An Prof. Francesco Buranelli,
Präsident der Ständigen Kommission
zum Schutz der Kunst- und Kulturgüter
des Heiligen Stuhls
Verehrter Herr Professor,
der 100. Jahrestag der Gründung dieser geschätzten Einrichtung ist für mich ein freudiger Anlass, um Ihnen, den Mitarbeitern und allen, die an dieser bedeutsamen Gedenkveranstaltung teilnehmen, einen herzlichen Gruß zukommen zu lassen.
»Gemäß dem vom Heiligen Vater geäußerten Wunsch, nicht nur eine größere Einheitlichkeit und Kontinuität in der Leitung der Arbeiten zur Erhaltung und Restaurierung der dem Heiligen Stuhl unterstehenden Kunst- und Kulturgüter zu erreichen, sondern auch eine rationellere Verteilung der jeweiligen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten in Anbetracht des weltweiten Ruhms der dem Heiligen Stuhl gehörenden Denkmäler […], möge eine ständige Kunstkommission für den Schutz der sich im Eigentum des Heiligen Stuhls befindenden historischen und künstlerischen Denkmäler […] eingerichtet werden.«
Um der kontinuierlichen Sorge für Pflege und Erhaltung des kulturellen Erbes zu entsprechen, hat die Kardinalskommission für die Verwaltung der Güter des Heiligen Stuhls mit den eben zitierten Worten in ihren Sitzungen vom 14. und 27. Juni 1923 im Namen von Papst Pius XI. diese Einrichtung geschaffen, deren 100-jähriges Bestehen mit dem heutigen Studientag gefeiert wird.
Der heute allgemein verbreitete Gedanke des Erhalts und Schutzes von Denkmälern ist die Folge eines Bewusstwerdungsprozesses bezüglich des humanistischen Wertes des Kulturerbes. Sein historischer Ursprung ist in den alten Staaten der italischen Halbinsel und unter diesen insbesondere im Kirchenstaat zu finden und hat sich dann in der Gesetzgebung der europäischen Nationen und der ganzen Welt durchgesetzt.
Seit dem 15. Jahrhundert gab es Bekanntmachungen und Edikte der Päpste, die vor allem den zunehmenden Strom von Antiquitäten stoppen sollten, die von den archäologischen Ausgrabungen in Rom den Weg in die europäischen Hauptstädte fanden, um die antiquarischen Sammlungen von Herrschern, Adligen und Gelehrten zu bereichern. Vor allem aber wurden im 18. und 19. Jahrhundert – insbesondere als Reaktion auf den Verkauf einer beträchtlichen Zahl von Kunstwerken sowie als Wiedergutmachung für die traumatischen Enteignungen der napoleonischen Ära – dank einiger päpstlicher Chirographen und der Edikte der Kardinalkämmerer spezifische Rechtsgrundsätze formuliert, die später von der modernen Gesetzgebung übernommen wurden. Zu diesen Grundsätzen gehört vor allem der des öffentlichen Nutzens des kulturellen Erbes, abgeleitet aus dem römischen Rechtsbegriff der »publica utilitas«, wonach nicht nur öffentliches, sondern auch privates Eigentum den Erfordernissen des Gemeinwohls unterworfen ist.
Aus dem öffentlichen Nutzen ergibt sich auch das Recht des Staates, Veräußerung und Export dieses Erbes zu regeln oder zu verhindern, sowie das Recht und die Pflicht, den rechtlichen Schutz, die wissenschaftliche Konservierung, deren erster und unerlässlicher Akt die Katalogisierung ist, durchzusetzen und Erschließung und Genuss möglich zu machen. In diesem Sinne hat der Staat der Vatikanstadt im Jahr 2001 ein Gesetz zum Schutz der eigenen Kulturgüter und der des Heiligen Stuhls verabschiedet1, das nun aktualisiert werden muss, um den veränderten historischen und sozialen Bedingungen sowie der Entwicklung sowohl der nationalen Gesetzgebung als auch der Gesetzgebung der internationalen Organisationen gerecht zu werden.
Ohne die Bedeutung der touristischen Anziehungskraft des zu bewahrenden kulturellen Erbes schmälern zu wollen, beruht sein besonderer Wert auf der Tatsache, dass es ein greifbares Zeichen des »transitus Domini« in der Welt ist, wie der heilige Paul VI. betonte2, das heißt ein sichtbarer Ausdruck des Lebens der Kirche in ihrem liturgischen Handeln und in der Glaubensverkündigung, in den verschiedenen geistlichen Ausdrucksformen und in der Übung der Nächstenliebe. So hat mein Vorgänger Benedikt XVI. in Bezug auf die Vatikanischen Museen gesagt: »Die Kirche unterstützt und fördert von jeher die Welt der Kunst, deren Sprache sie als vorzügliches Instrument menschlicher und spiritueller Entwicklung betrachtet. […] Letztlich könnte man sagen, dass die Vatikanischen Museen eine außerordentliche Evangelisierungsmöglichkeit darstellen, da sie durch die verschiedenen ausgestellten Werke dem Besucher ein bedeutungsvolles Zeugnis der beständigen Verflechtung von Göttlichem und Menschlichem im Leben und in der Geschichte der Völker bieten.«3 Diese weitblickenden Worte treffen ebenso für die Kulturgüter des Staates der Vatikanstadt und des Heiligen Stuhls zu.
Erneut bringe ich all jenen, die bis hierher mit Kompetenz und Hingabe an der spezifischen Mission der Kommission mitgearbeitet haben, meine aufrichtige Dankbarkeit zum Ausdruck, verbunden mit dem Wunsch, dass weiterhin mit Verantwortung und Professionalität die Schönheit der Kunst aufgezeigt werden möge, die ein Widerschein der harmonischen Gemeinschaft zwischen Mensch und Gott ist. Ihnen, Herr Präsident, den Mitarbeitern, den Referenten, die bei der Tagung das Wort ergreifen werden, sowie allen Anwesenden erteile ich gerne meinen Segen und vertraue auf Ihr Gebetsgedenken für mich.
Aus dem Vatikan, 22. November 2023
Gedenktag der heiligen Cäcilia,
Jungfrau und Märtyrerin
Fußnoten
1 Staat der Vatikanstadt, Gesetz Nr. CCCLV, Gesetz über den Schutz der Kulturgüter, 25. Juli 2001, und entsprechende Verordnungen.
2 Paul VI., Ansprache an die Archivare kirchlicher Archive, 26. September 1963.
3 Benedikt XVI., Ansprache an die Teilnehmer am Internationalen Symposium der Vatikanmuseen aus Anlass ihres 500-jährigen Bestehens, 16. Dezember 2006.
(Orig. ital. in O.R. 23.11.2023)