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Redebeitrag des Generalrelators der Synode, Kardinal Jean-Claude Hollerich, bei der 8. Generalkongregation am 13. Oktober

Gemeinsame Verantwortung in der Sendung

 Gemeinsame Verantwortung in der Sendung  TED-042
20. Oktober 2023

Guten Morgen Ihnen allen und herzlich willkommen zurück in unserem Saal, um uns wieder gemeinsam auf den Weg zu machen. Unsere Reise ist schon seltsam, weil wir den ganzen Tag im Sitzen verbringen. Doch wenn wir zurückblicken und an den Tag denken, an dem wir uns zur ökumenischen Vigil getroffen haben – es sind noch nicht einmal zwei Wochen vergangen! –, so glaube ich, dass wir uns in der Bewertung einig sind, dass wir gemeinsam unterwegs gewesen sind und bereits einen langen Weg zurückgelegt haben.

Physisch sind wir gestern gemeinsam auf unserem Pilgerweg gegangen, der es uns ermöglicht hat, in engeren Kontakt mit den frühen Christen und insbesondere mit den Märtyrern zu treten, die ihr Leben gegeben haben, damit wir den Glauben haben können. Dieser Glaube an den einen Herrn verbindet uns mit ihnen; wir gehören zur selben Kirche und haben denselben Auftrag: der Welt die Frohe Botschaft des Evangeliums zu verkünden, die Liebe und Barmherzigkeit Gottes gegenüber der ganzen Menschheit, ja der ganzen Schöpfung. Die Märtyrer und Gläubigen, die uns vorangegangen sind, sind bei uns, wenn wir die Eucharistie feiern, wie wir es in der Basilika getan haben. Ihr Gebet stärkt uns, und wir können spüren, dass sie mit uns gehen: Die Synode bezieht die ganze Kirche ein, die die an Chris-tus Glaubenden aller Orte und Zeiten umfasst. Da die Kirche das pilgernde Volk Gottes durch die Zeiten ist, braucht sie das Manna in der Wüste, wie das Volk Israel. Aber wir haben etwas Besseres als nur das Manna: Wir sind in die Gemeinschaft mit unserem Herrn Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, aufgenommen.

Werkzeuge der Evangelisierung

In Einheit mit der ganzen Kirche beginnen wir nun mit der Arbeit der nächsten Tage, unserem dritten Modul, das dem Abschnitt B2 des Instrumentum laboris gewidmet ist. Wie wir bereits gelernt haben, hat jeder Abschnitt und damit auch jedes Modul einen Titel, der von einer Frage begleitet wird, die uns zeigt, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten müssen, damit wir uns nicht verirren. Der Titel und die Frage, die uns in den nächsten Tagen leiten werden, lauten: »Gemeinsame Verantwortung in der Sendung: Wie können wir Fähigkeiten und Aufgaben im Dienst des Evangeliums besser miteinander teilen?«

Unser Thema ist also die Sendung. Auf allen Ebenen des synodalen Prozesses ist sehr deutlich gesagt worden, dass »eine synodale Kirche eine Kirche ist, die in die Mission ausgesandt ist«. Das den Aposteln gegebene Gebot des Herrn gilt für alle Glieder unserer apostolischen Kirche.

Es ist nicht das erste Mal, dass wir auf unserer Reise auf das Thema der Sendung stoßen. Im Gegenteil, es ist in der Arbeit des zweiten Moduls immer wieder aufgetaucht: Die Gemeinschaft ist nicht in sich selbst verschlossen, sondern wird zur Sendung gedrängt; gleichzeitig besteht der Zweck der Sendung gerade darin, den Bereich der Gemeinschaft zu erweitern, damit immer mehr Menschen dem Herrn begegnen und seinen Ruf annehmen können, Teil seines Volkes zu sein.

Aus der Arbeit der vergangenen Tage können wir ein Beispiel nehmen, um die Perspektive zu verdeutlichen, aus der wir über die Sendung nachdenken werden. Mehrere Redner haben über den »digitalen Kontinent« gesprochen. Viele von uns sehen das Internet einfach als ein Werkzeug für die Evangelisierung. Es ist aber mehr als das. Es verändert die Art und Weise, wie wir leben, wie wir die Realität wahrnehmen und wie wir Beziehungen leben. So wird es zu einem neuen Missionsgebiet.

