Papst Franziskus hat am Vormittag von Allerseelen, 2. November, eine Gedenkmesse auf dem Commonwealth-Soldatenfriedhof in Rom gefeiert. In Anwesenheit von etwa 300 Gläubigen erinnerte er dabei an alle Verstorbenen, insbesondere an die in Kriegen getöteten Soldaten. Üblicherweise feiert der Papst an Allerseelen einen Gottesdienst auf einem der Friedhöfe Roms, 2021 etwa auf dem französischen Militärfriedhof. Im vergangenen Jahr besuchte er für einen Moment des Gebets den deutschen Friedhof im Vatikan. Der »Rome War Cemetery« wurde nach dem Einmarsch der Alliierten im Juni 1944 angelegt. Auf ihm befinden sich die Gräber von 426 im Zweiten Weltkrieg getöteten Soldaten des Commonwealth. Papst Franziskus hielt die folgende Predigt in freier Rede:
Der Gottesdienst an einem Tag wie diesem heute legt uns zu zwei Gedanken nahe: Erinnerung und Hoffnung.
Erinnerung an diejenigen, die uns vorausgegangen sind, die ihr Leben gelebt haben, die dieses Leben abgeschlossen haben. Erinnerung an viele Menschen, die uns Gutes getan haben: in der Familie, unter Freunden… Und auch Erinnerung an diejenigen, denen es nicht gelungen ist, viel Gutes zu tun, die aber in die Erinnerung Gottes, in die Barmherzigkeit Gottes aufgenommen sind. Es ist das Geheimnis der großen Barmherzigkeit Gottes.
Und dann Hoffnung. Das Gedenken am heutigen Tag ist ein Erinnern, um nach vorne zu schauen, um auf unseren Weg, unseren Lebensweg zu blicken. Wir gehen auf eine Begegnung zu: mit dem Herrn und mit allen. Und wir müssen den Herrn um diese Gnade der Hoffnung bitten: die Hoffnung, die nie enttäuscht; die Hoffnung, die die alltägliche Tugend ist, die uns voranbringt, die uns hilft, Probleme zu lösen und Auswege zu finden. Aber immer voran, voran. Diese fruchtbare Hoffnung, diese theologische Tugend jedes Tages, jedes Augenblicks: Ich würde sie theologische Tugend »der Küche« nennen, weil sie immer zur Hand ist und uns immer hilft. Die Hoffnung, die nicht enttäuscht: Wir leben in dieser Spannung zwischen Erinnerung und Hoffnung.
Ich möchte etwas erwähnen, was ich beim Hereinkommen gespürt habe. Ich habe das Alter dieser Gefallenen gesehen. Die meisten waren zwischen 20 und 30 Jahre alt. Ausgelöschte Leben, Leben ohne Zukunft. Und ich habe an die Eltern gedacht, an die Mütter, die diesen Brief erhalten: »Sehr geehrte Frau …, ich habe die Ehre Ihnen mitteilen zu können, dass Ihr Sohn ein Held ist.« »Ja, ein Held, aber sie haben ihn mir genommen!« So viele Tränen in diesen ausgelöschten Leben. Und ich musste an die heutigen Kriege denken. Auch heute geschieht dasselbe: so viele junge und nicht mehr so junge Menschen… In den Kriegen der Welt, auch in den Kriegen in unserer Nähe, in Europa und außerhalb: Wie viele Tote! Man zerstört das Leben, ohne daran zu denken.
Wenn wir heute der Toten gedenken, indem wir die Erinnerung an sie bewahren und die Hoffnung bewahren, wollen wir den Herrn um Frieden bitten, damit die Menschen sich in den Kriegen nicht mehr gegenseitig umbringen. So viele unschuldige Tote, so viele Soldaten, die das Leben verlieren. Und warum das alles? Kriege sind immer eine Niederlage, immer. Es gibt keinen vollkommenen Sieg, nein. Ja, einer besiegt den anderen, aber dahinter steht immer die Niederlage des gezahlten Preises. Bitten wir den Herrn für unsere Toten, für alle, für alle: der Herr möge sie alle aufnehmen. Und beten wir auch, dass der Herr sich unserer erbarmen und uns Hoffnung schenken möge: die Hoffnung voranzugehen und gemeinsam mit Ihm sie alle wiederzusehen, wenn er uns rufen wird. So sei es.
(Orig. ital. in O.R. 3.11.2023)