»Die Synodalität ist der ›Modus Operandi‹ der kirchlichen Gemeinschaft, die Teilhabe auch an Leitungsfragen und -entscheidungen, an Aspekten des Lebens der Kirche. Die Synode über die Synodalität ist eine Synode darüber, wie man die kirchliche Gemeinschaft so lebt, wie es dem Evangelium entspricht, das gemeinsame Unterwegssein aller Glieder des Gottesvolkes.« Mit diesen Worten fasst der Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn, den Kernpunkt der Synodenversammlung zusammen. Er führte das Interview mit den vatikanischen Medien vor Beginn der Synodenarbeiten Mitte September. Dabei verdeutlicht er die Verbindung zwischen der Synode, die die Kirche derzeit erlebt, und jener von 1985, die der kirchlichen Communio gewidmet war. Diese Hervorhebung lässt erkennen, dass die Gemeinschaft und das Streben nach Einheit – ›ut unum sint‹ – vor den verschiedenen Positionen kommt, mit dem Wunsch, dass es auch die Art und Weise, wie sie dargelegt und diskutiert werden, bestimmen möge.
Eminenz, die erste der beiden Synoden über die Synodalität wird in Kürze eröffnet: Was erwarten Sie sich von dieser gemeinsamen Arbeit?
Viele Dinge können auf dieser Synode geschehen, wir wissen es nicht. Papst Franziskus hat uns auf einen recht einzigartigen Weg geschickt, den Weg des Hörens und der Unterscheidung. Es sind Dinge, die man immer machen muss, es sind elementare Dinge für das Leben der Kirche, aber der Papst hat sehr viel mehr Nachdruck auf die Frage der Unterscheidung gelegt: Was zeigt uns der Herr? Was will er heute für uns, für die Kirche? Die Synode ist also ein Versuch, diesen Weg der Unterscheidung zu vertiefen, zu erlernen, zu erfahren.
In der Kirche von Wien haben Sie vor einigen Jahren eine Diözesansynode gefeiert. Was ist dort geschehen?
Ich muss Sie etwas korrigieren, denn es war keine Diözesansynode. Die Diözesansynode hat sehr genaue Regeln, die im Kirchenrecht festgelegt sind. Ich hatte die Idee, und sie wurde von vielen geteilt, einen anderen Weg einzuschlagen, nämlich den der Diözesanversammlungen. Wir haben fünf davon abgehalten, jede mit 1.400 bis 1.500 Delegierten aus verschiedenen Pfarreien, Institutionen, Ordensgemeinschaften, aus allen Wirklichkeiten der Diözese. Der Leitgedanke war das, was Papst Franziskus oft erwähnt hat: das Apostelkonzil, von dem wir in der Apostelgeschichte lesen. Ich habe der Diözese vorgeschlagen: Sprechen wir geordnet miteinander über das, was wir vom Weg mit dem Herrn erfahren haben, was Gott uns in unserem Leben, in unseren Pfarreien hat wahrnehmen lassen.
Was hat Sie im Ablauf dieses Prozesses am meisten beeindruckt?
Die Methode war die der Apostelgeschichte. Damals gab es ein Problem, und zwar das der Heiden, die Christen geworden waren: Sollte man sie taufen oder nicht? Und wenn man sie taufte, sollten sie dann auch das jüdische Gesetz annehmen, oder genügte der Glaube an Christus? Um diese dramatische Frage zu lösen, haben sie die Erfahrungen angehört und eine Unterscheidung durchgeführt. Petrus hat gesprochen, dann haben Paulus und Barnabas gesprochen, und schließlich hat die ganze Versammlung zugehört und gebetet. Am Ende sind sie zu folgendem Entschluss gekommen: »Der Heilige Geist und wir haben beschlossen…« Als Papst Franziskus mich gebeten hat, im Jahr 2015 in der »Aula Paolo VI« die Einführungsrede zum 50. Jahrestag der Errichtung der Synode zu halten, vor seiner berühmten Ansprache über die Synodalität, musste ich eine Zusammenfassung dessen machen, was die Synode ist, und ich habe vor allem über die Erfahrung der Urgemeinde gesprochen. Und ich glaube, dass dieser Weg – Papst Franziskus hat das oft wiederholt –, der Weg des Redens, des Hörens und der Unterscheidung, gut ist für den Weg der Synode, die wir jetzt erleben.
