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Christliche Frauen in der Antike

Ihre prophetische Führungsrolle veränderte das Gesicht des Römischen Reiches

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26. Januar 2024

Sowohl das kontemplative als auch das aktive religiöse Leben – so wie wir es heute kennen – hat sich im Laufe von zweitausend Jahren entwickelt. Der erste von vier Artikel handelt von dem, was uns die Literatur über Frauen im antiken Christentum berichtet.

Als junge Schwester hatte ich den großen Wunsch, mehr über unsere Mütter im Glauben zu erfahren. Obwohl ich die biblischen Texte sehr liebe, fällt es mir manchmal schwer, mich in ihnen wiederzufinden, weil die Texte im Lektionar fast immer von unseren Vätern im Glauben handeln. Die eifrigen Jüngerinnen Jesu sind – mit Ausnahme von Maria von Nazaret – so gut wie unsichtbar. Als ich an unserem örtlichen Theologieinstitut einen Master—Studiengang begann, verschlang ich Informationen über frühchristliche Frauengestalten. In dieser Serie von vier Artikeln hoffe ich, den historischen Wurzeln der religiösen Gemeinschaften von Frauen nachzuspüren und vielleicht den Leserinnen und Lesern zu helfen, sich selbst in unserer frühchristlichen Geschichte wiederzuerkennen.

Ausbreitung des Christentums

Die Jesusbewegung verbreitete sich rasch im gesamten Römischen Reich, was zum Teil auf die Initiative von Apostelinnen, Prophetinnen, Evangelistinnen, Missionarinnen, Leiterinnen von Hauskirchen und Witwen zurückzuführen ist. Ihr Wachstum ist auch auf die finanzielle Unterstützung durch christliche Geschäftsfrauen wie Maria von Magdala und Johanna (vgl. Lk 8,1-3), Lydia (vgl. Apg 16,11-40), Phöbe (vgl. Röm 16,1-2), Olympias, eine Diakonin aus dem vierten Jahrhundert, und andere zurückzuführen. Papst Benedikt XVI. sprach am 14. Februar 2007 anerkennend darüber: »Die Geschichte des Christentums hätte eine ganz andere Entwicklung genommen, hätte es nicht den hochherzigen Beitrag vieler Frauen gegeben.« Und weiter: »Im Bereich der Urkirche war die Präsenz der Frauen alles andere als zweitrangig.«

Frühe Hauskirchen wurden von Frauen geleitet, unter ihnen Grapte, die im 2. Jahrhundert in Rom Witwengemeinschaften vorstand, die sich um Waisen kümmerten, und Tabita, einer Witwe aus dem ersten Jahrhundert, die sich »guten Werken und Taten der Nächstenliebe« widmete (vgl. Apg 9,36-43) und in Joppe eine Hauskirchengemeinde gründete. Durch die Hauskirche erhielten die frühen Christen Zugang zu sozialen Netzwerken, die sie mit Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten in Kontakt brachten.

Wenn ein weiblicher Haushaltsvorstand, möglicherweise eine wohlhabende Witwe wie Tabita oder eine Freigelassene wie Prisca (vgl. Röm 16,3-5), zum Christentum konvertierte, erhielten christliche Evangelisten wie Junia (vgl. Röm 16,7) oder Paulus nicht nur Zugang zu ihrem Haushalt, sondern auch zu ihrem Netzwerk von Schutzbefohlenen. Das bedeutete, dass sich auch ihre Sklaven, Freigelassenen, Kinder, Verwandten und Schutzbefohlenen bekehren würden. Als Paulus also Lydia bekehrte (vgl. Apg 16,11-15), erhielt er automatisch Zugang zu einem breiten Spektrum sozialer Beziehungen und zu einem potenziell großen Zuhörerkreis. In ihrem gründlich recherchierten Buch A Woman’s Place zeigen Carolyn Osiek und Margaret Y. MacDonald, dass christliche Frauen aus der Unterschicht innerhalb ihrer christlichen sozialen Netzwerke Unternehmen gründen und sich finanziell absichern konnten. Dies brachte einen höheren Status und mehr Bewegungsfreiheiten mit sich, vor allem innerhalb des erweiterten Haushalts der Antike.

Celsus, ein notorischer Kritiker der frühen Kirche, hatte eine düstere Sicht auf die Evangelisierungstätigkeit der Frauen. Dennoch lieferte er unwissentlich einen objektiven Beweis für ihre Initiative im frühen Christentum, denn er sagt, die Christen hätten die Menschen davon überzeugt, »sich von ihrem Vater und den Lehrern losnzuzmachen und mit den Weibern und Spielkameraden in das Frauengemach oder in die Schusterwerkstatt oder in die Walke nzuz gehen« (Origines, Contra Celsum, III, 55).

Frauen in der Verkündigung

Celsus’ Kritik deckt sich mit Belegen aus anderen frühchristlichen Texten, wonach die Evangelisierung von Mensch zu Mensch, von Haus zu Haus, stattfand, von Frauen, die sich an andere Frauen, Kinder, Freigelassene und Sklaven wandten. Seine Kritik besagt, dass christliche Frauen (und wenige Männer) aufgrund ihres Glaubens an Jesus Initiativen jenseits der patriarchalischen Normen ergriffen. Es gibt drei bedeutende Unterschiede zwischen der römischen Gesellschaft des 1. und des 4. Jahrhunderts, die auf die Evangelisierungs- und Leitungsdienste christlicher Frauen zurückzuführen sind. Erstens wurde im
4. Jahrhundert durch die Freiheit, sich für ein zölibatäres Leben zu entscheiden, ein Pfeiler des Patriarchats – der Zwang zur Ehe – effektiv beseitigt. Zweitens haben christliche Witwen und Jungfrauen Tausende von Waisenkindern gerettet, sozialisiert, getauft und erzogen, die andernfalls gestorben oder zur Prostitution verurteilt gewesen wären. Drittens spielten die häuslichen Vernetzungs- und Evangelisierungsaktivitäten der Frauen eine führende Rolle in der Geschichte der römischen Gesellschaft, deren Kultur sich von einer überwiegend heidnische in eine überwiegend christliche verwandelte.

Elemente geweihten Lebens lassen sich nicht nur in den frühen Witwengemeinschaften wie bei Grapte und Tabita erkennen, sondern auch bei den Frauen, die sich für ein Leben in Ehelosigkeit entschieden, wie die vier prophetischen Töchter des
Philippus (vgl. Apg 21,9) und die Frauengemeinschaften in Kleinasien, die in den Märtyrerakten der Thekla dargestellt werden. Die Frauen in diesen Gemeinschaften haben nicht nur Waisen und arme Witwen
gerettet, sondern auch in den frühesten christlichen Versammlungen geweissagt
(vgl. 1 Kor 11; Apg 21,8-10). Ihre gegenkulturelle Ausübung von Autorität im Kontext des häuslichen Alltags ist ein oft verkannter Schlüssel zur raschen Ausbreitung des Christentums. Die missionarische Autorität und die prophetische Führungsrolle der Frauen innerhalb ihrer erweiterten sozialen Netzwerke veränderten das Gesicht des Römischen Reiches.

Das für diesen Artikel verwendete Material stammt größtenteils aus dem Buch der Autorin Crispina and Her Sisters: Women and Authority in Early Christianity (Fortress Press, 2017). Der zweite Artikel wird sich mit der Darstellung frühchristlicher Frauen auf Sarkophagfriesen des 3. bis 5. Jahrhunderts beschäftigen.

#sistersproject

Von Sr. Christine Schenk CSJ