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Papst Franziskus im Interview mit der katholischen Wochenzeitschrift »Credere«

Das Herzstück von »Fiducia supplicans« ist die Annahme des Anderen

 Das Herzstück von »Fiducia supplicans« ist die Annahme des Anderen  TED-007
16. Februar 2024

»Alle, alle, alle.« Das hat der Papst in Lissabon gesagt und bei zahlreichen Gelegenheiten wiederholt, um das Prinzip der Annahme zu unterstreichen, das die Grundlage für die pastorale Sendung der Kirche darstellt, und auch um den Segen für Paare in irregulären Situationen und für gleichgeschlechtliche Paare einzuordnen, wie es die Erklärung Fiducia supplicans vorlegt. Im Interview mit der im Paulusverlag herausgegebenen Zeitschrift »Credere«, veröffentlich in der Ausgabe vom
8. Februar, kommt Franziskus auf das Thema des Segens zurück, das unterschiedliche Reaktionen und Kontroversen hervorgerufen hat. Er wiederholt, was er bereits in der Audienz für das Dikasterium für die Glaubenslehre, das für die Erklärung verantwortlich zeichnet, gesagt hat. »Ich segne keine ›gleichgeschlechtliche Ehe‹, ich segne zwei Menschen, die sich lieben und ich bitte sie auch, für mich zu beten«, erklärt der Papst im Gespräch mit dem Direktor der Zeitschrift, Don Vincenzo Vitale. »Wenn Menschen in diesen Situationen zur Beichte kommen, homosexuelle Personen, wiederverheiratete Personen, dann bete und segne ich immer. Der Segen darf niemandem verweigert werden. Alle, alle, alle. Wohlgemerkt, ich spreche von Personen, von denen, die die Taufe empfangen können.«

Und der Papst fügt hinzu: »Die schwereren Sünden sind die, die sich mit einem ›engelhafteren‹ Schein tarnen. Niemand empört sich, wenn ich einen Unternehmer segne, der die Menschen womöglich ausbeutet, und das ist eine sehr schwere Sünde. Dagegen ist man empört, wenn ich einem Homosexuellen den Segen gebe… Das ist Heuchelei! Wir müssen uns alle gegenseitig respektieren. Alle! Das Herzstück des Dokuments ist die Annahme des Anderen.«

Im Interview mit der Wochenzeitschrift, die anlässlich der Wahl von Jorge Mario Bergoglio auf den Stuhl Petri im Jahr 2013 ins Leben gerufen wurde und nun ihr zehnjähriges Bestehen feiern kann, lässt der Papst die Jahre seines Pontifikats Revue passieren. Er vertraut den Lesern Persönliches an, zum Beispiel seine Gespräche mit alten Menschen oder Erinnerungen an Buenos Aires, und spricht über aktuelle Themen, darunter das kommende Heilige Jahr, »ein Ereignis der Gnade«, angesichts dessen es notwendig sei, »den Wert und die absolute Notwendigkeit des Gebets wiederzuentdecken«.

Der Papst spricht auch über die kirchlichen Bewegungen und die Beteiligung junger Menschen an pastoralen Erfahrungen, wie etwa in den Ländern der Dritten Welt oder Lateinamerikas, wo man die Menschen in »einfacher« Sprache anspricht. »Es gibt auch etwas ›abgehobenere‹ Realitäten, die nicht ankommen, etwas ›exquisitere‹ Bewegungen«, so Franziskus. Diese Bewegungen tendierten dazu, eine kleine Kirche zu bilden, bestehend aus Menschen, die sich überlegen fühlen. Das ist nicht das heilige gläubige Gottesvolk. Das Volk Gottes besteht aus Gläubigen, die wissen, dass sie Sünder sind, und die vorangehen. Ich habe nichts gegen Bewegungen, die so viel Gutes tun.« Eine Bewegung sei gut, »wenn sie dich in die wirkliche Kirche eingliedert, aber wenn sie selektiv sind, dich von der Kirche lösen, wenn sie dich glauben lassen, dass du ein besonderer Christ bist, dann ist das nicht christlich«.

Die Antwort des Papstes auf die Frage nach der Rolle der Frauen ist ebenfalls klar, angesichts seines kontinuierlichen Aufrufs, der Kirche vermehrt ein »weibliches Gesicht« zu geben. Franziskus bekräftigt den Unterschied zwischen dem petrinischen und dem marianischen Prinzip: »Die Kirche ist Frau, sie ist Braut. Petrus ist keine Frau, er ist keine Braut. Die Kirche, die Braut, ist wichtiger als Petrus, der Amtsträger«, erläutert er und fügt hinzu, dass es wichtig sei, »die Arbeit an der Kurie für Frauen zu öffnen«. Er betont, dass Frauen »dem geweihten Amt helfen«. Man sehe das in den Dörfern, wo es keinen Pries-ter gebe und Ordensfrauen die Pfarrei voranbringen, taufen, die Kommunion austeilen und Beerdigungen durchführen. »Nicht das Amt der Frauen ist das Wichtigste, von grundlegender Bedeutung ist die Anwesenheit der Frauen«, so der Papst. Und mit Blick auf die Römische Kurie, wo es im Laufe der Jahre einige Ernennungen von Frauen gab, bekräftigt er: »Es gibt mittlerweile einige Frauen und es wird noch mehr geben, denn in bestimmten Aufgaben sind sie besser als wir Männer.« Papst Franziskus nennt die Generalsekretärin des Governatorats, Sr. Raffa-ella Petrini, »die Frauen, die es im Dikasterium für die Wahl der Bischöfe gibt« (Sr. Petrini, sowie Sr. Yvonne Reungoat, ehemalige Generaloberin der Salesianer, und Maria Lía Zervino, Präsidentin der Umofc, Anm. d. Red.); Sr. Alessandra Smerilli, Sekretärin des Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen, und andere: »Das alles sind Posten, wo es Frauen braucht.«

Auf die Frage, ob er sich bewusst sei, dass er in dieser Hinsicht einen »epochalen Wandel« eingeleitet habe, antwortete der Papst schließlich: »Nicht wirklich! Man sagt es mir, ja … Ich gehe voran, so gut ich kann.«

(Orig. ital. in O.R. 5.2.2024)

Von Salvatore Cernuzio