So wie Franz Xaver zu neuen Ländern aufbrach, sind auch wir bereit und willens, diesen neuen Kontinent anzusteuern? Die meis-ten von uns können nicht die Anführer in diesen neuen Missionskontexten sein … wir müssen uns von den Menschen führen lassen, die den digitalen Kontinent bewohnen. Meistens sind wir Bischöfe nicht die Pioniere dieser Mission, sondern diejenigen, die auf einem Weg lernen, der von den jüngeren Mitgliedern des Gottesvolkes eröffnet wird. Wir werden später noch mehr darüber hören. Auf jeden Fall hilft uns dieses Beispiel zu verstehen, warum unser Titel von gemeinsamer Verantwortung in der Sendung spricht: alle Getauften sind berufen und haben das Recht, an der Sendung der Kirche teilzunehmen, alle haben einen unersetzlichen Beitrag zu leisten. Was für den digitalen Kontinent gilt, gilt auch für andere Aspekte der Sendung der Kirche.

Dies ist der Horizont, in den sich die fünf Arbeitsblätter für Abschnitt B2 einfügen. Jede Gruppe wird sich nur mit einem von ihnen befassen und auf die Arbeit der anderen Circuli Minores an den anderen Arbeitsblättern vertrauen, deren Ergebnisse wir im Plenum austauschen werden. Das erste Arbeitsblatt befasst sich mit der Notwendigkeit, die Bedeutung und den Inhalt der Sendung zu vertiefen, die in unserer Kirche durch eine Vielzahl von Sprachen und Bildern vermittelt wird. Es ist eine Vielfalt, die wir als ein Geschenk annehmen sollen, das uns reicher macht. Der Auftrag der Kirche besteht darin, das Evangelium zu verkünden, beginnend mit dem Kerygma. Dieser Auftrag beschränkt sich nicht nur auf unsere Lippen, sondern er muss in den vielfältigen Dimensionen unseres täglichen Lebens zum Ausdruck kommen. Zur Sendung der Kirche gehören das Engagement für eine ganzheitliche Ökologie, der Kampf für Gerechtigkeit und Frieden, die vorrangige Option für die Armen und die Ränder der Gesellschaft sowie die Bereitschaft, offen für die Begegnung mit allen zu sein.

Das zweite Arbeitsblatt befasst sich mit dem Dienst in der Kirche. Auch hier werden wir einige Zeugnisse hören. Ich möchte ein wenig mehr auf die anderen drei Arbeitsblätter eingehen, weil eine Versammlung wie die unsere sehr vorsichtig sein muss, wenn sie mit ihnen umgeht. Als Mitglieder des Volkes Gottes gehen uns alle Themen des Instrumentum laboris sehr nahe und berühren uns. Aber diese drei tun dies auf besondere Weise. In der Tat ist jeder von uns in Bezug auf diese drei Themen der Träger eines Standpunktes, der wesentlich ist, aber um die Themen wirksam anzugehen, sind wir auch aufgerufen, uns unserer eigenen Parteilichkeit bewusst zu werden. Der beste Weg, um zu verstehen, was ich damit meine, ist ein Blick auf die drei Arbeitsblätter.

Die meisten von uns sind Männer. Aber Männer und Frauen empfangen die gleiche Taufe und den gleichen Geist. Die Taufe der Frauen steht der Taufe der Männer nicht nach. Wie können wir dafür sorgen, dass die Frauen sich als integraler Bestandteil dieser missionarischen Kirche fühlen? Nehmen wir, als Männer, die Vielfalt und den Reichtum der Charismen wahr, die der Heilige Geist den Frauen gegeben hat? Oder hängt unser Handeln oft von unserer bisherigen Ausbildung, unserer familiären Erziehung und Erfahrung oder von den Vorurteilen und Stereotypen unserer Kultur ab? Fühlen wir uns bereichert oder bedroht, wenn wir unsere gemeinsame Sendung teilen und wenn Frauen auf der Grundlage der Gnade unserer gemeinsamen Taufe für die Sendung der Kirche mitverantwortlich sind?

Wir sind nicht nur Männer, sondern die meisten von uns sind auch geweihte Amtsträger. Im Volk Gottes gibt es auch andere Komponenten, andere Charismen, andere Berufungen und andere Ämter. Wie ist die Beziehung zwischen dem ordinierten Amt und den anderen Diensten der Getauften? Wir alle kennen das Bild des Leibes, das der heilige Paulus verwendet. Sind wir bereit zu akzeptieren, dass alle Teile des Leibes wichtig sind? Sind wir bereit zu akzeptieren, dass Christus das Haupt des Leibes ist und dass der Leib nur funktionieren kann, wenn jeder Teil in Beziehung zum Haupt und zu den anderen Teilen steht? Kann der Leib unserer Kirche in Harmonie handeln oder drehen sich die Teile in alle Richtungen?

