krone auf Befehl von König Karl III. Ein Priester des Jesuitenordens soll ihr in diesem dramatischen Augenblick seinen schwarzen Umhang gegeben haben, Erkennungszeichen des vom heiligen Ignatius gegründeten Ordens. Diese symbolische Geste der »Investitur« sollte die Zukunft dieser Frau aus adeligem Hause bestimmen.

Bruch mit der Familie
und Eintritt bei den Beginen

Maria Antonia wurde 1730 in Villa Silípica in der Provinz Santiago del Estero geboren, als Tochter eines »Encomendero«, eines Großgrundbesitzers, dem das spanische Vizekönigreich Ländereien zur Verfügung gestellt hatte mit der Aufgabe, sie zu verwalten, die örtliche Bevölkerung – Indios und ihm gehörende afrikanische Sklaven – zu evangelisieren und gegen Angriffe von außen zu schützen. Maria Antonia sah von klein auf die Misshandlungen, die Indios und Sklaven in den Encomiendas erlitten, und mit der Zeit wurde das Leid dieser Menschen für sie unerträglich. Mit 15 Jahren beschloss sie, den Komfort der Familie zu verlassen, zum großen Missfallen ihres Vaters, der ihre Zukunft als Ehefrau an der Seite eines reichen Grundbesitzers oder im Kloster sah. Sie brach mit ihrer Familie und trat als Begine (geweihte Laiin) in den Beginenhof (»Beaterio«) der Jesuiten in Santiago del Estero ein, in eine Gemeinschaft von Frauen, die den Ärmsten dienten. Dort kümmerte sie sich um Waisen und »in Verwahrung gegebene« Frauen, das heißt Frauen, die von ihren Familien den Beginen anvertraut wurden, um Skandale zu vermeiden, sei es wegen ihres zügellosen Lebenswandels oder illegitimer Schwangerschaften; unter Aufsicht lebten dort auch Frauen, die sich krimineller Vergehen schuldig gemacht hatten, sowie Prostituierte.

Maria Antonia blieb 22 Jahre im Beginenhof der Jesuiten, wo sie dank des Unterrichts durch Missionare eine gediegene Ausbildung erhielt. Außerdem brachten die Priester ihr bei, die Geistlichen Exerzitien des heiligen Ignatius zu organisieren, die der größte Schatz der Gesellschaft Jesu sind. Privat legte sie die Gelübde der Keuschheit und der Armut ab.

Die Ausweisung der Jesuiten aus Amerika hinterließ eine Lücke, die nicht zu schließen war. Die Missionen waren ein Bezugspunkt für die lokale Bevölkerung gewesen. Der einzige verbliebene Trost war Maria Antonia, die von nun an »Mama Antonia« genannt wurde, »Mama Antula« in Quechua, der Sprache der Indios.

Das Wort Jesuit war verboten, jede Tätigkeit im Zusammenhang mit der Gesellschaft Jesu war untersagt. Nach einem Jahr des Nachdenkens und der Unterscheidung beschloss Mama Antula, den Anordnungen von König Karl III. und Papst Clemens XIV. nicht Folge zu leisten und wieder die Exerzitien anzubieten, um das Werk der Jesuitenpatres am Leben zu erhalten. Das Risiko war groß, denn das Leben stand auf dem Spiel. Sie fand einen Bischof als »Komplizen«, der ihr die Erlaubnis erteilte, die Exerzitien zu organisieren. Und hier gewann ihre Tätigkeit als Gründerin an Bedeutung. Sie scharte eine Gruppe von Beginen um sich, die gemeinsam diese illegalen Aktivitäten durchführten. In der Nähe von Santiago del Estero gründete sie kleine Häuser für die Exerzitien, organisierte in allen praktischen Details den achttägigen Aufenthalt, einschließlich der Verpflegung und Unterkunft, unterstützt durch Spenden, für deren Sammlung sie ebenfalls um Erlaubnis gebeten hatte. In kurzer Zeit verbreiteten sich die Exerzitien über Mama Antulas Herkunftsregion hinaus. Die »Wiederbegründerin« des Jesu-itenordens entfaltete eine ununterbrochene, unaufhaltsame Tätigkeit. Immer mehr Menschen wollten an den Exerzitien teilnehmen, und so fasste Mama Antula einen ehrgeizigen Entschluss: Sie wollte nach Córdoba und dann nach Buenos Aires gehen, in die Hauptstadt des neuen spanischen Vizekönigreichs Río de la Plata. In der Hafenstadt wollte sie ein Exerzitienhaus gründen, das in Erwartung der Rückkehr der Jesuiten auf Dauer bestehen bleiben sollte. Sie betete dafür, dass die Jesuiten ins Land zurückkommen konnten und rief vor allem den heiligen Josef an. Am 19. jedes Monats ließ sie eine heilige Messe zu seinen Ehren feiern. Ihre Verehrung für den Nährvater Jesu war so groß, dass sie beschloss, sich Maria Antonia vom heiligen Josef zu nennen.

