»Entfache die Gnade Gottes wieder,
die dir […] zuteilgeworden ist« (2 Tim 1,6). Die Schönheit, heute Jünger zu sein.
Eine einheitliche, umfassende,
gemeinschaftliche und missionarische
Ausbildung
Liebe Brüder und Schwestern!
Ich danke euch von Herzen für diesen Moment, den ich mit euch verbringen darf. Ich danke euch, dass ihr nach Rom gekommen seid, um an der Internationalen Tagung für die ständige Fortbildung der Priester teilzunehmen, die vom Dikasterium für den Klerus – vor allem vom großen koreanischen Chef! – und auch den Dikasterien für die Evangelisierung und für die Orientalischen Kirchen veranstaltet wird. Ich danke den Präfekten der beteiligten Dikasterien und all jenen, die sich bei der Vorbereitung dieses Treffens eingebracht haben. Für viele von euch war es nicht leicht, nach Rom zu kommen; aber vor allem möchte ich euch meine Dankbarkeit für das zum Ausdruck bringen, was ihr in euren Diözesen und Ländern tut, für den Dienst, den ihr verrichtet und den auch die Umfrage hervorgehoben hat, die im Hinblick auf diese Tagung durchgeführt wurde.
Künftige Horizonte
Während dieser Tage habt ihr die große Gelegenheit, euch über bewährte Methoden auszutauschen, Herausforderungen und Probleme zu diskutieren und nach künftigen Horizonten der Priesterausbildung in diesem Epochenwandel Ausschau zu halten, immer mit dem Blick nach vorn, stets bereit, die Netze auf das Wort des Herrn hin erneut auszuwerfen (vgl. Lk 5,4-5; Joh 21,6). Es geht darum, sich aufzumachen, um nach Mitteln und Ausdrucksweisen zu suchen, die die Priesterausbildung unterstützen, ohne zu glauben, dass wir alle Antworten in der Hand hielten – ich habe Angst vor denen, die alle Antworten griffbereit haben, davor habe ich Angst –, sondern im Vertrauen darauf, dass wir sie auf dem Weg finden können. Hört euch in diesen Tagen also gegenseitig zu und lasst euch von der Aufforderung anregen, die der Apostel Paulus an Timotheus richtet und die das Motto eurer Tagung ist: »Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir […] zuteilgeworden ist« (2 Tim 1,6). Die Gabe wieder entfachen, die Salbung erneut entdecken, das Feuer neu entzünden, damit der Eifer im apostolischen Dienst nicht erlischt.
Und wie können wir die empfangene Gabe wieder entfachen? Ich möchte euch drei Pfade aufzeigen für den Weg, den ihr vor euch habt: die Freude des Evangeliums, die Zugehörigkeit zum Volk, die Fruchtbarkeit des Dienstes.
Erstens: Die Freude des Evangeliums. Im Mittelpunkt des christlichen Lebens steht das Geschenk der Freundschaft mit dem Herrn, das uns von der Traurigkeit des Individualismus und der Gefahr eines Lebens ohne Sinn, ohne Liebe und ohne Hoffnung befreit. Die Freude des Evangeliums, die gute Nachricht, die uns begleitet, ist eben diese: Wir werden von Gott mit Zärtlichkeit und Barmherzigkeit geliebt. Und diese frohe Kunde sollen wir in der Welt erschallen lassen, indem wir sie mit unserem Leben bezeugen, damit alle die Schönheit der heilbringenden Liebe Gottes entdecken können, die sich in Jesus Christus offenbart hat, der gestorben und auferstanden ist (vgl. Evangelii gaudium, 36). Erinnern wir uns daran, was der heilige Paul VI. sagte: Zeugen sein, noch bevor wir Lehrer sind (vgl. Evangelii nuntiandi, 41), Zeugen der Liebe Gottes, die das einzige ist, was zählt. Und wenn man nicht in der Lage ist, ein Zeuge zu sein, ist das traurig, sehr traurig.
