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Kardinal Souraphiel, Erzbischof von Addis Abeba, über das Projekt des Global Solidarity Fund

Hoffnung für die Jugendlichen Afrikas durch eine gute Berufsausbildung

 Hoffnung für die Jugendlichen Afrikas  durch eine gute Berufsausbildung  TED-045
10. November 2023

Bildung und freier Personenverkehr »in ganz Afrika wie in der Europäischen Union« sind der Schlüssel, »damit die jungen Menschen Äthiopiens und ganz Afrikas den Kontinent nicht verlassen« und nicht »erst in den Sudan und dann nach Libyen gehen, um schließlich im Mittelmeer zu sterben«, oder in die arabischen Länder am Golf auswandern, »um dort missbraucht oder misshandelt zu werden«. Davon ist Kardinal Berhaneyesus Demerew Souraphiel, Erzbischof von Addis Abeba, überzeugt. Deshalb ist für ihn das Pilotprojekt des Global Solidarity Fund (GSF), an dem fünf Ordensgemeinschaften und die Erzdiözese der Hauptstadt beteiligt sind, ein Zeichen der Hoffnung.

Das größte Land am Horn von Afrika mit über 120 Millionen Einwohnern hat mehr als 400.000 südsudanesische Flüchtlinge aufgenommen und seit April dieses Jahres auch etwa 4.000 Flüchtlinge aus dem Sudan. Weiter leben hier insgesamt 600.000 Menschen aus Somalia, Eritrea, dem Jemen und sogar aus Syrien. Außerdem sind in letzter Zeit über 100.000 äthiopische Emigranten aus den arabischen Golfstaaten zurückgekehrt. Über die derzeitige Situation haben wir in der Hauptstadt Äthiopiens mit dem 74-jährigen Kardinal gesprochen. Er empfing uns in seinem Haus hinter der Kathedrale, die Mariä Geburt gewidmet ist. Hier fand Anfang März die Kontinentalversammlung zur Synode über die Synodalität statt.

Kardinal Souraphiel leitet die Erzdiözese seit Juli 1999 und war seitdem auch Vorsitzender der Bischofskonferenz von Äthiopien und Eritrea, die bis 2015 eine Einheit bildeten. Es ist eine kleine Gemeinschaft von etwa 12.000 Katholiken, weniger als zwei Prozent der 16 Millionen Einwohner der Kirchenprovinz Addis Abeba. Er erinnert uns daran, dass die mehr als 200 Teilnehmer der Kontinentalversammlung besonderes Gewicht auf die Familie legten, die »das Bild der Kirche in Afrika ist«. Eine Familie, die »inklusiv« sein und junge sowie ältere Menschen und vor allem junge alleinerziehende Frauen mit Kindern einschließen sollte, die es im modernen Afrika immer häufiger gibt.

Um die Beteiligung der Frauen am Leben und an der Arbeit der Kirche zu stärken, »nicht nur in den Pfarreien, sondern auch im sozialen Bereich, von der Schule bis zur Sozial- und Gesundheitsfürsorge«, so Kardinal Souraphiel, bekräftigte die Synodenversammlung die Notwendigkeit, sich auf die Bildung zu konzentrieren und auch die Unterstützung der für Afrika typischen »Großfamilie« – zu der auch Großeltern, Onkel und Tanten gehören – im Blick zu haben.

Bis zu 430 Schulen sollen den Planungen nach letztlich von Diözesen und Ordensgemeinschaften geleitet werden, außerdem gibt es die neue katholische Universität Ecus-ta, die dem heiligen Thomas von Aquin gewidmet ist und die die äthiopischen Bischöfe derzeit in Zusammenarbeit mit Orden der Schulbrüder am Stadtrand von Addis Abeba errichten. »Denn wir glauben«, so der Erzbischof, »dass Bildung von grundlegender Bedeutung ist, um die Mentalität zu verändern und auch um Solidarität zwischen den verschiedenen Ethnien und Stämmen in Äthiopien zu schaffen.«

In Juba im Südsudan, wo der äthiopische Kardinal im Februar aus Anlass des Papstbesuchs weilte, »habe ich viele junge Äthiopier, Kenianer, Eritreer und Ugander gesehen, die dort arbeiten. Es gibt Arbeit in Afrika. Wenn die auf unserem Kontinent oft künstlichen und ehemals kolonialen Grenzen freier wären, denn es sind dieselben Menschen«, dann könnten sich die jungen Leute besser bewegen und ihre Situation verändern, wodurch sie »aus der Armut herauskommen und die Würde der menschlichen Person verteidigen«.

