Eure Heiligkeit,
danke für Ihre Worte, danke für diesen Besuch in der Stadt der Apostel Petrus und Paulus, wo Sie bereits gelebt und studiert haben und in die Sie nun als Katholikos der ehrwürdigen orthodoxen syrisch-malankarischen Kirche kommen. Ich möchte Ihnen, Heiligkeit, sagen, dass Sie hier als willkommener und geliebter Bruder zuhause sind.
Gemeinsam mit Ihnen möchte ich zunächst dem Herrn für die in den vergangenen Jahrzehnten geknüpften Verbindungen danken. Die Wiederannäherung unserer Kirchen nach Jahrhunderten der Trennung begann mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, zu dem die orthodoxe syrisch-malankarische Kirche einige Beobachter entsandt hatte. Im selben Zeitraum traf der heilige Paul VI. 1964 in Bombay mit dem Katholikos Baselios Augen I. zusammen. Ihr Kommen heute fällt mit dem 40. Jahrestag des ersten Besuchs eines Katholikos eurer geschätzten Kirche zusammen; es war Seine Heiligkeit Baselios Marthoma Mathews I., den der heilige Johannes Paul II. wiederum drei Jahre später in der Kathedrale Mar Elia in Kottayam besuchte. In dieses Jahr fällt auch der zehnte Jahrestag der brüderlichen Umarmung mit Ihrem unmittelbaren Vorgänger, Seiner Heiligkeit Baselios Marthoma Paulose II. seligen Angedenkens, den ich zu meiner Freude zu Beginn meines Pontifikats im September 2013 empfangen durfte.
Während ich heute Sie, Eure Heiligkeit, und die Mitglieder Ihrer hochrangigen Delegation empfange, möchte ich brüderlich die Bischöfe, den Klerus und die Gläubigen der orthodoxen syrisch-malankarischen Kirche grüßen, deren Ursprünge auf die Verkündigung des Apostels Thomas zurückgehen. Vor dem Auferstandenen rief er aus: »Mein Herr und mein Gott!« Dieses Bekenntnis, das die rettende Herrschaft und die Gottheit Christi verkündet, begründet im Gebet und im Staunen unseren gemeinsamen Glauben. Diesen Glauben werden wir – gemeinsam, so hoffe ich – aus Anlass des 1700. Jubiläums des ers-ten ökumenischen Konzils, des Konzils von Nizäa, feiern. Ich möchte, dass wir es alle gemeinsam feiern. Der Glaube des heiligen Thomas ist jedoch nicht zu trennen von seiner Erfahrung der Wunden des Leibes Jesu (vgl. Joh 20,27). Nun, die Spaltungen, die im Lauf der Geschichte unter uns Christen aufgetreten sind, sind schmerzende Risswunden, die dem Leib Christ, der Kirche, zugefügt wurden. Ihre Folgen sind für uns mit Händen zu greifen. Aber wenn wir gemeinsam die Hand in diese Wunden legen, wenn wir gemeinsam, wie der Apostel, verkünden, dass Jesus unser Herr und unser Gott ist, wenn wir uns mit demütigem Herzen staunend seiner Gnade anvertrauen, dann können wir das Kommen des so sehr ersehnten Tages beschleunigen, an dem wir mit seiner Hilfe das Pascha-Mysterium an demselben Altar feiern können: Möge er bald kommen!
Unterdessen, lieber Bruder, gehen wir gemeinsam voran im Gebet, das uns reinigt; in der Nächstenliebe, die uns vereint; im Dialog, der uns einander annähert. Insbesondere denke ich an die Errichtung der Internationalen Gemischten Kommission für den Dialog zwischen unseren Kirchen, der zu einer an Pfingsten 1990 veröffentlichten, historischen Übereinkunft hinsichtlich der Christologie geführt hat. Es handelt sich um eine Gemeinsame Erklärung, die bekräftigt, dass der Inhalt unseres Glaubens an das Geheimnis des menschgewordenen Wortes identisch ist, auch wenn sich im Lauf der Geschichte in der Formulierung terminologische Unterschiede und verschiedene Schwerpunkte entwickelt haben. In bewundernswerter Weise erklärt das Dokument, dass »diese Unterschiede so beschaffen sind, dass sie in Einheit koexistieren können und uns daher nicht spalten dürften und sollten, vor allem wenn wir unseren Brüdern und Schwestern in der ganzen Welt Christus in Begriffen verkünden, die leicht verständlich sind.« Christus zu verkünden vereint, es spaltet nicht. Die gemeinsame Verkündigung unseres Herrn evangelisiert so den ökumenischen Weg.