Sie blieb zwei Jahre in Córdoba und schloss einige wichtige Freundschaften, unter anderem mit einem Politiker namens Ambrosio Funes, der ihr ermöglichte, Kontakt zum Jesuiten Gaspar Suarez, seinem Landsmann, aufzunehmen, der in Faenza, das zum Kirchenstaat gehörte, im Exil war. Diese Begegnung war von entscheidender Bedeutung, denn so ist es heute möglich dank des Briefwechsels der drei Freunde die Geschichte von Mama Antula detailliert rekonstruieren zu können.

Zahlreiche Exerzitienteilnehmer
aus allen Schichten

In Begleitung ihrer Gefährtinnen legte sie 4.000 Kilometer zurück, barfuß durch Salzsteppen, dornige Wälder, die Hügel der Pampa, endlose Ebenen. Als sie in Buenos Aires ankam, waren ihre Kleider zerrissen, sie trug keine Schuhe, dafür ein großes Kreuz und einen schwarzen Umhang voller Dornen. Die Leute blickten mit Geringschätzung auf sie herab, manche beschimpften sie, bewarfen sie mit Steinen oder Schmutz. Mit ihren Gefährtinnen suchte sie in der ersten Kirche auf ihrem Weg Zuflucht. Es war die ärmliche Pfarrei »Nuestra Señora de la Piedad«. Hier fühlte sie Frieden und bat die Mater Dolorosa um ihren Schutz. Der Ort übte sofort eine ganz besondere Anziehungskraft auf sie aus, und in ihrem Testament legte sie fest, dass ihre sterblichen Überreste dort bestattet werden sollten. Nur drei Tage später suchte sie den Bischof Sebastián Malvar y Pinto auf und bat ihn um die Erlaubnis, in Buenos Aires Ignatianische Exerzitien abhalten zu dürfen. Sie hinterließ beim Bischof keinen guten Eindruck und wurde entlassen, ohne die erbetene Erlaubnis erhalten zu haben. Trotzdem gab Mama Antula nicht auf und konnte neun Monate später das erste Haus gründen. Es war sehr klein und reichte nicht, um die zahlreichen Teilnehmer aufzunehmen, weshalb sie fortfuhr zur »Oberin« zu beten, wie sie die »Virgen de los Dolores« nannte, und auch »Manuelito«, das Jesuskind, anzurufen. Später fand sie ein größeres Haus und konnte auch Seminaristen, Politiker und sogar die Vizekönigin von Peru als Exerzitienteilnehmer empfangen. Zu jener Zeit war es nicht üblich, dass sich Reiche und Arme bei Exerzitien begegneten, aber Mama Antula vermischte die sozialen Schichten in harmonischer Eintracht, das war etwas Neues, ein besonderes Merkmal: Hochstehende Damen servierten Sklavinnen die Mahlzeit und alle schliefen auf Pritschen oder Matratzen auf dem Fußboden.

Maria Antonia besaß Gaben, die man den Heiligen zuerkennt, wie Bilokation, Visionen, wundersame Vermehrungen zum Beispiel von Kerzenwachs, Lebensmitteln, Wasser. Im Jahr 1795 legte sie den Grundstein für das »Heilige Haus geistlicher Exerzitien«. Bis dahin hatten in Buenos Aires bereits 70.000 Menschen an den von ihr organisierten Exerzitien teilgenommen, darunter die »Väter des Vaterlandes«, die in ihrem Haus die revolutionären Ideen entwickelten, die 1810 zur Unabhängigkeit von der spanischen Kolonialgroßmacht und zum Aufbau des Bundesstaates Argentinien führten. So wird Mama Antula neben den Vätern als geistliche Mutter des Vaterlandes betrachtet. Sie begründete auch die Verehrung des heiligen Gaetano, Heiliger des Friedens, des Brotes und der Arbeit, der heute in Argentinien mehr als alle anderen Heiligen verehrt wird.

Mama Antula starb am 7. März 1799 im Alter von 69 Jahren. Die Kongregation der Schwestern vom Göttlichen Erlöser entstand nach ihrem Tod, aber sie kann als deren geistliche Gründerin betrachtet werden.

Papst Franziskus hat gesagt, dass diese Frau Gold wert sei. Er hat dazu beigetragen, dass ihre Geschichte nicht in Vergessenheit gerät, indem er ihren 1905 begonnenen Seligsprechungsprozess wieder aufnahm. Im Jahr 2016 wurde sie seliggesprochen. Am 24. Oktober 2023 hat der Papst schließlich das Dekret mit der Anerkennung eines Wunders promulgieren lassen, wodurch Argentinien am 11. Februar 2024 seine erste heilige Laiin erhielt, eine unbezwingbare und vom Jesuitischen Geist geprägte Frau.

#sistersproject

Von Nunzia Locatelli