Hier finden wir einen Eckpfeiler der ständigen Weiterbildung, nicht nur der Priester, sondern eines jeden Christen, den auch die Ratio fundamentalis hervorhebt: Nur wenn wir Jünger sind und bleiben, können wir Diener Gottes und Missionare seines Reiches werden. Nur wenn wir die Freude des Evangeliums annehmen und pflegen, können wir diese Freude an andere weitergeben. Vergessen wir bei der beständigen Fortbildung also nicht, dass wir immer Jünger auf dem Weg sind und dass dies zu jeder Zeit das Schönste ist, was uns aus Gnade widerfahren ist! Und wenn wir Priester sehen, die diese Fähigkeit zum Dienen nicht haben, die vielleicht egois-tisch sind, Priester, die eine Art »unternehmerischen« Weg eingeschlagen haben, dann haben sie diese Fähigkeit verloren, sich als Jünger zu fühlen, und fühlen sich als Herren.
Die Gnade setzt immer die Natur voraus und deshalb bedürfen wir einer ganzheitlichen menschlichen Bildung. Ein Jünger des Herrn zu sein ist nämlich keine religiöse
Verkleidung, sondern eine Lebensweise
und erfordert daher die Sorge für unser Menschsein. Das Gegenteil davon ist der »weltliche« Priester. Wenn die Weltlichkeit in das Herz des Priesters einzieht, macht das alles kaputt. Ich bitte euch, eure gesamten Ener-gien und Ressourcen auf diesen Aspekt zu verwenden: die Sorge um die menschliche Bildung. Und auch die Sorge für ein menschliches Leben. Ein alter Priester sagte mir einmal: »Wenn ein Priester nicht mehr in der Lage ist, mit Kindern zu spielen, hat er verloren.« Das ist interessant: Es ist ein Test. Wir brauchen Priester, die ganz menschlich sind, die mit den Kindern spielen und lieb sind zu den Älteren, die zu guten Beziehungen fähig sind, die sich den Herausforderungen des Dienstes in reifer Weise stellen, damit der Trost des Evangeliums das Volk Got-tes durch ihr vom Geist Jesu verwandeltes Menschsein erreicht. Vergessen wir nie die humanisierende Kraft des Evangeliums! Ein verbitterter Priester, ein Priester, der Bitterkeit in seinem Herzen hat, ist ein »alter Junggeselle«!
»Synodalitätsübungen«
Ein zweiter Pfad ist die Zugehörigkeit zum Volk Gottes. Nur in Gemeinschaft kann man zum missionarischen Jünger werden. Wir können den priesterlichen Dienst nur inmitten des priesterlichen Volkes leben, aus dem auch wir stammen. Diese Zugehörigkeit zum Volk – sich niemals vom Weg des heiligen, gläubigen Volkes Gottes getrennt zu fühlen – schützt uns, stützt uns in den Mühen, begleitet uns in den pastoralen Nöten und bewahrt uns vor der Gefahr, uns von der Wirklichkeit abzukoppeln und uns allmächtig zu wähnen. Seien wir vorsichtig, denn dies ist auch die Wurzel einer jeden Form von Missbrauch.
Um in der realen Geschichte des Volkes verankert zu bleiben, ist es nötig, dass die priesterliche Ausbildung nicht als »abgetrennt« konzipiert wird, sondern den Beitrag des Volkes Gottes nutzen kann: von Priestern und Laien, von Männern und Frauen, von ehelosen Personen und Ehepaaren, von Alten und Jungen, ohne die Armen und Leidenden zu vergessen, von denen man viel lernen kann. In der Kirche gibt es nämlich eine Wechselseitigkeit und einen Kreislauf hinsichtlich der Lebensstände, Berufungen, Ämter und Charismen. Und dies verlangt von uns die bescheidene Weisheit, das gemeinsame Unterwegssein zu erlernen und aus der Synodalität einen Stil des christlichen Lebens und auch des pries-terlichen Lebens zu machen. Priester sind besonders heute aufgefordert, »Synodalitäts-übungen« zu machen. Lasst uns immer da-ran denken: gemeinsam gehen. Der Priester ist immer zusammen mit dem Volk, zu dem er gehört, aber auch zusammen mit dem Bischof und dem Presbyterium. Vernachlässigen wir nie die priesterliche Brüderlichkeit! Und in Bezug auf diesen Aspekt der Verbundenheit mit dem Volk Gottes warnt Paulus Timotheus: »Denk an deine Mutter und an deine Großmutter.« Erinnere dich an deine Wurzeln, an deine Geschichte, an die Geschichte deiner Familie, an die Geschichte deines Volkes. Der Priester entsteht nicht einfach so. Entweder er gehört zum Volk Gottes oder er ist ein Aris-tokrat, der am Ende neurotisch wird.