Seit der Gemeinsamen Erklärung hat die Kommission sich fast jedes Jahr in Kerala getroffen und Früchte hervorgebracht, indem sie die pastorale Zusammenarbeit zum geistlichen Wohl des Gottesvolkes förderte. Insbesondere möchte ich dankbar an die Vereinbarungen von 2010 über die gemeinsame Nutzung von Gotteshäusern und Friedhöfen erinnern wie auch an die Möglichkeit für die Gläubigen, unter bestimmten Umständen die Krankensalbung in der einen oder der anderen Kirche zu empfangen. Das sind schöne Übereinkommen. Ich preise Gott für die Arbeit dieser Kommission, die vor allem auf die Pastoral ausgerichtet ist, denn die Ökumene in der Pastoral ist der natürliche Weg zur vollen Einheit. Zur Internationalen Gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den orientalisch-orthodoxen Kirchen, zu der auch eure Kirche seit 2003, das heißt von Beginn an, gehört, habe ich in diesem Zusammenhang gesagt, dass »die Ökumene immer einen pastoralen Charakter hat«. Denn wenn wir in der Verkündigung des Evangeliums und der konkreten Sorge für die Gläubigen brüderlich vorangehen, erkennen wir uns als die eine Herde Christi, die gemeinsam auf dem Weg ist. In diesem Sinne wünsche ich, dass die pastoralen Vereinbarungen zwischen unseren Kirchen, die dasselbe apostolische Erbe teilen, ausgeweitet und vermehrt werden können, vor allem in Kontexten, wo die Gläubigen in einer Situation der Minderheit oder der Diaspora leben. Ich freue mich ebenso über eure aktive Teilnahme an den Studienaufenthalten für junge Priester und Mönche, die jedes Jahr vom Dikas-terium für die Förderung der Einheit der Christen organisiert werden, Besuche, die zu einem besseren Verständnis zwischen den Hirten beitragen, und das ist sehr wichtig.
Auf unserem Weg zur vollen Einheit gibt es eine weitere wichtige Route, nämlich die Synodalität, auf die Sie sich in Ihrer Ansprache bezogen haben. Ihr Vorgänger hat vor zehn Jahren in Rom erklärt: »Die Teilnahme der Vertreter der orthodoxen malankarischen Kirche am Konzilsprozess der katholischen Kirche war seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil von grundlegender Bedeutung für das zunehmende gegenseitige Verständnis.« Ich freue mich, dass ein Bruderdelegierter eurer Kirche an der kommenden Sitzung der Versammlung der Bischofssynode teilnehmen wird. Ich bin überzeugt, dass wir von der jahrhundertelangen synodalen Erfahrung eurer Kirche viel lernen können. In gewissem Sinn trägt die ökumenische Bewegung zum derzeitigen synodalen Prozess in der katholischen Kirche bei, und ich wünsche mir, dass der synodale Prozess seinerseits zur ökumenischen Bewegung beitragen kann. Synodalität und Ökumene sind in der Tat zwei Wege, die gemeinsam vorangehen und dabei dasselbe Ziel ansteuern: die Gemeinschaft, die ein besseres Zeugnis der Christen bedeutet, »damit die Welt glaubt« (Joh 17,21). Vergessen wir nicht – das sage ich zu den Katholiken –, dass der Protagonist der Synode der Heilige Geist ist und nicht wir!
Genau darum hat der Herr vor dem Pascha gebetet, und es ist schön, dass unsere heutige Begegnung mit einem Moment des Gebets fortgesetzt wird. Möge der heilige Apostel Thomas für unseren Weg der Einheit und des Zeugnisse Fürsprache halten, dessen Reliquien in der Erzdiözese Lanciano-Ortona aufbewahrt werden, hier vertreten durch Erzbischof Emidio Cipollone, dem ich danke. Der Herr zeigte dem Apostel die Wunden, dessen ungläubiger Blick gläubig wurde: Die gemeinsame Betrachtung des gekreuzigten und auferstandenen Herrn möge die vollständige Heilung unserer Wunden aus der Vergangenheit bewirken, damit über jede Dis-tanz und jedes Unverständnis hinaus Er uns vor Augen steht, »unser Herr und unser Gott« (vgl. Joh 20,28). Der Herr und Gott, der uns aufruft, ihn zu erkennen und anzubeten, versammelt um ein und denselben eucharistischen Altar. Und das möge bald geschehen. Wir wollen beten. Danke!
(Orig. ital. in O.R. 11.9.2023)