Auf Bildung und die Entschlossenheit der jungen Afrikaner setzt auch das Ende 2020 in Addis Abeba gestartete Pilotprojekt des GSF, eines innovativen Zusammenschlusses von Ordensgemeinschaften, Privatunternehmen und internationalen Organisationen, das zurückkehrende Migranten, Flüchtlinge aus anderen afrikanischen Ländern und Binnenvertriebene unterstützen soll. Zu diesem Zweck wurde ein ordensübergreifendes Netzwerk gegründet, an dem heute Salesianer und Salesianerinnen, Ursulinen, Missionarinnen der Nächstenliebe und Jesuiten (über den Jesuiten-Flüchtlingsdienst) beteiligt sind und das von der sozialpastoralen Kommission der Erzdiözese koordiniert wird. Jede Kongregation übernimmt – ihrem Charisma entsprechend – eine eigene Rolle in der Unterstützung, die inzwischen mehr als 1.500 Personen zugutekam. Durch eine entsprechende Berufsausbildung konnten sie Fähigkeiten erwerben, um in den lokalen Arbeitsmarkt einzutreten, entweder durch die Anstellung in einem Unternehmen oder durch die Gründung eines eigenen Kleinstunternehmens.

Kardinal Souraphiel kennt das GSF-Projekt gut, er hat auch einige Ausbildungs- und Arbeitsvermittlungszentren besucht und ist so dankbar für dessen Erfolg, dass er vorschlägt, es auch in andere äthiopische Diözesen, aber auch weitere Länder Afrikas zu exportieren. Er erinnert an die Not der vielen jungen Frauen (junge Menschen machen 70 Prozent der äthiopischen Bevölkerung aus), die in die Golfstaaten auswandern, um dort als Haushaltshilfen zu arbeiten. »Aber sie sind nicht ausreichend vorbereitet, und der Wechsel aus einem äthiopischen Dorf in einen Wolkenkratzer in Dubai ist oft traumatisch«, meint der Kardinal. In den letzten Monaten seien fast 100.000 Hausangestellte, sowohl Männer als auch Frauen, aus Saudi-Arabien nach Äthiopien zurückgeschickt worden. »Viele haben Missbrauch erlitten und sind ohne Hoffnung, [sie] empfinden diese Rückkehr als Niederlage und haben nicht den Mut, in die Dörfer zurückzukehren, denen sie versprochen hatten, Geld zu schicken.« Aber sie haben nicht einmal das Geld, um in einer großen Stadt wie Addis Abeba zu überleben. Diese zurückkehrenden äthiopischen Migranten sind die ersten Nutznießer des GSF-Projektes. Kardinal Souraphiel unterstreicht: »Die am Projekt beteiligten Ordenskongregationen sind nicht nur in der Lage, sie aufzunehmen, ihnen eine Unterkunft zu bieten, sondern sie können ihnen auch neue Fertigkeiten vermitteln, so dass sie eine Perspektive für das Leben hier erhalten und in Afrika bleiben und leben können, vor allem die jungen alleinerziehenden Mütter. Sie können ihre Kinder den Schwestern anvertrauen und an Kursen teilnehmen, um verschiedene Fähigkeiten für eine zukünftige Arbeit zu erlernen. Einige haben es geschafft, ihr eigenes kleines Unternehmen zu gründen. Andere sind in den verschiedenen Unternehmen in Addis Abeba beschäftigt, um das zu verdienen, was sie zum Leben brauchen.« Ihre Erfahrung sei auch für diejenigen wichtig, »die heute nach ihrer Auswanderung zurückkehren: Sie helfen uns, mit ihren Brüdern und Schwestern zu sprechen und sie davon zu überzeugen, die Hoffnung nicht zu verlieren. So verstehen sie, dass sie dank des GSF-Projekts sehr viel lernen können, um ihr Leben zu verändern, ohne das Land zu verlassen, sondern indem sie hierbleiben.«

#VoicesofMigrants

Von Alessandro Di Bussolo,
Addis Abeba