Ein dritter Pfad schließlich ist der der Fruchtbarkeit des Dienstes. Dienen ist das Kennzeichen der Diener Christi. Der Meister hat uns dies sein ganzes Leben lang gezeigt – insbesondere beim Letzten Abendmahl, als er den Jüngern die Füße wusch. Aus der Perspektive des Dienens ist Bildung kein äußerer Vorgang, keine Weitergabe einer Lehre, sondern sie wird zur Kunst, den anderen in den Mittelpunkt zu stellen, indem man seine Schönheit zum Vorschein bringt, das Gute, das er ist und das er in sich trägt, und indem man seine Gaben und auch seine Schattenseiten, seine Wunden und seine Sehnsüchte aufzeigt. Priester zu bilden bedeutet also, ihnen zu dienen, ihrem Leben zu dienen, sie auf ihrem Weg zu ermutigen, ihnen bei der Unterscheidung zu helfen, sie in Schwierigkeiten zu begleiten und sie bei pastoralen Herausforderungen zu unterstützen.
Der Priester, der auf diese Weise ausgebildet wird, stellt sich seinerseits in den Dienst des Volkes Gottes, er ist den Menschen nah und nimmt sich aller an, so wie Jesus am Kreuz. Schauen wir auf diesen Lehrstuhl, Brüder und Schwestern: auf das Kreuz. Von dort hat der Herr, der uns bis zur Vollendung liebte (vgl. Joh 13,1), ein neues Volk erschaffen. Und auch wir bringen das Leben Gottes hervor, wenn wir uns in den Dienst der anderen stellen, wenn wir zu Vätern und Müttern für die werden, die uns anvertraut sind. Das ist das Geheimnis einer fruchtbaren Seelsorge: keine Seelsorge, bei der wir im Mittelpunkt stehen, sondern eine Seelsorge, die Töchter und Söhne zum neuen Leben zeugt, die das lebendige Wasser des Evangeliums in das Herz des Menschen und in den Boden der heutigen Zeit fließen lässt.
Euch allen wünsche ich alles Gute. Und noch etwas möchte ich hinzufügen und etwas aufgreifen, was ich vorhin gesagt habe: Bitte werdet nicht müde, barmherzig zu sein. Vergebt immer. Wenn Menschen zur Beichte kommen, kommen sie, um um Vergebung zu bitten und nicht, um einen Vortrag über Theologie oder Bußübungen zu hören. Bitte seid barmherzig. Vergebt immer, denn die Vergebung besitzt diese Gnade liebevoller Annahme. Vergebung ist immer innerlich fruchtbar. Vergesst das nicht: Vergebt immer. Ich wünsche euch für eure Tagung alles Gute und gebe euch diese drei Schlüsselworte mit: die Freude des Evangeliums, die das Fundament unseres Lebens ist; die Zugehörigkeit zu einem Volk, dem heiligen Volk Gottes, das uns schützt und stützt; die Fruchtbarkeit des Dienstes, die uns zu Vätern und Hirten macht. Möge die Muttergottes euch stets begleiten. Die Gottesmutter schenkt uns Pries-tern vor allem eines: die Gnade der Zärtlichkeit. Diese Zärtlichkeit, die sich im Umgang mit Menschen in Schwierigkeiten zeigt, den Alten, Kranken, ganz kleinen Kindern… Bittet um diese Gnade und habt keine Angst, zärtlich zu sein. Die Zärtlichkeit ist stark. Danke!