Liebe Schwestern, guten Tag!
Ich heiße euch alle herzlich willkommen, meine besonderen guten Wünsche gelten Sr. Eugeniya-Kubwimana von Jesus, der neugewählten Generalverantwortlichen, und ihren Assistentinnen, die ihren Dienst in der Leitung der Fraternität beginnen. Und einen herzlichen Dank an Sr. Dolores Francesca von Jesus, die bisherige Generalverantwortliche, und ihre Assistentinnen, für die Arbeit, die sie in der jetzt zu Ende gegangenen Amtsperiode geleistet haben. Ich spreche nicht gern von »Verantwortlichen«, denn wenn einer verantwortlich ist, hört sich das so an, als wären die anderen »unverantwortlich«. Und das geht nicht!
Suche nach Gott
Ihr haltet gerade das zwölfte Generalkapitel ab, bei dem nicht nur die Wahlen stattfinden, sondern das auch ein wichtiger Anlass ist, um gemeinsam nachzudenken und bedeutsame Entscheidungen heranreifen zu lassen. Eure Anfänge gehen zurück auf die charismatische Erfahrung des heiligen Charles de Foucauld, die etwa 20 Jahre nach seinem Tod von Magdeleine Hutin und Anne Cadoret aufgegriffen wurde: eine starke Erfahrung der Suche nach Gott, des Zeugnisses für das Evangelium und die Liebe zu einem Leben in Verborgenheit. Dies scheinen mir drei nützliche Leitlinien zu sein, über die ich kurz nachdenken möchte – auch im Licht der Erzählung aus dem Evangelium, die ihr als Leitbild für den Weg des Kapitels gewählt habt: die Begegnung Jesu mit der Samariterin (vgl. Joh 4,5-42).
Die erste Linie ist die Gottsuche. Es ist die wichtigste. Der Meister erwartet euch am Brunnen seines Wortes, der lebendiges Wasser enthält, das die Glut unserer Sehnsucht stillt. Es ist schön, das Hören seines Wortes zu pflegen und anbetend zu seinen Füßen zu sitzen, wie Bruder Charles es tat, der nichts Schöneres kannte als die vor dem Tabernakel verbrachten Stunden. Er sagte: »Je mehr man von dieser Süße trinkt, desto mehr dürstet man danach« (Gedanken und Maximen). So öffnen sich die Herzen für die Wege Gottes, der den Menschen keine Gewalt antut, sondern sie zu kreativen Gedanken und Empfindungen der Treue, der Bereitschaft und des Dienens inspiriert. Wie der Samariterin so bietet Jesus auch euch seine Liebe an, und es liegt an euch, deren Herausforderung anzunehmen, indem ihr die hinderlichen »Krüge« abstellt, die Krüge der Selbstbezogenheit und der Gewohnheit, der vorhersehbaren Lösungen und auch eines gewissen Pessimismus, den der Feind Gottes und des Menschen stets einzuflößen versucht, vor allem denjenigen, die ihr Leben zur Gabe gemacht haben. Aber im Licht seines Wortes werdet ihr die Wünsche Jesu erkennen können, um dann neu aufzubrechen in die Städte und Dörfer, in die ihr gesandt werdet, freier und leichter, leer von euch und erfüllt von Ihm, so wie es im kunstvollen Logo des Kapitels dargestellt ist, das eine von euch entworfen hat.