Was ist die Bilanz der Diözesanversammlungen?
Was wir in der Diözese versucht haben, hat gewiss die Gemeinschaft unter uns vertieft, hat die pastoralen Initiativen ermutigt. Wir haben nicht abgestimmt, wir haben weder Beschlüsse gefasst noch Texte veröffentlicht: Wir haben nur das Leben der Kirche im Licht unserer Erfahrungen miteinander geteilt. Das war die Methode dieser fünf Synodenversammlungen. Es war eine sehr positive Erfahrung, in einer schwierigen Zeit, weil das ganze Drama des Missbrauchs und die Glaubwürdigkeitskrise der Kirche passiert ist. Aber wir haben wirklich eine starke Glaubenserfahrung gemacht, und das hat natürlich dazu beigetragen voranzugehen, ohne sich entmutigen zu lassen.
»Synode über die Synodalität«: das könnte nach einem Titel klingen, der der Sensibilität der Menschen fernsteht, nach einem etwas technischen Titel. Was halten Sie davon?
Ich habe an der Synode von 1985 teilgenommen, nicht als Bischof, sondern als Theologe, ich war einer der Theologen, die an dieser Synode mitgewirkt haben, die 20 Jahre nach dem Abschluss des Konzils stattgefunden hat und deren Thema die Gemeinschaft war, die »communio«, ein Kernbegriff des Zweiten Vatikanums. Auch diese Synode hatte kein spezifisches Thema, sondern war gleichsam eine Synode über die Gemeinschaft: die »communio«, als Kernbegriff der Kirche, als Merkmal des kirchlichen Lebens. Und ich glaube, dass die Synode über die Syn-odalität etwas Ähnliches ist. Die Synodalität ist sehr einfach: Sie ist der »Modus Operandi« der kirchlichen Gemeinschaft, die Teilhabe auch an Leitungsfragen und -entscheidungen, an Aspekten des Lebens der Kirche. Die Synode über die Synodalität ist eine Synode darüber, wie man die kirchliche Gemeinschaft so lebt, wie es dem Evangelium entspricht, das gemeinsame Unterwegssein aller Glieder des Gottesvolkes. Gewiss kann man sagen, dass die Mehrheit der Synoden nach 1965 ein spezifischeres Thema hatte: zum Beispiel die Buße oder die Familie, wie wir sie 2014-15 hatten. Ich glaube jedoch, dass dieses Thema der Synodalität ein weiterer Schritt in der Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils ist, die »communio« und der »Modus Operandi« der »communio«, die Synodalität. Außerdem darf man nicht vergessen, dass das gemeinsame Unterwegssein der Synodalität auch bedeutet, des Weges derer zu gedenken, die uns im Glauben vorangegangen sind.
Papst Franziskus betont immer wieder, dass die Synode aus Gebet, Hören auf die Stimme des Heiligen Geistes, gegenseitigem Zuhören und Unterscheidung besteht. Und sie ist anders als die Arbeiten eines Parlaments – die ebenso positiv sind –, die der Logik von Mehrheit und Minderheit unterworfen sind.
Sie haben gesagt, dass die Arbeiten eines Parlaments etwas Positives sind. Wir sind dankbar für alle Länder, die ein Parlament, ein echtes Parlament, eine parlamentarische Demokratie haben. Ich möchte eine kleine Anmerkung hinzufügen. Natürlich ruft das Parlament nicht ausdrücklich den Heiligen Geist an: In einigen Parlamenten gibt es die Tradition des Gebets, sie sind selten, aber es gibt sie. Ich denke aber an jene wunderbare Ansprache von Papst Benedikt im Londoner Parlament, wo er gezeigt hat, dass es auch in der parlamentarischen Demokratie so etwas wie Unterscheidung gibt… Er hat über das Gewissen von Thomas Moore gesprochen, der sich gegen den König stellen musste, vor allem aber hat er über eine Entscheidung des Londoner Parlaments gesprochen, die Entscheidung zur Abschaffung der Sklaverei, und hat gezeigt, wie in den Parlamentsdebatten ein fortschreitendes Bewusstsein dafür entstanden war, dass die Sklaverei gegen die Menschenwürde verstößt. Daher möchte ich ein positives Wort über die Arbeit des Parlaments hinzufügen. Auch wenn die Synode kein Parlament ist, so bedeutet das nicht, dass die Arbeit des Parlaments nicht etwas Gutes ist.