Bischofsamt und Synodalität

Das letzte Arbeitsblatt betrifft die Bischöfe, deren Dienst nach dem Willen des Herrn die Gemeinschaft der Kirche strukturiert. Wie sollte das Bischofsamt erneuert und gefördert werden, damit es auf eine Weise ausgeübt werden kann, die einer synodalen Kirche angemessen ist? Die meisten von uns hier sind Bischöfe. Diese Frage kann uns nur in besonderer Weise herausfordern, denn die Antwort wird sich unmittelbar auf unser tägliches Leben auswirken, auf die Art und Weise, wie wir unsere Zeit einteilen, auf die Prioritäten unserer Tagesordnung, auf die Erwartungen des Gottesvolkes an uns und auf die Art und Weise, wie wir unsere Sendung konzipieren.

Wir müssen uns über den Grad und die Intensität unseres Engagements im Klaren sein. Und wenn wir so sehr in eine bestimmte Frage oder Realität verwickelt sind, brauchen wir umso mehr den Mut, einen Schritt zurückzutreten, um anderen authentisch zuzuhören, in uns Raum für ihr Wort zu schaffen und zu fragen, was der Geist uns durch sie nahelegt. Das gilt für die Art und Weise, wie wir denen zuhören, die keine Bischöfe sind und daher eine andere Sichtweise vertreten, aber auch anderen Bischöfen, denn schließlich hat jeder von uns seine eigene Art, Bischof zu sein. Der Austausch über unsere eigenen Erfahrungen mit dem Bischofsamt und darüber, wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, kann eine große Hilfe sein.

Dem Wort des anderen Raum zu geben, ist ein Schwerpunkt, den wir in diesen Tagen weiter kultivieren müssen, da uns die Methode des Gesprächs im Geist immer vertrauter wird. Die Moderatoren berichten, dass es den Circuli Minores im Durchschnitt in der zweiten Runde schwerer fällt. Dies ist genau der Moment, in dem jede Person aufgefordert ist, für einen Moment ihren Standpunkt, ihr eigenes Denken beiseite zu legen, um auf die Resonanzen zu achten, die das Zuhören in ihnen weckt. Es handelt sich nicht um eine Verlängerung der ersten Runde, sondern um eine Gelegenheit, sich für etwas Neues zu öffnen, etwas, das wir so vielleicht noch nie gedacht haben. Dies ist die Gabe, die der Geist für jeden von uns bereithält. Die gleiche Aufmerksamkeit für das Zuhören muss dann während der Generalkongregationen fortgesetzt werden: wie wir in den vergangenen Tagen oft daran erinnert wurden, sollten die freien Beiträge die Resonanz mit den Einsichten zum Ausdruck bringen, die von den Gruppen unmittelbar vorher geteilt wurden. Aus diesem Grund wird es wichtig sein, dass die Berichte der Circuli Minores und die Beiträge der Berichterstatter mehr und mehr die Punkte der Konvergenz und der Divergenz, aber vor allem die zu untersuchenden Fragen und die Vorschläge für konkrete Schritte, die im kommenden Jahr unternommen werden sollen, darstellen.

Wie Sie gesehen haben, berühren wir in diesem Modul einige der wichtigsten Punkte unserer Synode. Wir sollten keine voreiligen Antworten geben, die nicht alle Aspekte dieser schwierigen Fragen berücksichtigen. Wir haben Theologen, die wir konsultieren können, und wir haben Zeit, um zu beten und die Fragen, die wir jetzt identifizieren, zu vertiefen, um auf der zweiten Tagung im Oktober 2024 zu einem Ergebnis zu kommen.

Ich danke dem Herrn für jeden einzelnen von uns, für unsere persönliche Erfahrung, für das Leben unseres Dienstes, für den Weg mit Christus in unserer heutigen Zeit. Ich danke auch denjenigen, die uns helfen, diese Überlegungen weiterzuführen: Mutter Ignazia Angelini mit ihren biblischen Einsichten, Prof. Carlos Galli mit seinen theologischen Einsichten und denjenigen, die nach ihnen ihre Zeugnisse geben werden. Sie helfen uns, die Themen und Fragen zu vertiefen und sie vor allem zu formulieren. Im Lichte dessen, was wir in dieser Einführungssitzung hören, kann jeder seinen Wortbeitrag überarbeiten, die er für die erste Runde der Circuli Minores heute Nachmittag vorbereitet hat.

Ich wünsche jedem einzelnen von uns und uns allen als Versammlung eine Zeit des fruchtbaren Hörens auf den Geist.