So kommen wir zur zweiten Leitlinie, die euch von Beginn an ausgezeichnet hat: das Zeugnis für das Evangelium, es den anderen zu schenken mit Worten, Taten der Nächstenliebe und der geschwisterlichen, betenden und anbetenden Gegenwart eurer kleinen internationalen Gemeinschaften. Der heilige Charles de Foucauld hat gesagt: »Unser ganzes Sein muss das Evangelium von den Dächern rufen. Unsere ganze Person muss Jesus durchscheinen lassen… Unser ganzes Leben muss ein Ruf sein, der sagt, dass wir Jesus gehören, muss ein Bild des Lebens nach dem Evangelium sein« (Meditation über die heiligen Evangelien). Auch hier ist das Bild der Frau aus Samaria wertvoll, die hinging, um die Freude über die Begegnung mit Christus zu ihren Mitbürgern zu bringen, und ihnen gesagt hat: »Kommt her, seht…« (Joh 4,29). Der heilige Charles schrieb: »Denkt viel an die anderen, betet viel für die anderen. Sich dem Heil der anderen widmen mit den euch zur Verfügung stehenden Mitteln – Gebet, Güte, Beispiel –, das ist das beste Mittel, um dem göttlichen Bräutigam zu zeigen, dass ihr ihn liebt.« Und er fügte hinzu: »Es reicht nicht aus, dem zu geben, der bittet; man muss dem geben, der bedürftig ist« (Geistliche Schriften). Sich um die anderen zu kümmern; den Bedürftigen zu geben, ohne darauf zu warten, dass sie darum bitten: Das sind die Zeichen der Liebe zum Bräutigam, charakteristische Merkmale eurer fürsorglichen Nähe zu den Geringsten, in denen Er gegenwärtig ist. Eine Nähe, die in einer Gesellschaft wie der unseren umso kostbarer ist, wo trotz der Fülle an Mitteln sich die Herzen zu verhärten und zu verschließen scheinen, statt dass die guten Werke zunehmen. Die Nähe ist spontan, das ist es, was zählt. Sie entsteht aus der Spontaneität des Herzens. Anwesenheit, Nähe. Eure unaufdringliche Nähe möge eine sanfte Herausforderung für die Gleichgültigkeit sein – wir befinden uns heute in einer Kultur der Gleichgültigkeit –, ein Zeugnis der Geschwisterlichkeit, ein leiser Ruf, der, wie der »Bruder aller« geschrieben hat, die Welt daran erinnert, dass »jeder … der Ärmste, der Abstoßendste, ein Neugeborenes, ein gebrechlicher alter Mensch, das am wenigsten intelligente Menschenwesen, der Schlechteste, ein Idiot, ein Verrückter, ein Sünder, der größte Sünder … ein Kind Gottes ist, ein Kind des Allerhöchsten« (Geistliche Schriften). Das ist die Herzmitte des Zeugnisses: »Liebevoll sein, sanft, demütig gegenüber allen Menschen: das ist es, was wir von Jesus gelernt haben. Niemals streitbar zu sein, niemandem gegenüber« (Brief an Joseph Hours, 3. Mai 1912).
So kommen wir zur dritten Leitlinie: die Liebe zu einem Leben in Verborgenheit. Das ist der Weg der Menschwerdung, der Weg von Nazaret, der Weg, den Gott gezeigt hat mit seiner Entäußerung und seinem Klein-Werden, um das Leben der Kleinen zu teilen. Charles sagte: »Ich möchte unerkannt sein auf der Erde wie ein Reisender in der Nacht, arm, arbeitsam, demütig, sanft… Jesus in allem nachahmend in seinem Leben in Nazaret und, wenn die Stunde kommt, in seinem Kreuzweg und seinem Tod« (Geistliche Schriften).
Weg der Verborgenheit
Der Weg der Verborgenheit ist der Weg Gottes. Das ist schön, es ist wichtig. Ihr seid nicht Schwestern, um Werbung zu machen. Je verborgener ihr seid, desto göttlicher. Pflegt diesen Weg weiterhin, er ist eine machtvolle Prophetie für unsere vom Auffallen-Wollen und vom Schein vergiftete Zeit. Es scheint, dass wir für diese Sorge um das Auffallen und den Schein in einer Kultur »der Schminke« leben: alle schminken sich, für die Frauen ist das normal, aber alle sind es, alle schminken sich, um besser zu scheinen, als wir sind, und das stammt nicht vom Herrn.
Liebe Schwestern, es ist wahr, dass es schwierige Momente gibt und ernsthafte Probleme zu bewältigen sind, wie der Mangel an Berufungen, die Schließung einiger Häuser, das zunehmende Durchschnittsalter der Schwestern. Aber es ist auch wahr, dass ihr, der Inspiration von Bruder Charles getreu, wertvolle Werkzeuge für Gott seid, um in der Welt kleine Perlen der Zärtlichkeit des Evangeliums auszustreuen. Das ist eure Spezialität: die Zärtlichkeit des Evangeliums. Und der Herr wird dies weiter tun in dem Maße, wie ihr einfach und großherzig bleibt, verliebt in Christus und in die Armen. Das wird zu seiner Zeit Frucht bringen, zweifelt nicht daran!
Ich möchte auch für die stille Arbeit danken, die ihr in der Diözese Rom tut. Danke! Und dann seid ihr in jeder Generalaudienz präsent in der Person des »Enfant terrible« Sr. Geneviève, die immer jemanden mitbringt, um ihn in die Nähe des Papstes zu bringen, und das tut gut! Die Gegenwart der am stärksten Ausgegrenzten. Danke!
Ich danke euch und ich segne euch. Und bitte betet weiter für mich, wirklich, denn diese Arbeit ist nicht leicht, ja sie ist etwas »mühsam«!
(Orig. ital. in O.R. 2.10.2023)