Könnten Sie diesen Unterschied zwischen Synode und Parlament erläutern?
Der Unterschied besteht darin, dass die Syn-odalität, das Leben in der Kirche immer eine Suche nach Einmütigkeit ist, nicht im parlamentarischen Sinne, dass alle gleich abstimmen müssen – wie es in den Diktaturen oder im Kommunismus der Fall ist –, sondern als Streben nach Einheit. Sie ist Hören auf die Stimme des Heiligen Geistes, das auf der Suche nach der Wahrheit, auf der Suche nach dem Guten vorangeht, bis man fast zu einer Einmütigkeit gelangt. Es ist das, was die Konzile und auch die Synoden, die ich kennengelernt habe, getan haben: Die Regel der Synode lautet, dass es Abstimmungen gibt, aber diese müssen zwei Drittel der Stimmen erhalten. Außerdem darf man nicht vergessen, dass die Synode beratend ist, sie ist kein gesetzgebendes Organ. Sie dient dem Hören, dem gemeinsamen Hören auf die Stimme des Heiligen Geistes. Aus diesem Grund hat der Papst sowohl für die Synode über die Familie als auch für diese über die Synodalität zwei oder mehrere Etappen gewollt, die örtlichen, kontinentalen etc. Und am Ende zwei Zusammenkünfte der Synodenversammlung, weil es ein Weg zur Einmütigkeit ist, der immer »ut sint cor unum et anima una« sein muss, wie es von der Urgemeinde heißt: Sie waren ein Herz und eine Seele. Diese Eintracht ist das Zeichen des Heiligen Geistes.
Was bedeutet »auf die Stimme des Heiligen Geistes hören« konkret?
Der Papst hat uns die Methode des geistlichen Gesprächs gelehrt – und wir praktizieren es schon mit guten Früchten. Worin besteht es? Es bedeutet, einander respektvoll, mit Annahme zuzuhören, um zu einer Unterscheidung zu gelangen, um zu verstehen, was der Wille Gottes ist. Und für mich war es beeindruckend, dass Papst Franziskus im Dokument Querida Amazonia sein Echo auf die Synode über das Amazonasgebiet, an der ich teilnehmen konnte, gegeben hat. An gewissen Punkten hat er gesagt: Hier scheint es mir an Unterscheidung gemangelt zu haben, es bedarf mehr Unterscheidung. Wie kann man wissen, dass wir die notwendige Unterscheidung getroffen haben, um zu einer Entscheidung zu gelangen? Gewiss ist das die Kunst des Leitungsdienstes des Papstes, aber auch der Eintracht der Synode, Mitglieder der Synode. Und ich denke daher, dass wir eine starke Erfahrung der Kirchlichkeit in diesem Hören machen werden. Gewiss, zu vielen Fragen und vielen Themen ist der Fragenkatalog lang, und man wird der Diskussion und dem Austausch über diese oder jene Frage viel Zeit widmen müssen, aber immer in der Perspektive des Hörens auf den Geist.
Ein sicher neues Merkmal dieser Synode war der Versuch, die Ortskirchen weitgehend einzubeziehen und anzuhören und an den Arbeiten die Gemeinschaften und auch jene teilhaben zu lassen, die sich von der Kirche entfernt haben. Ist diese Methode wichtig, und wenn ja, warum?
Ja, es ist wichtig, auch die Stimme derer zu hören, die nicht »drinnen« sind, die sich entfernt haben, denn dieses Echo gestattet uns eine bessere Unterscheidung. Und dann die Stimme der Gläubigen hören. Es genügt, das berühmte kleine Buch des heiligen John Henry Newman über das Hören der Gläubigen in Glaubensdingen zu lesen. Dieses kleine Buch, das um die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils geschrieben wurde, ist sehr wichtig für unsere Suche nach der Synodalität.
Was bedeutet es, den Glauben des Gottesvolkes zu hören?
Es ist der »sensus fidei«. Das findet man natürlich nicht in den Statistiken. Wenn wir nicht diese Arbeit des Hörens auf den »sensus fidei« machen, dann hören wir nicht auf den Heiligen Geist, denn das, was im »sensus fidei« des Gottesvolkes lebt, nimmt man wahr, das ist der Knotenpunkt, das Herz des Glaubens der Kirche. Ich denke an eine persönliche Erfahrung, als ich ein junger Theologiestudent war und uns all die Ideen von Bultmann und der Entmythologisierung gelehrt wurden. Eine radikale Infragestellung des christlichen Glaubens. Als ich nach Hause kam, habe ich meiner Mutter davon erzählt, die mich angehört hat, und nach einiger Zeit hat sie mich etwas überrascht angeschaut und hat einfach zu mir gesagt: »Aber wenn Jesus nicht der Sohn des lebendigen Gottes ist, dann ist unser Glaube leer.« Ich habe immer gesagt, dass diese Lektion meiner Mutter für mich jenes Hören auf das Gottesvolk, auf den Glauben der einfachen Menschen, den Glauben des Gottesvolkes war. Daher legt Papst Franziskus so viel Nachdruck auf die Volksfrömmigkeit, auf den Glauben des Volkes – ein Nachdruck, dem wir bereits im Dokument von Aparecida begegnen –, er ist wirklich wichtig. Ich erinnere mich an die berühmte Predigt des damaligen Kardinals Ratzinger zur Zeit der Krise mit Hans Küng, als er sagte: Die Theologie, die sich nicht demütig in den Dienst, in das Hören auf den Glauben des Gottesvolkes stellt, hat keinen Nutzen, sie ist Gnosis, aber nicht der Dienst am Glauben. Daher denke ich, dass die Methode, eine große Zahl von Gläubigen einzubeziehen und auch die Menschen, die sich von der Kirche entfernt haben, wichtig ist für die Unterscheidung.
Ein weiteres Merkmal ist die Teilnahme von Mitgliedern, die keine Bischöfe sind, mit der Einbeziehung einer großen Zahl von Laien und insbesondere von Frauen. Wie verändert das die Physiognomie der Synode, und welche Folgen wird das Ihrer Meinung nach haben?
In den Synoden hat es schon seit 50 Jahren immer Laien gegeben, Männer und Frauen, die als Experten, als Auditoren und Auditorinnen teilgenommen haben. Jetzt sind zum ersten Mal eine große Zahl von Laien, Männer und Frauen, vollberechtigte Mitglieder der Synode. Ich glaube, dass die Physiognomie der Synode sich nicht grundlegend verändert, denn natürlich ist es eine Bischofssynode, die Mehrheit sind auch weiterhin die Bischöfe, denn die Synodentradition ist vor allem die der Begegnung der Bischöfe der Region, der Nation etc. Aber diese Teilnahme der gläubigen Laien ist natürlich wichtig, um das Hören zu verbessern. Ich habe an zahlreichen Synoden teilgenommen, und ich erinnere mich an Beiträge von Männern und Frauen, Laien, unter den Experten, unter den Auditoren, die einen tiefen Einfluss auf die Arbeiten hatten. Diesmal geht man einen Schritt weiter, um diese Stimmen einzubeziehen. Auch auf dieser Synode werden Experten anwesend sein, und auch die Delegierten der anderen Schwesterkirchen. Ich glaube, dass es einfach eine Bereicherung ist. Wir müssen uns außerdem erneut an die von Paul VI. vor 55 Jahren errichtete Synode erinnern. Diese Synode wird als die Stimme des Episkopats der Universalkirche beim Nachfolger Petri verstanden. Wir wissen gut, dass es Abstimmungen gibt, und zwar sehr bedeutende Abstimmungen, aber diese
Abstimmungen sind Ausdruck des »sensus fidelium«, auch der Erwartungen des Gottesvolkes, die am Ende an den Papst weitergegeben werden für seine weitere Unterscheidung. Diese neue Teilnahme verändert in der Substanz nicht den Sinn einer nachkonziliaren Synode.
Eine Folge dieser umfassenden Teilnahme war die Einfügung, in das Instrumentum laboris der Synode, vieler Themen, über die seit Jahrzehnten diskutiert wird. Zum Beispiel die Bitte um besondere Reformen für eine größere Teilnahme der Laien und der Frauen am Leben der Kirche oder ein Überdenken einiger mit der Moraltheologie verbundener Themen. Welches Gewicht werden sie auf der Synode haben?
Darauf weiß ich nicht zu antworten, wir werden es sehen. Was ich wahrgenommen habe, ist, dass die Kontinentalsynoden und auch das Echo zahlreicher Bischofskonferenzen in der Welt natürlich Nachdruck auf die Frage der Teilnahme der Laien am Leben der Kirche legen. Es handelt sich um ein Thema, das bereits auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil im Mittelpunkt stand. Die Teilnahme der Laien ist das Herzstück der Anliegen des Konzils, und es gibt immer noch viel zu lernen und zu tun. Bereits der heilige Papst Johannes XXIII. hat gesagt, dass das Thema der Frau im Leben der Kirche ein Zeichen der Zeit ist, es ist eine der großen Fragen, die in aller Welt zum Vorschein kommen, und dieses Thema wird natürlich präsent sein. Ich bin jedoch etwas skeptisch hinsichtlich der Tatsache, ob der Katalog der vor allem in der westlichen säkularisierten Welt sehr debattierten Themen so zentral für die ganze Kirche ist. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Auf der Amazonassynode gab es von Seiten gewisser Gruppen einen starken Druck, zu einer Entscheidung über die »viri probati« zu gelangen, die Priesterweihe verheirateter Männer. Vielleicht wird man mich dafür kritisieren, dass ich daran erinnert habe, aber es wurde auf der Synode gesagt. Einige haben sich gefragt: Wie ist es möglich, dass 1.200 Priester aus Kolumbien, einem Land mit vielen Pries-terberufungen, in den Vereinigten Staaten und in Kanada leben? Warum gehen nicht 100 oder 200 von ihnen nach Amazonien? Das Problem des Priestermangels wäre gelöst. Ich denke also, dass es manchmal etwas mehr Unterscheidung bedarf, und auch Ehrlichkeit, die Komplexität der Themen zu sehen. In diesem Sinne bin ich zuversichtlich, dass die Synode eine schöne und starke Gelegenheit sein wird, eine Chance, um gemeinsam über diese Thematiken nachzudenken.
Die Säkularisierung schreitet in den westlichen Gesellschaften voran, die Weitergabe des Glaubens, die früher in der Familie stattfand, scheint unterbrochen zu sein. Wie kann man in diesen Umfeldern wieder das Evangelium verkündigen? Wie kann die bevorstehende Synode dazu beitragen?
Sie sagen es, die Weitergabe des Glaubens fand in der Familie statt. Wenn diese Weitergabe in der Familie nicht stattfindet, ist die Weitergabe des Glaubens zwar nicht unmöglich, aber sehr viel schwieriger. Daher ist die Doppelsynode von 2014-15 über die Familie sehr wichtig für die Weitergabe des Glaubens. Ich bin zuversichtlich, dass die Weitergabe des Glaubens stattfindet, und sie findet statt, weil sie das Werk des Herrn ist. Der Herr ist es, der ruft, der einlädt, der Herr ist es, der im Herzen der Menschen wirkt, der anzieht, wie Jesus gesagt hat: »Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen.« Diese Anziehungskraft Jesu wirkt in der ganzen Welt, aber es bedarf auch derer, die dabei helfen, diesen Ruf, dieses Werk des Herrn zu begreifen.
Gewiss, die Säkularisierung ist eine große Herausforderung. Aber noch einmal verweise ich auf Benedikt XVI., der erstaunliche Dinge über die säkularisierte Gesellschaft gesagt hat. Ich erinnere daran, dass er, als er sich in die Tschechische Republik, ein sehr, sehr säkularisiertes Land, begeben hat, gesagt hat: Hier gibt es auch Gelegenheiten für den Heiligen Geist zu wirken, tätig zu sein. Und das stimmt. Die Säkularisierung ist also nicht nur ein Nachteil, sie hat auch einen positiven Teil, in dem Sinne, dass die persönlichen existentiellen Fragen vielleicht unmittelbarer gestellt werden. Der Herr ist also am Wirken. Das ist das Evangelium: Es ist Lebenskraft, es erweckt das Leben, und in diesem Sinne bin ich zuversichtlich, dass diese Synode, trotz aller Kritik, die bereits geübt wird, ein Schritt sein wird, um die Gemeinschaft der Kirche voranzubringen.
(Orig. ital. in O.R. 19.09.2023)
Von Andrea Tornielli